Kristina Schröder im Interview:"Väter müssen das alte Klischee durchbrechen"

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Vatersein ist ein existenzielles Thema geworden, sagt Bundesfamilienministerin Kristina Schröder. Im Gespräch verrät sie, warum Männer mehr Angst vor einem Karriereknick haben als Frauen, wie der Spagat zwischen Beruf und Familie funktionieren kann - und was sie für das Elterngeld plant.

Stefan Braun

SZ: Frau Ministerin, alle Welt spricht über Väter, aber über Ihren Mann spricht kaum jemand. Stört Sie das?

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder bei der Präsentation der Ergebnisse der Untersuchung 'Monitor Familienleben 2011' des Instituts für Demoskopie Allensbach am 14. September: Die Ministerin will Vätern helfen, Familie und Beruf besser zu vereinen. (Foto: dpa)

Schröder: Persönlich nicht, aber es zeigt wieder einmal, dass bei der Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie die allermeisten immer noch vor allem auf die Mutter schauen.

SZ: Ist doch logisch, die Debatte ist ja über viele Jahre genauso geführt worden.

Schröder: Stimmt leider. Dabei ist es zunehmend ungerecht. Nicht, weil für die Mütter schon alle Probleme gelöst wären. Wohl aber, weil sich auch immer mehr Väter bemühen, diesen Spagat hinzubekommen.

SZ: Stört es das Ehepaar Schröder?

Schröder: Nein, denn anders als in der öffentlichen Wahrnehmung wird auch mein Mann von Freunden und Kollegen viel gefragt, wie es der Kleinen geht und was sie denn gerade macht.

SZ: Wird er auch gefragt, wann er Elternzeit nimmt?

Schröder: Tja, das ist bei uns Abgeordneten leider sehr speziell. Wir können das aus den besonderen Rechten und Pflichten eines Parlamentariers heraus nicht machen. Wir können unsere Aufgaben im Bundestag nicht für einige Monate oder ein Jahr durch jemand anderen machen lassen.

SZ: Wäre das in einem anderen Job anders?

Schröder: Was die Elternzeit angeht, ja. Wir würden dann sicher beide Elternzeit nehmen.

SZ: Sie haben viele Aufgaben, jedenfalls wenn man den Titel Ihres Ministeriums zum Maßstab nimmt. Männer und Väter tauchen da aber nicht auf.

Schröder: Mütter auch nicht.

SZ: Stimmt, aber der Mann als solcher findet sich auch nicht. Warum?

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder will den Vätern helfen, Familie und Beruf besser vereinen zu können. (Foto: dapd)

Schröder: Der Titel des Ministeriums ist historisch gewachsen. Und es stimmt schon, dass es bei genauerem Blick merkwürdig anmutet. Aber es wäre wirklich falsch, den Titel so zu interpretieren, dass wir für Väter nicht zuständig wären. Wir sind es und wollen das auch. Ich sage ja manchmal scherzhaft, dass ich für alle zuständig bin, außer für mittelalte kinderlose Männer.

SZ: Das klingt aber nicht nett.

Schröder: Und ist deshalb auch nicht als Ausschluss gemeint. Denn in Wahrheit funktioniert die Frauenpolitik nicht ohne die Männer - und die Familienpolitik funktioniert nicht ohne die Väter.

SZ: War es ein Fehler, Frauen- und Familienpolitik ohne Väter zu betreiben?

Schröder: Im Ergebnis ja. In der feministischen Debatte der 70er ist über das Thema Familie zu wenig gesprochen worden. Emanzipation war eher eine Emanzipation weg von der Familie. Entsprechend haben damals Mütter und Väter eine eher geringe, untergeordnete Rolle gespielt. Aber das trifft heute nicht mehr die Lebenswirklichkeit. Natürlich ist die Familienpolitik unvollständig, wenn man nicht über die Väter spricht. Es sind kommunizierende Röhren. Die Handlungsfreiheit des einen hängt doch ganz eng mit den Handlungen des anderen Partners zusammen. Also muss man über die Väter sprechen.

SZ: Dann tun wir das: Warum trauen sich drei von vier Vätern nicht, Vätermonate zu nehmen? Und warum nimmt von denen, die sich trauen, nur jeder fünfte mehr als die zwei Monate, die zum Erhalt des Elterngeldes Pflicht sind?

Schröder: Erstmal bin ich stolz drauf, dass der Anteil immer weiter ansteigt auf jetzt jeden vierten Vater, immerhin. Das ist vor fünf Jahren, als das Elterngeld eingeführt wurde, noch ganz anders gewesen. Mir fallen nicht viele politische Maßnahmen ein, die in so kurzer Zeit so viel bewirkt haben.

SZ: Trotzdem: Die Angst um die Karriere bremst sehr viele.

Schröder: Sie haben ja recht: Die Lage ist nicht so, wie man sie sich wünschen würde. Und dabei spielt die Angst vor einem Karriereknick sicherlich eine Rolle. Die Befürchtungen sind stark. Man kann vielleicht sogar sagen, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer mindestens ein genauso großes Problem ist wie für Frauen, nur anders gelagert.

SZ: Was heißt das?

Schröder: Frauen bekommen in der Regel gleichmäßig beide Vorwürfe. Dass sie schlecht im Beruf sind, und dass sie eine schlechte Mutter sind, sich also um beides zu wenig kümmern. Das ist bei Frauen etwa fifty-fifty. Bei Männern, die zum Beispiel wegen der Familie nur 30 Stunden arbeiten, gibt es dagegen kaum den Vorwurf, dass sie ein schlechter Vater sind, aber dafür umso heftigere Vorurteile, dass sie es beruflich nicht hinbekommen, weil sie sich auch ums Kind kümmern. Väter müssen das alte Klischee durchbrechen, dass Babys eigentlich nur die Aufgabe der Mütter sind.

SZ: Was ist geschehen, dass die Väter in den Fokus geraten sind?

Schröder: Wenn ich mit Vätern in meiner Generation spreche, dann merke ich eines: für alle ist das Vatersein ein existentielles Thema geworden. Ich merke starke Verunsicherungen, und ich höre den Vorwurf, Politik tue so, als hätten nur Mütter Probleme. Darauf muss Politik reagieren.

SZ: Was können Sie für Väter tun?

Schröder: Zeit ist auch bei den Vätern der Knackpunkt. Der Schlüssel liegt darin, die Arbeitszeiten zu verbessern. Mehr Teilzeit, zum Beispiel eine Reduzierung auf 80 Prozent. Mehr praktische Anerkennung für Elternzeit. Und für Väter oft ganz wichtig: mehr Selbstverständlichkeit, dass nicht abends, sondern schon tagsüber wichtige Sitzungen und Aufgaben erledigt werden können.

SZ: Also neue Arbeitszeitgesetze?

Schröder: Nein. Ich will das Bewusstsein in den Unternehmen ändern. Im Augenblick haben wir noch viele Top-Manager und Unternehmensführer im Alter von Anfang 60, die sich auch als Väter immer in die Arbeit gestürzt haben und heute offen beklagen, dass sie zu wenig Zeit für ihre Kinder hatten. Viele kümmern sich deshalb umso mehr um ihre Enkel. Es muss doch gelingen, die davon zu überzeugen, dass die heutige Generation die alten Fehler nicht wiederholen möchte.

SZ: Das klingt gut, aber können Sie da mehr machen als Appelle abzugeben?

Schröder: Wir haben längst einen Rechtsanspruch auf Teilzeit. Das sollte man nicht vergessen. Trotzdem sehen wir in der Realität, dass es fast überall nur die starre Alternative gibt, zwanzig oder vierzig Stunden zu machen. Dabei würden viele Eltern gerne jeweils 30 Stunden machen. Immerhin haben die Kanzlerin und ich es erreicht, dass sich die Unternehmen in einer Charta verpflichtet haben, hin zu diesem Ziel flexibler zu werden.

SZ: Und ansonsten? Könnten Sie sich vorstellen, das Elterngeld auszuweiten?

Schröder: Wir wollen die Vätermonate ausweiten. Das scheitert derzeit am Geld. Aber als Ziel für diese Legislaturperiode bleibt es auf der Agenda.

© SZ vom 01.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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