Korrekte Anrede:Wie spreche ich Chefs oder Kollegen mit Doktortitel an?

Diesmal räumt der SZ-Jobcoach mit einigen Missverständnissen im Umgang mit dem "Dr." auf und gibt Tipps für die schriftliche und mündliche Kommunikation.

Von Jan Schaumann

SZ-Leser Arthur T. fragt:

Ich bewerbe mich gerade um einen neuen Job und habe nun schon zum wiederholten Mal einen Ansprechpartner mit Doktortitel. Wie formuliere ich die Anrede im Anschreiben korrekt: "Sehr geehrter Herr Dr. Müller" oder "Sehr geehrter Dr. Müller"? Muss ich ihn anschließend im Vorstellungsgespräch jedes Mal mit Titel ansprechen? Und noch eine Frage für den Fall, dass er mein künftiger Chef würde: Wie geht man im Arbeitsalltag mit promovierten Kollegen und Vorgesetzten um?

Jan Schaumann antwortet:

Lieber Herr T., um meinem Ruf als Besserwisser gleich zu Beginn gerecht zu werden, gestatten Sie mir bitte, mit einem weitverbreiteten Missverständnis aufzuräumen. Der Doktor ist, wenn wir es schon genau nehmen, kein Titel, sondern ein akademischer Grad. Ähnlich wie der Diplomingenieur oder der Bachelor.

Im Gegensatz zu den Automobilherstellern, die ja weithin dazu neigen, ihre Fahrzeuge dadurch zu graduieren, dass sie sämtliche Informationen zum verbauten Motor, der Innenausstattung und verwendeten Treibstoffart plakativ auf den Kofferraumdeckel nageln, wird der Doktorgrad in Deutschland zwar üblicherweise mit der zugehörigen Fachbereichsbezeichnung verliehen, also "Dr. jur.", "Dr. med." und so weiter. Genauso üblich ist es jedoch, ihn abgekürzt, also ohne die entsprechende Bezeichnung des Fachbereichs zu führen. Quasi eine Form des akademischen Understatements.

Der SZ-Jobcoach

Jan Schaumann war in verschiedenen Führungspositionen in international operierenden Unternehmen in Europa, Asien und den USA tätig.

In der schriftlichen Adressierung taucht dieses Detail ab und zu auf, wenn ein Brief an "Frau Dr. med. Petra Piesack" gerichtet ist. Dies gilt jedoch nur für die Adresse und nicht etwa für die folgende Anrede im Brief. Leider sind die Entwickler von Serienbrief-Funktionen mit diesem Umstand manchmal überfordert, so dass in vielen Programmen anschließend die Anrede "Sehr geehrte Frau Dr. med. Piesack" auftaucht. Nicht schön.

In der Anrede, egal ob schriftlich oder mündlich, taucht der akademische Fachbereich nicht wieder auf. Sowohl der Brief als auch die E-Mail an Frau Piesack beginnt korrekt mit der individuellen Lieblingsfloskel zum Gruße, gefolgt von der gesellschaftlich akzeptierten Geschlechtsbezeichnung, dem Doktortitel und schließlich dem Namen. Es heißt also: "Sehr geehrte (Verehrte / Liebe / Hallöchen / Grüß Gott oder was auch immer Sie für angemessen halten) Frau Dr. Piesack".

Durch die nach wie vor übliche Abkürzung des Doktorgrades in der Schriftform umgehen wir übrigens geschickt die geschlechtsspezifische Ausprägung. Bei der Amtsbezeichnung (nicht dem akademischen Grad!) des Professors ist es nämlich inzwischen üblich, in der Anrede zwischen der Professorin und dem Professor zu unterscheiden.

In jedem Fall gehört, vielleicht auch um in diesem Punkt entsprechende Klarheit zu schaffen, die "Frau" oder der "Herr" vor die Abkürzung "Dr.". Es reicht also nicht, Dr. Dorian Drosselbart mit "Sehr geehrter Dr. Drosselbart" anzuschreiben oder anzureden. So viel Zeit muss sein.

Interessant ist die nicht eben selten anzutreffende Meinung, der Doktor gehöre zum Namen wie der Henkel zur Tasse, weswegen es eine der allerersten Bürgerpflichten wäre, beide unverbrüchlich zu nennen und zu schreiben. Dass dem nicht so ist und niemand einen einklagbaren Anspruch darauf hat, mit dem Doktorgrad angesprochen oder angeschrieben zu werden, haben sowohl das Bundesverwaltungsgericht als auch der Bundesgerichtshof entschieden. Zum allgemeinen Sprachgebrauch gehört es dennoch.

Als 2007 und noch einmal 2013 im Bundestag eine Änderung des Passgesetzes vorgelegt wurde, die vorsah, den Dr. fortan nicht mehr in Ausweis und Reisepass einzutragen, war die Entrüstung im Parlament groß - insbesondere unter den promovierten Abgeordneten. Die Vorlage wurde schließlich gekippt.

Wir wollen hier jedoch keine juristische Erbsenzählerei betreiben, sondern uns um elementare Dinge kümmern wie gute Umgangsformen und wertschätzende Kommunikation. Wenn Sie also Kenntnis vom legitimen Vorhandensein eines Doktorgrades bei Ihrem Gesprächspartner erlangen, gebietet es schlicht der Anstand, diese Person auch damit anzureden. Und zwar so lange, bis sie entweder vorschlägt, den Doktor wegzulassen oder zum "Du" überzugehen. "Auf dein Wohl, Doktor Sepp!" klingt schließlich etwas komisch.

Wenn Sie sich unbehaglich fühlen, Ihren Arbeitskollegen oder die Chefin fortlaufend mit dem Doktorgrad anzureden (zumal wenn Sie damit der Einzige in der Abteilung sind), lassen Sie ihn dennoch nicht sang- und klanglos im Trott der Alltagskommunikation verschwinden. Sprechen Sie Ihren Kollegen bei einer passenden Gelegenheit und in jedem Fall unter vier Augen darauf an und fragen, wie er denn gerne angesprochen werden möchte. Durch Fragen erlangt man oftmals einen ungeahnten Erkenntnisgewinn.

Ihre Frage an den SZ-Jobcoach

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