Kündigung:Hinschmeißen oder durchhalten?

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Gehen oder bleiben? Diese Entscheidung sollte nicht unüberlegt getroffen werden. (Foto: iStock)

Druck, Langeweile, Mobbing: Manche Jobs sind nicht zum Aushalten. Der Gedanke, alles hinzuwerfen, ist verlockend. Doch eine Kündigung birgt Risiken und sollte nicht unüberlegt geschehen. Oft gibt es Alternativen.

Von Anne-Ev Ustorf

Monatelang ging Sabine Bartels mit Bauchschmerzen zur Arbeit. Ihre Kollegin war wegen einer Erkrankung langfristig krankgeschrieben, also musste die Anwaltsgehilfin Arbeit für zwei erledigen. Sie machte jeden Tag Überstunden in der Kanzlei, Unterstützung gab es trotzdem nicht. Als Bartels um eine Umverteilung der Aufgaben bat, stieß sie auf den Widerstand ihrer Chefin. "Wir sind alle am Limit", sagte die lediglich, "mehr Personal ist momentan nicht drin".

Also türmte sich die Arbeit auf Sabine Bartels' Schreibtisch, und irgendwann begannen Klienten sich zu beschweren, dass Fälle nicht zügig genug bearbeitet würden. "Ich kam immer später zum Hort, um meine Kinder abzuholen", erzählt Bartels. Als ihr Mann unverhofft eine Erbschaft machte und der finanzielle Druck weg war, dachte sie sich: Jetzt reicht's. Ohne eine Anschlussbeschäftigung in Aussicht zu haben, marschierte sie ins Büro ihrer Chefin und kündigte.

Eine Szene, von der hierzulande wohl viele Menschen träumen. Jeder zweite Arbeitnehmer in Deutschland ist einer Umfrage des Marktforschungsinstitut YouGov zufolge aktuell unzufrieden mit seinem Job, 70 Prozent würden ihren Freunden gar davon abraten, beim eigenen Arbeitgeber anzufangen.

Niedrige Bezahlung, zu wenig Anerkennung, eintönige Arbeit und schlechte Stimmung im Unternehmen vermiesen den Beschäftigten die Lust am Arbeiten. Dennoch halten überraschend viele Menschen an ihrem ungeliebten Job fest: Nur sieben Prozent aller Erwerbstätigen planen laut einer Forsa-Umfrage im Jahr 2013 einen Stellenwechsel. Zu groß ist offenbar die Angst, auf dem Arbeitsmarkt nicht wieder Fuß fassen zu können. Die schnelle Kündigung ("Es reicht, ich gehe!") bleibt für die meisten eine Phantasievorstellung.

Kündigt man selbst, gibt es eine zwölfwöchige Sperrfrist fürs Arbeitslosengeld

Wohl zu Recht: Claus Verfürth von der Düsseldorfer Personalberatungsfirma von Rundstedt & Partner, berät viele kündigungswillige Manager und warnt seine Klienten stets davor, ohne Anschlussbeschäftigung das Handtuch zu werfen. "Häufig machen Menschen sich gar nicht klar, welche Konsequenzen solch eine Kurzschlussreaktion hat, vor allem in finanzieller Hinsicht", erklärt der Spezialist für Karriereberatung und -entwicklung.

Kündigt man nämlich von sich aus, verhängt die Arbeitsagentur eine zwölfwöchige Sperrfrist für das Arbeitslosengeld. Das heißt: Drei Monate kein Geld. Zwar können Arbeitnehmer gegen die Sperre Einspruch erheben, doch in der Regel erkennt das Amt den Einspruch nur bei gewichtigen Gründen wie erwiesenem Mobbing, sexueller Belästigung, verzögerten Lohnzahlungen oder einem Umzug zur Fortführung des Ehe- oder Familienlebens an.

Doch was, wenn der Job richtig krank macht? Selbst bei Mobbing oder berufsbezogenem Burn-out rät Verfürth von der eigenmächtigen Kündigung ohne Anschlussbeschäftigung ab. "Auf jeden Fall durchhalten zu wollen, ist natürlich falsch", sagt er. "Aber auch eine drohende Arbeitslosigkeit ist belastend, das darf man nicht unterschätzen."

Einen unrühmlichen Abgang vermeiden

Viel besser sei es, Themen wie Mobbing oder Burn-out mit einem Coach oder Psychotherapeuten zu besprechen. "Man kann ja auch aus dem Verkehr gezogen werden, ohne zu kündigen." Zumal es über Krankschreibungen oder Kur- und Reha-Maßnahmen viele Möglichkeiten gebe, eine Auszeit vom belastenden Job zu nehmen.

Auch Hans-Peter Unger, Chefarzt des Zentrums für Seelische Gesundheit der Asklepios-Klinik Harburg, nutzt diese Chancen für seine Patienten. "Bei Erschöpfungsdepression oder Burn-out muss ein Betroffener nicht selten zur Krankschreibung getragen werden", sagt der Psychiater, "aber diese Zäsuren sind wichtig. Erst, wenn sich der Selbstwert stabilisiert hat, können die Betroffenen wieder auf Augenhöhe Entscheidungen über ihre berufliche Zukunft fällen. Da gibt es viele Möglichkeiten, einschließlich Maßnahmen zur beruflichen Wiedereingliederung."

Entscheidet ein Arbeitnehmer dennoch, den ungeliebten Job einfach so zu kündigen, sollte er unbedingt eines tun: einen unrühmlichen Abgang vermeiden. Statt dem Chef im Kündigungsgespräch also dessen Inkompetenz unter die Nase zu reiben, ist es klüger, die Wogen zu glätten. Solange die Referenzen stimmen, ist eine Eigenkündigung ohne Anschlussbeschäftigung auf dem Arbeitsmarkt heute nämlich längst kein K.-o.-Kriterium mehr. Viele Unternehmen sehen berufsbiografische Brüche mittlerweile positiv.

Wichtig: eine gute Begründung für die Kündigung zu haben

"Den lückenlosen Lebenslauf gibt es kaum noch", erklärt auch Personalberater Verfürth. "Rückschläge sind in Ordnung, wenn man zeigt, dass man danach wieder aufsteht und sich weiterentwickelt. Selbst in den oberen Etagen - denn auch da dreht sich das Karussell inzwischen schneller." Wichtig sei vor allem, eine gute Begründung für die Kündigung zu haben. Denn Arbeitgeber seien vorsichtig mit Neueinstellungen, wenn sie das Gefühl hätten, dass sich ein Bewerber möglicherweise als schwieriger Mensch entpuppen könnte. "Der Bewerber muss die Trennungsstory dem neuen Arbeitgeber schlüssig darlegen können", sagt Verfürth. "Und diese muss authentisch, wahr und für den Gesprächspartner verdaulich sein."

Sabine Bartels reiste nach ihrer Kündigung mit ihrer Familie acht Wochen durch Australien. Ihr würde der Personalberater im Bewerbungsgespräch beispielsweise raten, die Kündigung mit der Erbschaft zu begründen und nicht mit dem täglichen Stress in der Kanzlei: "Sich die Welt anzusehen hat einfach einen anderen Geschmack als zu viel Stress im Job."

Diesen Tipp wird Sabine Bartels beherzigen, denn bald will sie wieder Bewerbungen schreiben. Ihre Kündigung allerdings hat sie bisher keinen Tag bereut. Vier Wochen lang schob sie noch Überstunden, um einen ordentlichen Schreibtisch zu hinterlassen, dann war Schluss. "Es war mir wichtig, trotzdem im Guten zu gehen", sagt die Anwaltsgehilfin. "Aber als ich die Abschiedsparty hinter mir hatte, fiel mir ein Stein vom Herzen. Der Gedanke, nie wieder durch die Drehtür dieses Bürogebäudes gehen zu müssen, war einfach wunderbar."

© SZ vom 28.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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