Kündigung unliebsamer Angestellter:Führe sie nicht in Versuchung

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Gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten suchen Arbeitgeber mehr als sonst nach Verfehlungen von Arbeitnehmern, um sie loszuwerden.

Sibylle Haas

Gewerkschafter sind empört. Die fristlose Kündigung einer Berliner Supermarktkassiererin, die zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro unterschlagen haben soll, verurteilen sie scharf. "Der Arbeitgeber hat einen Grund gefunden, um eine unliebsame Mitarbeiterin loszuwerden", sagt Erika Ritter, die bei der Gewerkschaft Verdi Fachbereichsleiterin für den Handel in Berlin-Brandenburg ist.

(Foto: Foto: AP)

Die Kassiererin sei Gewerkschaftsmitglied und habe im Herbst 2007 in ihrer Filiale in Berlin einen Streik gegen die Streichung von Schichtzulagen und für mehr Lohn mitorganisiert, erklärt Ritter. Kurze Zeit später habe ihr der Arbeitgeber vorgeworfen, sie habe die Pfandbons falsch abgerechnet.

Ähnliche Kritik äußert auch der Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Das Urteil des Landesarbeitsgerichts sei arbeitnehmerfeindlich und ignoriere die Verhältnismäßigkeit der Mittel, sagt Doro Zinke, die stellvertretende DGB-Vorsitzende im Bezirk Berlin-Brandenburg. Augenscheinlich sei das Interesse des Arbeitgebers stark gewesen, jemanden abzustrafen, der sich als Gewerkschafter eingesetzt habe, so Zinke.

Juristen bestätigen, dass gerade in der Wirtschaftskrise Arbeitgeber mehr als sonst nach Verfehlungen von Mitarbeitern suchen, die sie gerne vor die Tür setzen wollen. "Wenn man jemanden loswerden will, spielt man alle Möglichkeiten durch. Die betriebsbedingte Kündigung ist natürlich der einfachste Weg", erklärt Frank Dahlbender, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Köln. Mitarbeiter können betriebsbedingt gekündigt werden, wenn es der Firma wirtschaftlich schlecht geht.

Dann muss der Arbeitgeber die Sozialauswahl berücksichtigen, also etwa auf das Alter, die Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten des Mitarbeiters achten. Allerdings unterliegen Arbeitgeber oft der Versuchung, ältere oder weniger geschmeidige Mitarbeiter betriebsbedingt zu kündigen.

Immer mehr Arbeitnehmer, denen wegen schlechter Auftragslage das Entlassungsschreiben ins Haus flattert, versuchten deshalb, sich gerichtlich gegen die Kündigung zu wehren, beobachtet Joachim Vetter, der Vorsitzende des Bundes der Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit. In den Verfahren werde härter gefochten als üblich, weil die Chancen, einen neuen Job zu finden, derzeit schlecht seien.

Wegen der Krise werde derzeit am häufigsten aus betriebsbedingten Gründen gekündigt, sagt Dirk Schreiner, Rechtsanwalt für Arbeitsrecht in Attendorn im Sauerland. Normalerweise kündigten Arbeitgeber überwiegend aus Gründen, die im Verhalten des Mitarbeiter liegen, so Schreiner.

Dazu gehört zum Beispiel die angebliche Unterschlagung von Geld, wie im Fall der Berliner Kassiererin. Nach herrschender Rechtsprechung ist die außerordentliche oder fristlose Kündigung auch dann zulässig, wenn der Verdacht einer strafbaren Handlung vorliegt, betonen die Arbeitsrechtler. Bei Diebstahl und Unterschlagung spiele es auch keine Rolle, um wie viel Geld es sich handele. Sogar das Klauen von Kleinstbeträgen führe zum Verlust des Arbeitsplatzes.

Immerhin geht es um Vertrauen: "Auf eine Kassiererin muss sich der Arbeitgeber tausendprozentig verlassen können", erklärt Dahlbender. Mit einer fristlosen Entlassung muss auch rechnen, wer seinen Arbeitgeber schlecht macht oder sich durch falsche Zeugnisse den Arbeitsplatz erschlichen hat.

Einer verhaltensbedingten Kündigung von Mitarbeitern - etwa weil die Arbeitsleistungen fehlerhaft oder schlecht sind oder weil Anweisungen nicht befolgt werden - sollten immer ein bis drei Abmahnungen durch den Arbeitgeber vorausgehen, so die Anwälte. "Oft scheitern verhaltensbedingte Kündigungen, weil zuvor nicht abgemahnt wurde", sagt Schreiner.

Er beobachtet, dass Arbeitgeber außerdem vermehrt nach Kündigungsgründen suchen, die in der Person des Mitarbeiters liegen. Dazu zählt vor allem die Kündigung wegen Krankheit. "Die Unternehmen haben in der Vergangenheit zu wenig darauf geachtet, wie oft ihre Mitarbeiter krank waren. Jetzt kommt das auf den Prüfstand", sagt Schreiner.

Die krankheitsbedingte Kündigung ist laut Schreiner bei Mitarbeitern erlaubt, die in den letzten drei Jahren mindestens 30 Arbeitstage pro Jahr wegen Krankheit gefehlt haben. Allerdings zählten dabei nur die Fehltage wegen chronischer Krankheiten.

© SZ vom 25. Februar 2009/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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