Kommunikation von Chefs:"Vertagen, verschleppen, ausweichen"

Chefs müssen Entscheidungen fällen - und darüber reden. Doch daran hapert es bei vielen. Managementexperte Daniel Pinnow über Führungsstärke.

C. Löwer

Führungskräfte müssen Entscheidungen fällen - und darüber reden. Doch viele Chefs erklären nicht, wie sie zu einem Beschluss gekommen sind. Das führt zu Missverständnissen und Demotivation, meint Daniel Pinnow, Geschäftsführer der Akademie für Führungskräfte in Überlingen.

Kommunikation von Vorgesetzten "Chefs vertagen, verschleppen und weichen aus", Konferenz, iStock

Und alle lauschen dem Chef: Die Zeiten, in denen man sich hinter anonymen Arbeitsanweisungen, Hausmitteilungen und Aktenvermerken verstecken konnte, sind vorbei.

(Foto: Foto: iStock)

SZ: Sind wichtige Entscheidungen, gerade in Krisenzeiten, Chefsache?

Daniel Pinnow: Ja. Entscheidungsstärke ist eine Führungskompetenz, die trainiert werden kann. Leider erkennen zu wenige Chefs, dass sie Lernbedarf haben.

SZ: Welche Fehler machen sie?

Pinnow: Typisch für deutsche Unternehmen ist, dass jeder Beschluss durch Datenerhebung und Statistiken abgesichert werden. Oft ist dies eher ein Ritual, als dass es zu einer guten Erkenntnis führt. Wir haben 560 deutsche Führungskräfte zu ihrem Entscheidungsverhalten befragt und herausgefunden, dass nur jeder fünfte Manager meist aus dem Bauch heraus entscheidet. Drei Viertel legt sich erst dann fest, wenn sie glauben, alle relevanten Informationen zu besitzen.

SZ: Was soll daran so schlecht sein?

Pinnow: Damit sind dem Vertagen, Verschleppen und Ausweichen von wichtigen Entscheidungen Tür und Tor geöffnet. Wann weiß ich denn, dass ich wirklich alle relevanten Informationen habe? Außerdem: Wenn sich eine Entscheidung aus Informationen zweifelsfrei ableiten lässt, ist es keine Entscheidung mehr, sondern eine einfache Berechnung. Dazu bedarf es keiner Führungskraft. Eine Führungskraft muss zu Entschlüssen kommen und Risiken eingehen.

SZ: Aber genau dieses Risiko wird, zumal in schwierigen Zeiten, gescheut...

Pinnow: ...was ein Fehler ist. Gute Führungskräfte stehen zur eigenen Unsicherheit und wissen genau dieses Gefühl zu nutzen. Sie treffen aus dieser Situation heraus ihre Wahl und kommunizieren nicht nur das Ergebnis ihrer Überlegung, sondern auch den Weg dorthin.

SZ: Man sollte also ab einem gewissen Punkt die Mitarbeiter ins Boot holen?

Pinnow: Ja. Die Zeiten, in denen man sich hinter anonymen Arbeitsanweisungen, Hausmitteilungen und Aktenvermerken verstecken konnte, sind vorbei. Heute wollen die Mitarbeiter nicht nur Entscheidungen hören, sondern wünschen sich direkte Kommunikation mit ihrem Vorgesetzten - im persönlichen Gespräch, per Telefon, über das Intranet oder zumindest die Mitarbeiterzeitung.

SZ: Was passiert, wenn Beschlüsse nicht erläutert werden?

"Vertagen, verschleppen, ausweichen"

Pinnow: Nichts demotiviert mehr, als am Anfang einer Entscheidungsfindung durch Zuarbeit beitragen zu müssen und dann nicht einmal erfahren zu dürfen, was schließlich den Ausschlag für einen bestimmten Beschluss gegeben hat. Der Teufelskreis der Demotivation geht weiter: Gut möglich, dass Mitarbeiter bestimmte Prozesse vorantreiben, ohne zu ahnen, dass sie nicht mehr im Einklang mit der Unternehmensausrichtung oder den Ideen eines Vorgesetzten sind - weil dieser lieber im stillen Kämmerlein entscheidet und staatsmännisch schweigt.

SZ: Sind mehr Offenheit und Mitbestimmung also der Schlüssel zum Erfolg?

Pinnow: Offenheit ist Pflicht, Mitbestimmung muss Grenzen haben, sonst verlieren Führungskräfte an Führungskraft. Der sogenannte kooperative Führungsstil führt oft dazu, dass die Last der Entscheidungen auf immer mehr Schultern verteilt wird. Das ist im Prinzip kein schlechter Ansatz. Allerdings werden Prozesse zwangsläufig immer komplexer, je mehr Leute mitreden.

SZ: Wie lässt sich die Kommunikation zwischen oben und unten ankurbeln?

Pinnow: Für die Mitarbeiter ist es wichtig zu wissen, ob eine Entscheidung direkt mit ihrer Leistung zusammenhängt oder nicht. Oft geben Faktoren den Ausschlag, die sie selbst gar nicht beeinflussen können, etwa Konzernvorgaben oder Abmachungen mit anderen Partnern. Alles Gründe, die man klar kommunizieren kann - wenn man denn will.

SZ: Werden so beispielsweise Sparmaßnahmen verträglicher?

Pinnow: Jedenfalls suchen Mitarbeiter die Gründe für negative Entscheidungen dann nicht bei sich selbst oder schreiben sie reiner Willkür zu. Der erste Fall führt zu unnötiger Verunsicherung, der zweite zu Frust und innerer Kündigung.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: