Süddeutsche Zeitung

Jura-Studium:Keine Geschäfte mehr mit der Angst

Für das Repititorium vor dem Staatsexamen legen Jura-Studenten viel Geld hin. Die Uni Passau will Juristen jetzt kostenlos selbst auf das Examen vorbereiten.

D. Stawski

In wenigen Tagen eröffnet in Passau das erste Institut für Rechtsdidaktik an einer staatlichen Universität. Seine Aufgabe ist es, Jura-Studenten auf ihr Staatsexamen vorzubereiten. Was sonst kommerzielle Repetitoren teuer anbieten, sollen jetzt die Professoren selbst übernehmen. Finanziert werden die drei Lehrprofessuren aus Studiengebühren. Der Bedarf für eine professionelle Prüfungsvorbereitung ist groß: Schätzungen zufolge nehmen etwa 90 Prozent aller Jura-Studenten kommerzielle Vorbereitungskurse in Anspruch, oft zahlen sie dafür 200 Euro im Monat. Einer der Professoren in Passau ist Tomas Kuhn. Auch er zahlte vor seinem Examen für einen privaten Repetitor. Nun will er ihr Geschäft überflüssig machen.

SZ: Warum gründen Sie ein Institut für Rechtsdidaktik?

Tomas Kuhn: Es entspricht dem Selbstverständnis einer Universität, dass sie in der Lage ist, ihre Studierenden auf das Examen vorzubereiten. Es ist nicht hinnehmbar, dass Repetitoren das übernehmen. Mit den Studienbeiträgen können wir endlich dagegenhalten.

SZ: Wird nicht eigentlich eine Selbstverständlichkeit umgesetzt, nämlich dass Universitäten ihre Studenten ausreichend auf das Examen vorbereiten?

Kuhn: In der Vergangenheit haben es die Unis nicht geschafft, den Drang zum Repetitor zu reduzieren. Sicherlich lag das auch am fehlenden Geld. Einige Lehrstuhlinhaber schätzten es auch, dass sie sich um die Prüfungsvorbereitung ihrer Studierenden nicht kümmern mussten.

SZ: Repetitorien werden auch an anderen Universitäten angeboten. Was ist in Passau anders?

Kuhn: An anderen Universitäten läuft das nebenbei, für unser Institut ist die Examensvorbereitung die Hauptaufgabe. Wir können wegen der erhöhten Lehrverpflichtung auch in den Semesterferien unterrichten. Für die Prüfungsvorbereitung ist das ein ganz wichtiger Punkt.

SZ: Was sagen denn die Studenten zu dem Angebot?

Kuhn: Viele freuen sich, dass sie auf diese Weise Geld sparen können. Manche sind auch skeptisch. Sie denken, wenn sie nichts für den Unterricht zahlen müssen, dann kann es auch nicht gut sein.

SZ: Ist er denn gut genug? Die kommerziellen Anbieter haben Ihnen gegenüber immerhin einen entscheidenden Vorteil, nämlich mehr Geld.

Kuhn: In unseren Kursen sitzen 50 Teilnehmer, bei dieser Größe lässt sich vernünftig unterrichten. Wir haben auch Einzelcoachings, in denen wir mit Studenten Klausuren durchsprechen. Aber natürlich sind unsere Mittel begrenzt. Wenn noch deutlich mehr Studierende Interesse signalisieren, bräuchten wir auch mehr Personal für den Unterricht. Das wäre dann die nächste Ausbaustufe.

SZ: Was halten Sie von den privaten Anbietern?

Kuhn: Sie machen nicht alles falsch. Das fallorientierte Training, das sie anbieten, ist hilfreich, wir machen es ja ähnlich. Die kommerziellen Anbieter haben aber zu wenig erkannt, dass es nicht alleine auf Wissensvermittlung ankommt, sondern dass es viel wichtiger ist, den Studierenden systematisches Verständnis, Problembewusstsein und Argumentationsvermögen beizubringen. Schafft man das, lässt sich die Lernmenge auch erheblich reduzieren. Ich denke, das können wir besser.

SZ: In Göttingen hat die Universität ein Werbeverbot für kommerzielle Repetitoren verhängt. Was halten Sie davon?

Kuhn: Die Werbung kann meinetwegen ruhig hängen bleiben. Ich nehme es eher sportlich. Die Studenten sollen ruhig vergleichen und sich dann für das entscheiden, was ihnen besser gefällt. Allerdings gibt es Grenzen: Wenn ausgerechnet in der Bibliothek Broschüren der kommerziellen Anbieter ausliegen, finde ich das nicht in Ordnung. Die Anbieter machen ja vor allem mit der Angst der Studenten vorm Durchfallen ihr Geld, und damit werben sie auch.

SZ: Werden andere Universitäten Ihrem Beispiel folgen und ähnliche Institute gründen?

Kuhn: In Deutschland formiert sich gerade regelrecht eine Rechtsdidaktik-Szene, es gab auch schon eine Tagung zum Thema. Ich bin mir sicher, dass es bald mehr solche Angebote gibt.

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Quelle:
SZ vom 25.05.2010/holz
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