Süddeutsche Zeitung

Richtig kündigen im Job:"Da hatte Herr Löw kaum andere Möglichkeiten"

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Führungskräfte-Coach Peter Buhl erklärt, wie man sich respektvoll von Mitarbeitern trennt - ob Fußballnationalspieler oder normale Angestellte.

Interview von Matthias Kohlmaier

Der FC Bayern ist nicht glücklich - und seine Angestellten Mats Hummels, Jérôme Boateng und Thomas Müller wohl auch nicht. Bundestrainer Joachim Löw hat den dreien mitgeteilt, dass er auf ihre Dienste im DFB-Team verzichten will. In etwas weniger exponierten Unternehmen kommt diese Situation - Chef ist unzufrieden mit Angestellten und forciert eine Trennung - ständig vor. Führungskräfte-Coach Peter Buhl erklärt, worauf es dabei ankommt.

SZ: Herr Buhl, wie sollte eine Führungskraft vorgehen, wenn sie mit den Leistungen eines Angestellten so unzufrieden ist, dass sie eine Trennung für nötig hält?

Peter Buhl: Im Idealfall sollte es so weit gar nicht kommen. Schließlich hat die Führungskraft Verantwortung für ihre Abteilung - und damit auch für die Mitarbeiter. Wenn einer davon über längere Zeit nichts oder nicht viel beiträgt, ist auch auf Chefebene etwas falsch gelaufen.

Wie meinen Sie das?

Es gibt zwei zentrale Führungsansätze: Beim einen gibt der Chef ein Ziel vor; wird dieses nicht erreicht, drohen den Angestellten Konsequenzen bis hin zur Kündigung. Beim zweiten dagegen ist die Führungskraft mitverantwortlich für den Erfolg der Mitarbeiterinnen. Heißt auch: Sie muss früh einschreiten, wenn etwas nicht wie vereinbart läuft, und dem Einzelnen oder dem Team helfen, erfolgreich zu sein.

Wenn einem Angestellten spontan wegen schwacher Leistungen gekündigt wird, hat die Führungskraft also ihren Job nicht ordentlich gemacht?

Eine Kündigung ohne Vorwarnung halte ich für einen Offenbarungseid. Wenn eine Chefin wirklich so unzufrieden mit einem Mitarbeiter ist, dass sie eine Entlassung in Erwägung zieht, muss sie längst das Gespräch gesucht haben. Das hat etwas mit Fairness und Respekt zu tun: Nur wenn der Mitarbeiter frühzeitig Feedback bekommt, hat er eine Chance, sich zu verbessern.

Was sagt der Rauswurf dreier langjähriger Nationalspieler also über die Führungskompetenz von Bundestrainer Joachim Löw?

Die infrage zu stellen, würde ich mir aus der Distanz nicht anmaßen wollen. Ich nehme mal an, dass er mit Boateng, Hummels und Müller in den vergangenen Monaten schon Gespräche geführt hat und die drei von der Entscheidung nicht völlig überrascht waren.

Der FC Bayern ist trotzdem "irritiert" von Zeitpunkt und Umständen der Bekanntgabe an Spieler und Öffentlichkeit. Wie sehen Sie das?

Da hatte Herr Löw kaum andere Möglichkeiten. Hätte er nichts gesagt, wäre es eben aufgefallen, wenn der Kader für die kommenden Spiele gegen Serbien und die Niederlande bekanntgegeben wird. So hat er immerhin jetzt schon reinen Tisch gemacht. Aus Sicht des FC Bayern und vor allem der betroffenen Spieler hätte es vermutlich ohnehin keinen wirklich angenehmen Zeitpunkt für die Veröffentlichung gegeben.

Bei der Nationalmannschaft ist nun oft vom Umbruch die Rede und davon, dass Jüngere nachkommen, die den Job besser erledigen als die drei geschassten Spieler. Gibt es ähnliche Situationen in normalen Unternehmen?

Der Vergleich ist schwierig, weil jedem Nationalspieler ja von Beginn an klar ist, dass er nur eine begrenzte Zeit für den DFB spielen wird. Bei Angestellten sieht das anders aus, die rechnen eher nicht damit, dass mit Anfang oder Mitte 30 Schluss sein wird. Gerade in der heutigen Zeit, wo Fachkräfte Mangelware sind, muss es für jede Führungskraft daher das Ziel sein, unmotivierte oder unzufriedene Mitarbeiter im Dialog zu besseren Leistungen anzuspornen und sie zu unterstützen. Führungskompetenz ist besonders dann gefragt, wenn es in der Abteilung mal nicht läuft.

Schließt diese Kompetenz ein, dass Angestellte vielleicht weniger ihrer fachlichen und mehr ihrer sozialen Fähigkeiten wegen gehalten werden?

Ein funktionierendes Team zusammenzustellen, ist zwingend eine Aufgabe des Chefs. Und ein Team funktioniert dauerhaft nur, wenn sich jemand für Zusammenhalt und Harmonie einsetzt. Es war nun ja auch öfter zu lesen, dass man gerade Thomas Müller als Stimmungsmacher in der Kabine doch noch in der Mannschaft behalten hätte können. Ähnlich lief das vor einigen Jahren mit Lukas Podolski: Der war für die Nationalmannschaft auf dem Platz nicht in jedem Spiel so wichtig, daneben aber sehr wohl.

Jedes Team braucht einen Müller oder Podolski?

Auf jeden Fall darf keine Führungskraft unterschätzen, wie wichtig soziale Bindungen in der Abteilung für Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter sind. Jemanden dabei zu haben, der verlässlich gute Laune verbreitet und wie Müller oft für Stabilität sorgt, wenn es auf dem Platz schwierig wird, ist immer sinnvoll.

Wenn trotz aller Vermittlungsversuche eine Trennung doch nicht zu verhindern ist - was raten Sie Führungskräften dann?

Ganz konkret sollten sie die Trennung so respektvoll wie möglich gestalten. Dazu gehört auch, sich Zeit für Fragen zur Zukunft und zum Procedere zu nehmen: Wie wird Projekt X nun abgewickelt? Wie und von wem wird die Trennung kommuniziert? Außerdem dürfen Chefs nie unterschätzen, wie kränkend so eine Ablehnung für die Betroffenen sein kann. Mal sehen, wie die drei Bayern-Spieler damit umgehen werden. Ich hoffe auf die Einstellung: Jetzt zeigen wir dem Löw, dass er eine falsche Entscheidung getroffen hat!

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