Konfliktmanagement an Hochschulen:Der andere Diskurs

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Der Streit um die Wahrheit gehört in der Wissenschaft zum Geschäft - doch zwischenmenschliche Konflikte blockieren die Arbeit. Deshalb setzen Hochschulen inzwischen auf Mediatoren und Schlichter.

Von Christine Prussky

Sie haben gestritten. Im Verborgenen zunächst, und dann auch öffentlich vor Gericht. Als das Verwaltungsgericht Trier nach kurzem Prozess entschied, dass der Präsident der Universität Trier zu Recht das Sofa und das Laufband aus dem Büro der rückenkranken Unibibliotheksleiterin entfernen ließ, hatten beide ihr Gesicht schon verloren. Michael Jäckel und Hildegard Müller waren bundesweit in die Schlagzeilen geraten. Über die "Posse" an der Trierer Hochschulspitze schrieb auch die Süddeutsche Zeitung.

Der Konflikt, der mittlerweile mehr als ein Jahr zurückliegt, macht deutlich: In Wissenschaft und Hochschule menschelt es ganz gewaltig. Knapp 700 000 Beschäftigte zählt das Statistische Bundesamt aktuell an Hochschulen, etwa 290 000 davon sind Wissenschaftler und Professoren. Keiner von ihnen kommt ohne Streit durchs Leben. Konflikte gehören zum Alltag - und folgen anderen Regeln als der rationale Diskurs, den Forscher im wissenschaftlichen Austausch pflegen. So produktiv der wissenschaftliche Streit ist, so lähmend sind Querelen, wie sie etwa die Trierer Hochschulspitze erleben musste. Sie kosten Energie, Zeit und Geld.

Dass ungelöste Konflikte den Hochleistungsbetrieb Wissenschaft bremsen, haben Entscheider in Forschung und Lehre erkannt. An nahezu jeder Hochschule finden sich heute Ansprechpartner oder gar eine Stelle, die bei Auseinandersetzungen entweder selbst weiterhilft oder an externe Mediatoren und Berater verweist.

Um den Wert professioneller Konfliktlösung wissen auch Personalräte, wie Andreas Keller vom Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erklärt. Ob in Hamburg, Kassel, Aachen, Halle-Wittenberg oder Dresden - bundesweit kooperieren Beschäftigtenvertreter mit Mediatoren, um Streitfälle schnell, geräuschlos und außergerichtlich zu klären.

Dennoch: "Es gibt noch jede Menge zu tun, um professionelles Konfliktmanagement zu ermöglichen", sagt Christian Hochmuth, geschäftsführender Koordinator des Instituts für Konfliktmanagement an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. So fehle es nicht nur an adäquaten Räumen und festen Stellen. Vielerorts arbeiteten akademische Konfliktberater isoliert, ohne voneinander zu wissen und ohne sich in einem Netzwerk gegenseitig unterstützen zu können. "Wir brauchen die Selbstorganisation für die weitere Professionalisierung vor Ort", sagt Hochmuth.

Von Konfliktberatern über Mediatoren und Coaches bis hin zu Team- und Organisationsentwicklern reicht die Bandbreite derjenigen, die sich in solch einem speziell auf die Wissenschaft zugeschnittenen Verbund versammeln müssten. "Hochschulen sind besondere Organisationen mit einer ganz eigenen Kultur. Sie zu kennen, ist wichtig", sagt Hochmuth.

"Die meisten kommen sehr spät, manchmal auch zu spät."

Er nennt es "Feldkompetenz", worüber zum Beispiel die Berliner Konfliktberater Sabine Grunwald, Rudolf Knauthe und Michael Bosch verfügen. Die Mediatoren sind extern und punktuell auf Honorarbasis für die Humboldt Graduate School tätig. Seit etwa fünf Jahren bietet die Graduiertenschule eine Konfliktsprechstunde. Bis zu 20 Forschende nutzen pro Jahr das Angebot, das die Humboldt-Universität aus Mitteln der Exzellenzinitiative finanziert. In die Sprechstunde kommen viele Doktoranden, aber auch Professoren. Das Problem: "Die meisten kommen sehr spät, manchmal auch zu spät", sagt Michael Bosch.

Vermeiden und Aussitzen, Stellvertreterkriege und disziplinarrechtliche Praktiken. So beschreibt Christian Hochmuth von der Viadrina die tradierte Konfliktkultur an Hochschulen. Das sei "nicht ideal", um Konflikte "konstruktiv zu bearbeiten", formuliert er vorsichtig in seinem Fachaufsatz zur "Analyse des Konfliktumfeldes Hochschule". Dass Wissenschaftler Auseinandersetzungen im Kollegenkreis gern verschleppen, lässt sich auch im Buch "Uni, wie tickst du?" nachlesen. Ute Symanski, Autorin und Hochschulberaterin, geht darin dem akademischen Prinzip "gegenseitiger Schonung" von Jürgen Habermas nach und belegt mit ihrer Studie: Das Prinzip hat Bestand.

So kommt es, dass Konfliktfälle erst bei Mediatoren landen, wenn sie nach jahrelangem Schwelen eskaliert sind - und genau deshalb nicht mehr auf mediative Weise gelöst werden können. Um konstruktiv, selbstbestimmt und autonom auf Augenhöhe eine Lösung zu erzielen, müssen beide Partner miteinander ins Gespräch kommen wollen und können. In der Auseinandersetzung an der Trierer Universitätsspitze war das den Beteiligten offensichtlich nicht mehr möglich. Und so hat eine dritte Instanz für und über sie entscheiden.

Wer das vermeiden und seine Autonomie wahren möchte, nimmt im Streitfall zügig Kontakt zu den jeweiligen Ansprechpartnern vor Ort oder aber eben zu externen Mediatoren und Konfliktberatern auf. "Je früher sich Doktoranden und Professoren an uns wenden, desto besser", sagt der Berliner Konfliktberater Rudolf Knauthe. So steigt nicht nur die Lösungschance, verkürzt wird auch die für die Beteiligen so belastende Leidensphase.

Michael Bosch kann sich an einen Fall erinnern, in dem ein Doktorand über Jahre keinen Kontakt zu seinen Betreuern hatte. Aus der anfänglichen Zurückhaltung, sich zu melden, wurde Angst, die am Ende selbst dann unüberwindbar war, als es darum ging, für eine Aufenthaltsgenehmigung die Unterschrift des Professors zu bekommen. "Es war schlimm", sagt Bosch.

In solchen Situationen stoßen Konfliktberater an Grenzen. Doch es gibt auch Geschichten, die von überraschenden Wendungen und Befreiungen erzählen. Dann nämlich, wenn die vertraulichen Gespräche ergeben, dass die Streitursache gar nicht dort liegt, wo sie vermutet wurde. Oder aber, wenn in Mediationen Fronten aufbrechen, das Schweigen beendet, zwischen den Konfliktpartnern plötzlich wieder Kommunikation möglich wird und Vereinbarungen für die künftige Zusammenarbeit geschlossen werden können. "Solche Erfolgsgeschichten müssten wir öffentlich machen können", sagt Hochmuth. Wohl wissend, dass dies nur geht, wenn die Beteiligten damit einverstanden sind, die Anonymität aufzugeben. Das aber ist schwer vorstellbar, denn: "Konflikte zu haben, gilt immer noch als Makel", sagt Hochmuth. Das ist auch in der Wissenschaft so.

© SZ vom 29.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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