Konflikte an Schulen:Wenn Mehmet Lukas mobbt

Ob Frankfurt, Essen oder Berlin: Lehrer aus Problemvierteln klagen, die muslimische Mehrheit der Schüler mobbe Schüler deutscher Herkunft. Grund dafür sei aber nicht der kulturelle Hintergrund.

Lehrer schlagen Alarm: An manchen Schulen in Problemvierteln von Großstädten trauen sich nicht-muslimische Schüler in der Pause kaum noch auf den Schulhof. Sie hätten Angst vor den mehrheitlich muslimischen Mitschülern, die sie beschimpften und schlügen, klagen Pädagogen an sozialen Brennpunkten.

Gewalt an Schulen

Werden deutsche Schüler in Schulen an sozialen Brennpunkten von ihren ausländischen Mitschülern gemobbt? Manche Lehrer beklagen bereits Gewalt.

(Foto: dpa)

"An solchen Schulen versucht die Mehrheit der Verlierer die Minderheit der Verlierer zu mobben", sagte das Bundesvorstandsmitglied der Lehrergewerkschaft GEW, Norbert Hocke. In Berlin hatte ein Bericht zweier Lehrer in einer Gewerkschaftszeitschrift jüngst eine Debatte über "Deutschenfeindlichkeit" ausgelöst. Den Begriff lehnt Hocke ab. "Dieser Generalverdacht treibt am Ende viele in die Hände von Scharlatanen", sagte er. Werde die Diskussion unter diesen Vorzeichen geführt, suchten die Jugendlichen am Ende Halt bei religiösen Eiferern.

Die Konflikte seien nicht kulturell bedingt, die eigentliche Ursache sei die Perspektivlosigkeit der Schüler, sagte der Gewerkschafter. "Man muss sehr genau schauen, worum es sich handelt." Wenn die dritte oder vierte Generation der Einwanderer hier geboren sei, müssten ihnen auch Chancen auf Arbeit und gesellschaftliche Teilhabe eröffnet werden. Dass das helfe, zeige sich an Gymnasien, an denen es selbst bei einem ähnlich hohen Anteil an Schülern mit ausländischen Wurzeln keine vergleichbaren Probleme gebe.

Beziffern kann die Gewerkschaft die Vorfälle nicht. "Beim Mobbing gibt es eine hohe Dunkelziffer, ähnlich wie beim Thema Gewalt", erläuterte Hocke, Vieles werde nicht gemeldet. "Da spielen Ängste um den Ruf der Schule eine Rolle." Dennoch sei es Aufgabe der Pädagogen, Probleme zu benennen, die die Gesellschaft verursache. Dazu gehörten die mangelnden Zukunftsperspektiven der Jugendlichen an einschlägigen Schulen.

Kulturelle Faktoren würden allenfalls eine sekundäre Rolle spielen, schätzt auch Lothar Drat, Vorsitzender des Vereins gegen psychosozialen Stress und Mobbing in Wiesbaden. "90 Prozent der deutschen Kinder würden sich in ähnlicher Situation wahrscheinlich genauso verhalten." Es gebe allerdings schon Besonderheiten: Wenn perspektivlose Jugendliche der deutschen Sprache nicht mächtig seien, dann nehme körperliche Gewalt zu. Die Schüler, die aus dem unteren Drittel der Gesellschaft kämen, wollten damit oftmals wenigstens ein Zeichen setzen.

Dass die Schüler in ihrer Gesamtheit für ihre Situation nichts können, glaubt die Rassismusforscherin Iman Attia von der Alice Salomon Hochschule in Berlin. Das zeige die Rütli-Schule im Berliner Stadtteil Neukölln. "Die Schüler dort sind immer noch die gleichen, aber die Lehrer haben ihre Haltung und ihre Programme geändert." Die Schule hatte vor Jahren Aufsehen erregt, nachdem die Lehrer in einem Brandbrief Alarm geschlagen hatte. Heute gilt sie als Modellschule. "Die Schülerschaft ist nicht per se problematisch", sagt Attia. Sie brauche nur Lehrer, die sie wahrnehmen und ihnen Chancen aufzeigen.

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