Kündigung wegen Brötchenraub:Verrutschte Maßstäbe

Der Chef ist der Chef, und damit basta. Aber wer jemanden wegen einer Frikadelle entlässt, sollte selber gehen.

Peter Fahrenholz

"Quod licet jovi, non licet bovi" hat schon der Lateiner gesagt, was Jupiter erlaubt ist, ist dem Rindvieh noch lange nicht erlaubt. In einer demokratischen Gesellschaft gilt das nur noch eingeschränkt, denn vor dem Gesetz ist, zumindest in der Theorie, jeder gleich. Unternehmen (oder wie in diesem Fall: Verbände) sind aber in der Regel keine demokratischen Organisationen. Da ist der Chef der Chef, sein Wort gilt und damit basta.

Daraus folgt aber auch eine besondere Verantwortung. Wer selber Privilegien genießt und ganz selbstverständlich in Anspruch nimmt, darf die Maßstäbe nicht aus den Augen verlieren. Im Falle der beiden Sekretärinnen beim Bauverband Westfalen, die fristlos entlassen wurden, weil sie vom Buffet des Chefs zwei Brötchenhälften und eine Frikadelle gegessen haben, ist genau das geschehen: Die Entscheidung ist im buchstäblichen Sinne maßlos und deshalb unerträglich. Entscheidungen wie diese gefährden den Frieden in einer Gesellschaft.

Es wird in solchen Fällen gerne mit dem Vertrauensverlust argumentiert. Es komme nicht auf die Höhe des Schadens an, sondern auf das zerstörte Vertrauen, das auch ein kleiner Verstoß schon nach sich ziehe. Doch wer fragt eigentlich nach dem zerstörten Vertrauen, wenn Chefs durch Fehler und Machtallüren das Klima im Unternehmen zerstören?

Da gibt's dann zum Abschied meist noch eine Abfindung. Wer eine Sekretärin entlässt, weil sie eine Frikadelle gegessen hat, der muss auch den Manager entlassen, der seinen Fahrer losschickt, um die Blumen für die Gattin abzuholen. Im Falle des Bauverbandes Westfalen sollten nicht die Sekretärinnen, sondern der Chef gehen. Er scheint zur Führung von Mitarbeitern völlig ungeeignet zu sein.

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