Korrupte Unternehmen:Wenn der Chef Dreck am Stecken hat

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"Whistleblower" können ungesetzliches Handeln im Betrieb melden. Aber sollten sie das auch?

Christine Demmer

Die Umweltschutzauflage besagt: An dieser Stelle muss ein feinerer Filter eingebaut werden. Der Betriebsleiter sagt: "Vergessen Sie es! Kümmern Sie sich besser um Ihre Angelegenheiten."

Was tun, wenn man erfährt, dass der Chef bestechlich ist? (Foto: Foto: iStickphoto)

Am Mitarbeiter nagt es. Was kann, soll, muss er jetzt tun? Die Augen schließen und die Anweisung befolgen? Den Vorgesetzten an höherer Stelle verpfeifen und riskieren, dafür abgewatscht zu werden? Oder anonym einen Tipp geben, dass in diesem Betrieb etwas schiefläuft? Aber wohin mit der brisanten Botschaft?

In Großbritannien gibt es ein Gesetz, nach dem Unternehmen Mitarbeitern, die Korruption und andere Missstände im Betrieb anprangern wollen, die Möglichkeit geben müssen, dies anonym zu tun.

"Whistleblowing", von "to blow a whistle" - ein Signal geben, nennt man das betriebliche Verpfeifen auf der Insel, in Irland und Kanada ebenso. Auch der amerikanische "Sarbanes-Oxley Act" (SOX) schreibt vor, dass die Whistler in der Lage sein müssen, ihre Informationen anonym weitergeben zu können.

Problem Datenschutz

Eine simple Sache, könnte man denken: Die Firma richtet einfach irgendwo einen Intranet-Briefkasten oder eine Telefon-Hotline für Whistleblower ein. Aber so einfach ist es nicht: Firmen, die an der US-Börse notiert sind und Tochtergesellschaften im Ausland haben, wie etwa die amerikanische Supermarktkette Wal-Mart, DaimlerChrysler oder Siemens, können in Teufels Küche geraten - wegen des Datenschutzes, der in den USA eher locker gesehen, in Deutschland dagegen streng beachtet wird.

"Stellen Sie sich vor", sagt Eckard Schwarz, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Hamburger Kanzlei Lovells LLP, "der Zuhörer an der Hotline sitzt auf den Philippinen. Und dem erzählen Sie jetzt, dass Vertriebler Hans Mustermann Dreck am Stecken hat, und Sie sagen auch, warum Sie das glauben."

Die Sache werde also geprüft, und am Ende stelle sich heraus, dass der Mitarbeiter mit seinem Verdacht richtig gelegen habe. "Aber Mustermann klagt, weil sein Name und betriebliche Details an eine nicht befugte Stelle weitergegeben und damit deutsche Datenschutzbestimmungen verletzt wurden", sagt Schwarz.

Und selbst, wenn die Sache zu Recht beanstandet wurde, hat der Arbeitgeber nichts gegen den Übeltäter in der Hand, weil er die Informationen möglicherweise juristisch nicht verwenden darf. Der Whistleblower hat dagegen unter Umständen ein Verfahren am Hals und muss Konsequenzen am Arbeitsplatz befürchten.

Nach der Verdachtsmeldung folgt die Entlassung

In der Zwickmühle stecken aber auch die Unternehmen. Wenn sie den Datenschutz streng beachten und deshalb gegen die Vorschriften des SOX verstoßen, kann die Börsenaufsichtsbehörde Security Exchange Control (SEC) verschiedene Sanktionsmaßnahmen bis hin zur Sperrung der jeweiligen Aktien- und Wertpapiere des Unternehmens an der New Yorker Börse ergreifen.

Eingedenk der ökonomischen Folgen des SOX hat eine EU-Arbeitsgruppe schon vor Monaten Vorschläge erarbeitet, wie mit Whistleblowing in Europa zu verfahren sei. Allein, es hapert an der Umsetzung in europaweites Recht, denn die nationalen Datenschutzregelungen stehen dem entgegen.

Dass die schwarzen Kassen bei Siemens aufgeflogen sind, ist der Aufmerksamkeit des norwegischen Controllers Per-Yngve Monsen zu verdanken. Der Mitarbeiter aus Oslo hatte bei der routinemäßigen Prüfung eines Rüstungsauftrages entdeckt, dass dem norwegischen Verteidigungsministerium völlig überhöhte Preise berechnet worden waren. Monsen war klar: Da kassiert jemand ab. Er meldete seinen Verdacht nach München - und wurde prompt entlassen.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie man sich im Verdachtsfall verhalten sollte.

Für den petzenden Mitarbeiter stehen auf Whistleblowing oft Verachtung und Mobbing. Schlimmer noch: Wer redet, läuft Gefahr, seinen Job zu verlieren. Aber auch wer schweigt, macht sich unter Umständen strafbar.

"Wenn ein Arbeitnehmer über beobachtetes oder ihm zur Kenntnis gelangtes dienstliches Fehlverhalten von Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten schweigt, dann kann er damit unter Umständen die Nebenpflichten seines Arbeitsvertrages verletzen", sagt Schwarz.

"Ich rate dazu, sich im Zweifel an den Vorgesetzten des Beschuldigten zu wenden und ihm in sehr sachlicher Form möglichst unter Vorlage von Beweisen den wahrgenommenen Sachverhalt zu schildern." Im Umkehrschluss gilt: Wer nur einen Verdacht hegt, den er nicht belegen kann, hält besser den Mund.

Transparency International, die weltweit agierende nichtstaatliche Organisation, die 1993 in Berlin vom ehemaligen Weltbankdirektor Peter Eigen ins Leben gerufen wurde und sich der Korruptionsbekämpfung widmet, betont es mit Nachdruck: In einer globalisierten und zunehmend technisierten Welt wird die Vorbeugung von Korruption und anderen Straftatbeständen immer wichtiger.

Kampf mit dem eigenen Gewissen

Die Organisation kümmert sich zwar nicht um Einzelfälle, verlangt aber, den rechtlichen Schutz des Hinweisgebers indie Führungsleitlinien der Unternehmen aufzunehmen. "Die Position von Deutschland hat sich im Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index, CPI) nicht signifikant verändert", klagt Transparency International. "Dies sollte für Deutschland Grund genug sein, die eigenen Anstrengungen zur Korruptionsbekämpfung fortzusetzen."

Bis es besser steht, muss jeder Mitwisser mit seinem eigenen Gewissen zurechtkommen. Der Norweger Per-Yngve Monsen hat zwar im Nachhinein eine hohe Abfindung bekommen, aber keine neue Stelle als Controller.

Mit dem Geld gründete er eine Organisation für Whistleblower und kämpft heute gegen Korruption und für die Anerkennung der vermeintlichen Verräter. "Die meisten Menschen sind heute auf Karriere, Ruhm, Geld und Macht fixiert", sagt Monsen. "Da braucht man Rückgrat, um moralisch anständiges und integres Handeln entgegensetzen zu können." Und er fügt hinzu: "Unglücklicherweise sind eine Menge hochrangiger Führungskräfte unzureichend damit ausgestattet."

© SZ vom 6.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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