Konflikte im Büro:Toxische Typen

Zwischenmenschliche Konflikte sind im Büro an der Tagesordnung. Ausnutzer, Oberlehrer, Tyrannen: Ein Seminar lehrt, wie man unangenehmen Kollegen Paroli bietet.

Ingrid Brunner

Menschen sind nicht einfach. Sie reden zu viel oder zu wenig. Sie stapeln hoch oder stellen ihr Licht unter den Scheffel. Und während die einen ständig etwas zu kritisieren haben, finden andere einfach alles toll. Trotzdem: Wer als schwieriger Zeitgenosse gilt, hängt von der Wahrnehmung der Mitmenschen ab. Denn nicht nur die Schönheit liegt im Auge des Betrachters, auch das Unangenehme, das Negative ist letztlich eine Konstruktion, wie es das oft bemühte Bild vom halb vollen beziehungsweise halb leeren Glas illustriert.

fieser Kollege, iStock

Fieser Kollege: Wie aber kommt man nun raus aus der Ärgerfalle?

(Foto: Foto: iStock)

Gleichwohl gibt es sie, die "toxischen" Typen, wie Klaus Schneewind, emeritierter Professor für Persönlichkeitspsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, sie nennt. 29 verschiedene Persönlichkeiten, die "giftig" für die Befindlichkeit der Mitmenschen sein können, hat der Psychologe zusammengetragen, von A wie Ausnutzer über O wie Oberlehrer bis Z wie zähnefletschender Tyrann.

Hohes Konflikt- und Leidenspotential

Beinahe jeder hatte schon einmal eine Begegnung mit einer schwierigen Persönlichkeit. Und da auch Kollegen Menschen sind, Menschen obendrein, denen man nicht so einfach aus dem Weg gehen kann, ist das Konflikt- wie auch das Leidenspotential in der Arbeitswelt besonders hoch. So sind es denn auch durchweg Situationen aus dem Arbeitsalltag, welche die Teilnehmer des Seminars "Mit ,schwierigen' Menschen umgehen: Wege aus der Ärgerfalle" in die vierstündige Abendveranstaltung geführt haben.

Da ist der Nachwuchswissenschaftler, der von seinen älteren Kollegen nicht auf Augenhöhe behandelt und in seiner Kompetenz in Frage gestellt wird. Oder die Unternehmensberaterin, die ihrem Mandanten nicht klarmachen kann, dass sie auch noch andere Aufträge hat und seine Ansprüche den Auftragsumfang weit übersteigen. Da ist die Frau, die von der Kollegin zur Vorgesetzten und nun vom Team geschnitten wird. Oder der Filialleiter einer Bank, der neue gesetzliche Vorschriften einführen muss, doch weder Mitarbeiter noch Kunden wollen der Notwendigkeit folgen.

Schwierige Zeitgenossen? Seminarleiter Schneewind wägt ab: Ist die Person schwierig, oder ist es die Situation? Der Effekt ist meist derselbe: Zu Gefühlen wie Wut, Ohnmacht oder Minderwertigkeit kommen körperliche Symptome wie Schwitzen, Kopfschmerzen, Herzrasen. Auch die Kommunikation leidet: Die Betroffenen beginnen zu stottern, werden unhöflich oder verweigern das Gespräch. Wie aber kommt man nun raus aus der Ärgerfalle, wie es der Titel des Seminars verspricht?

Wer spontan reagiert, verliert

Gleich zu Anfang macht Schneewind klar, dass es keine Patentlösung gibt für zwischenmenschliche Konflikte: "Menschen sind schwer veränderbar. Sie können niemanden dazu bringen, dass er Sie liebt." Was also tun? Schneewind, ganz Psychologe, fokussiert das eigene Ich: Der einzige Mensch, den man überhaupt ändern könne, sei man selbst - spricht's und teilt Fragebögen aus.

Die Teilnehmer sollen beschreiben, was die schwierige Person bei ihnen auslöst. "Es ist wichtig zu wissen, was dieser Mensch mit mir macht", sagt Schneewind. Nur die Analyse von Situationen und dem eigenen Reaktionsmuster könne den Weg weisen, helfe dabei, eine Strategie zu entwickeln, wie man souverän mit Vorwürfen und Angriffen umgehen kann. "Kommen Sie immer zu spät?", "Sie werden ja nie mit Ihrer Arbeit fertig!", "Wie sehen Sie denn aus?" - Wer darauf spontan reagiert, verliert. Oder, wie es Schneewind formuliert: "Wut hat eine debilisierende Funktion."

Doch es ist schwer, unter Stress smart zu sein. Schließlich schlummert in jedem Zeitgenossen noch das Erbe des Steinzeitmenschen. Und dem ist es zu verdanken, dass auch der Mensch des 21. Jahrhunderts in Konfliktsituationen nur zwei Verhaltensimpulse kennt: Flucht oder Kampf - keiner von beiden ist hilfreich. Wer also eine Konfrontation entschärfen will, muss dies einüben. Etwa im Rollenspiel.

Auf der nächsten Seite: Worauf die moderne Verhaltenspsychologie setzt, wenn der Neandertaler in uns gerne mal die Keule schwingen würde.

Toxische Typen

Die andere Wange hinhalten

Es hilft laut Schneewind tatsächlich, sich für wiederkehrende Konfliktsituationen Antworten zu überlegen, diese aufzuschreiben und vor dem Spiegel oder mit Freunden einzuüben. Wo der Neandertaler in uns also gerne mal die Keule schwingen würde, setzt die moderne Verhaltenspsychologie auf Deeskalation. Aber auch wenn das Seminar im Kardinal-Wendel-Haus der Katholischen Akademie München stattfindet, heißt dies nicht, dass der Geschlagene stets auch die andere Wange hinhalten muss.

Es kann Vergnügen bereiten, sich mit Stil und Grundanstand zur Wehr zu setzen. "Senden Sie klare Ich-Botschaften, teilen Sie mit, was Sie denken, fühlen oder erwarten." Denn dadurch, so Schneewind, werde niemand verletzt, und dennoch könne man seinen Standpunkt klarmachen. Statt also zu sagen "Sie haben hinter meinem Rücken über mich gelästert" sollte man es etwa mit "Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten zuerst mit mir darüber gesprochen" versuchen.

Kommt es zur Aussprache oder einer Diskussion, gilt: zuhören, den anderen anhören und erst denken, dann reden - im Grunde eine Binsenweisheit. In der Psychologie nennt man dies den kontrollierten Dialog. Ein Kniff, der sich nahezu mechanisch erlernen lässt. Man beginne einfach jede Erwiderung mit einer Paraphrase - vulgo einer Zusammenfassung der Botschaft des "Gegners". So fühlt sich der Mensch angenommen, wahrgenommen.

Pokerface aufsetzen

Und wenn alles nichts hilft? "Geben Sie klare Zeichen, auch in Ihrer Körpersprache: Stopp! Stellen Sie Abstand her und geben Sie sich eine Auszeit. Machen Sie sich Ihre momentane Gefühlslage klar. Versetzen Sie sich in einen unpersönlichen Zustand." Das bedeutet: Pokerface aufsetzen, sachlich sprechen, keine Gefühle zeigen. Was aber, wenn es der Chef ist, der schwierig ist? Schneewind rät beherzt zur "Führung von unten". "Loben Sie, spiegeln Sie seine Ideen, führen Sie Protokoll, damit Sie ihn an alte Aussagen erinnern können."

Fazit: Der Schwierige Mensch bleibt schwierig - und es macht den Mitmenschen verdammt viel Arbeit, mit ihm zurechtzukommen.

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