Kommunikation im Job:Sagen Sie öfter mal Nein!

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Weniger Projekte bringen langfristig manchmal mehr. (Foto: Cynthia Kittler)

Schnell zu wachsen ist das Ziel der meisten Start-ups - so auch bei der Podcast-Produktionsfirma unserer Autorin. Heute weiß sie: Wer langfristig Erfolg haben will, muss auch auf die Bremse treten können.

Kolumne von Susanne Klingner

Am Anfang ist das Nein. Nein-Sagen lernen Kinder noch lange vor dem Ja-Sagen. Sie murmeln es vor sich hin oder schreien es einem entgegen, und während man als Eltern genervt ist, dass das Kind nicht will, was man selbst aber ganz dringend will, bewundert man es heimlich, dass es so gut Nein sagen kann.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass ich als Kleinkind auch mal gut Nein sagen konnte, aber dem folgten mehrere Lebensjahrzehnte, in denen mich eine klassisch weibliche Sozialisation dazu verbogen hat, möglichst immer Ja zu sagen, auszuhelfen, wenn es irgendwo brennt, auch unliebsame Jobs zu übernehmen, meine eigenen Bedürfnisse erst mal hintanzustellen und auf bessere Zeiten zu hoffen.

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Aber Hoffen bringt natürlich: nichts. Bei mir half eine ausgewachsene Krise nach, endlich mit dem Nein-Sagen ernst zu machen. Ihr war das erste Jahr als Gründerin vorangegangen. Die Dinge liefen von Anfang an gut. Zu gut. Denn eigentlich hatten wir uns vorgenommen, alles langsam anzugehen. Wir wollten aus den Fehlern anderer lernen. Vor allem von den 49 Prozent Start-uppern, die mit Angststörungen und Ausgebranntsein kämpfen, für die es mittlerweile sogar eine eigene Diagnose gibt: Founder Burnout.

Es ist die logische Konsequenz aus dem Wunsch, das eigene Unternehmen schnell auf solide finanzielle Beine zu stellen und dem weit verbreiteten Mythos der anderen Gründer, man müsse halt 14 Stunden am Tag arbeiten und alles geben, wenn man es schaffen wolle. Aber für mich funktionierte diese Art des Arbeitens überhaupt nicht. Dieses Auf-Sicht-Fahren, das ganz schnell automatisierte, fast schon blinde Arbeiten, weil Dinge einfach fertig werden müssen, bei dem man den Kopf einfach abstellt, weil man sonst verrückt würde. Ganz schnell fühlte sich das eigene Unternehmen, das ja auch immer der Versuch von mehr Freiheit und Selbstbestimmtheit ist, schlicht genauso an wie die Maloche, die man für andere macht.

Ich fragte mich also ziemlich bald: Soll das so? Muss das so? Willst du wirklich so kurzsichtig weitermachen und nur von einem Tag zum nächsten hetzen? Die Ant- wort hieß - Sie wissen es längst - Nein. Und dieses Nein wird gerade zu meinem besten Verbündeten. Ich setze es ein, wenn das Honorarangebot zu niedrig ist, der Zeitplan zu straff, das Thema eigentlich nicht so richtig spannend oder der Auftrag einfach der eine Auftrag zu viel.

Anfangs war es noch schwer. Jedes Nein ein Adrenalinstoß und die Sorge, sich das Geschäft im großen Audio-Boom kaputt zu machen. Aber jedes Nein bringt Zeit mit sich, die man in kurze Check-ins investieren kann: Sind wir auf dem richtigen Weg? Kommen wir unserem mittel- oder langfristigen Ziel näher? Macht mich das glücklich? Ergibt mein Job Sinn? All diese Fragen, die man bei stumpfem Abarbeiten beiseiteschiebt, um keine Zeit zu verlieren.

Meine neue Regel ist, dass es schlicht kein "Ja, okay" mehr gibt. Entweder Projekte lösen bei mir ein "Jawoll, will ich auf jeden Fall und sofort!" aus oder meine Antwort heißt Nein. Dabei habe ich festgestellt: Es ist eine Art der Entscheidungsfindung, die der meiner Kinder sehr, sehr nahekommt. Weswegen ich mir bei ihnen ein "Du musst aber" immer öfter verkneife - damit das Nein ihr Freund fürs Leben bleibt.

© SZ PLAN W vom 8. Juni 2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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