Kündigung wegen Pfandbon:Der Mann hinter Emmely

Mit Karl Marx gegen eine "unmenschliche Rechtsprechung": Auch der Anwalt der Kassiererin Emmely machte unkonventionell Karriere.

Daniela Kuhr

Auf wessen Seite Benedikt Hopmann steht, wird sofort klar, wenn man sein Anwaltsbüro betritt. An der Wand hängt eine gerahmte Collage: der Kopf von Karl Marx auf lauter Börsenkursen. Daneben ein rotes Poster mit dem Satz von Friedrich Schiller: "Verbunden sind auch die Schwachen mächtig". Ja, Hopmann kämpft für die "kleinen Leute" - und an diesem Donnerstag bietet sich dem 60-Jährigen eine fast schon einmalige Chance, etwas zu bewegen.

Fall Emmely vor Bundesarbeitsgericht

Verdiente sein erstes Geld als Straßenmusikant: Benedikt Hopmann, der Anwalt der Supermarktkassiererin Emmely.

(Foto: ddp)

Hopmann ist Anwalt der Supermarktkassiererin Emmely, deren Fall im vergangenen Jahr die Öffentlichkeit empörte und der jetzt vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt angekommen ist. Emmely hatte gefundene Pfandbons im Wert von 1,30 Euro eingelöst und war dafür von ihrem Arbeitgeber fristlos entlassen worden. Was die Gemüter besonders erhitzte: Sowohl Arbeitsgericht als auch Landesarbeitsgericht bestätigten die Kündigung. Ihre Begründung: Emmely habe durch ihr gesamtes Verhalten rund um den Vorfall das Vertrauen des Arbeitgebers verspielt. Für Hopmann ist der Fall klar: "Wo jemandem wegen so einer Lappalie gekündigt wird, hat nie ein Vertrauensverhältnis bestanden."

Wer bei einem Anwalt an einen Spießer mit fein säuberlich geordneten Akten denkt, darf dieses Vorurteil bei Hopmann getrost ablegen. Sein Büro macht einen unkonventionellen Eindruck, um es vorsichtig zu sagen. Auf dem Schreibtisch am Fenster stapeln sich Akten, ebenso auf dem ovalen Holztisch in der Mitte des Raums und auf dem Stuhl an der Wand.

Im Bus durch Deutschland

Auch Hopmanns Werdegang ist unkonventionell. Nach dem Abitur reiste er mit Freunden im VW-Bus quer durch Deutschland und verdiente sich sein Geld als Straßenmusikant. "Das war Anfang der siebziger Jahre", sagt er. "Damals habe ich mir überhaupt keine Gedanken über die Zukunft gemacht." Später zog er nach Berlin und jobbte als Hilfsarbeiter bei den Deutschen Telefonwerken. Nach einer Prüfung zum Schweißer und einer Ausbildung zum Betriebsschlosser erwischte ihn "die erste Welle von betriebsbedingten Kündigungen". Es war eine Art Schlüsselerlebnis. "Ich merkte, wie wichtig es ist, dass man seine Rechte kennt und nach Wegen suchen kann, sie durchzusetzen." In seinem nächsten Job wurde er zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt. Sein Engagement brachte ihn in den achtziger Jahren bis ins Berliner Abgeordnetenhaus, wo er für die Alternative Liste saß. Doch nach der Wende verlor er sein Mandat.

Mehr aus Jux bewarb sich der damals 45-Jährige um einen Studienplatz für Jura in Berlin. "Mit 20 wäre ein Jurastudium für mich das Letzte gewesen", sagt er und grinst. Studium und Referendarzeit absolvierte Hopmann in Rekordzeit. Der Anwalt erhofft sich viel von diesem Donnerstag. "Ich will, dass diese unmenschliche Rechtsprechung geändert wird", sagt er. Natürlich dürfe man seinen Arbeitgeber nicht bestehlen, aber jeder mache mal einen Fehler. "Es kann nicht sein, dass man deshalb von einem Tag auf den anderen alles verliert." Emmely sei heute immer noch arbeitslos. "Sie lebt von Hartz IV."

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