Konfession der Angestellten:Bundesarbeitsgericht zwingt Kirchen zur Öffnung

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Die Klägerin Vera Egenberger mit ihrem Anwalt (Foto: imago/epd)
  • Referentenstellen nur für Christen auszuschreiben, ist Diskriminierung.
  • Das hat das Bundesarbeitsgericht in einem Fall entschieden, der die Gerichte schon lange beschäftigt.
  • Eine konfessionslose Frau bekommt fast 4000 Euro Entschädigung, weil sie aufgrund der Religion für die Stelle abgelehnt wurde.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe und Larissa Holzki

Die Kirche ist zu weit gegangen: Einen Bericht zur Antirassismuskonvention kann auch eine Konfessionslose erarbeiten. Das hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschieden. Die höchsten deutschen Arbeitsrichter schränken damit das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen ein und weichen von der bisherigen Rechtsprechung in dieser Frage ab.

In dem konkreten Fall wollte die konfessionslose Sozialpädagogin Vera Egenberger beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung als Referentin arbeiten. Eine auf zwei Jahre befristete Stelle. Egenberger hätte dokumentieren müssen, wie die Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention in Deutschland voranschreitet. Sie hätte für die Diakonie Stellungnahmen und Fachbeiträge schreiben müssen, gegenüber der Politik, der Öffentlichkeit und Menschenrechtsorganisationen. So stand es in der Stellenbeschreibung. Die setzte jedoch auch Anforderungen an die Kirchenzugehörigkeit der Bewerber: "Die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag setzen wir voraus. Bitte geben Sie Ihre Konfession im Lebenslauf an."

Die Sozialpädagogin bewarb sich trotzdem. Sie wurde nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Die Stelle bekam schließlich ein protestantischer Bewerber. Daraufhin klagte Vera Egenberger wegen Diskriminierung aufgrund der Religion. Grundlage dafür bietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Bis das Gericht ihr nun eine Entschädigung von etwas mehr als 3900 Euro zugesprochen hat, war aber einer langer Weg zu gehen.

Seit Jahren verhandeln deutsche Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht, ob kirchliche Arbeitgeber selbst entscheiden dürfen, welche Stellen nur mit Gläubigen besetzt werden. Es ging um den Fall von Vera Egenberger. Und um einen katholischen Chefarzt. Er bekam seine Kündigung, weil er ein zweites Mal heiratete.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Kirchen großen Spielraum eingeräumt. Aber zuletzt forderte der Europäische Gerichtshof eine stärkere Kontrolle der Einstellungspraxis. Mit einem fulminanten Urteil im Fall Egenberger hat sich der EuGH im April entschieden gegen die Karlsruher Position gewandt. Im September folgte der zweite Streich, das EU-Gericht beanstandete auch die Chefarztkündigung. In dieser neuen Lesart soll die Frage, ob Kirchentreue für einen bestimmten Job wirklich notwendig ist, nunmehr der vollen Überprüfung durch staatliche Gerichte unterworfen werden. Die Religion muss eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung für die jeweilige berufliche Tätigkeit darstellen.

Keine "erhebliche Gefahr" für das Ethos

Dieser Forderung ist das Bundesarbeitsgericht nun nachgekommen. Es hat sich den Fall Egenberger genau angeschaut und entschieden: Der Bewerberin eine Kirchenzugehörigkeit abzuverlangen, sei im konkreten Fall nicht gerechtfertigt gewesen, weil keinerlei "wahrscheinliche und erhebliche Gefahr" für das Ethos der Kirche bestanden habe. Denn Referent der Diakonie ist in einen internen Meinungsbildungsprozess eingebunden, er kann nicht unabhängig handeln. Das geht aus der Stellenbeschreibung hervor, begründete das Gericht.

Die Entscheidung ist ein Grundsatzurteil. Die Entscheidung wird Auswirkungen auf die Einstellungspraxis der kirchlichen Arbeitgeber haben. Jedes Jahr werden tausende Stellen unter anderem bei Diakonie und Caritas ausgeschrieben. Sie beschäftigen mehr als eine Million Menschen in Deutschland. Und die Gerichte sind bei der Jobvergabe fortan mit im Spiel, sie achten darauf, dass niemand aus religiösen Gründen diskriminiert wird, etwa an Arbeitsstellen, die mit dem Kernauftrag der Kirche nicht so viel zu tun haben.

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