Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Die Sprache der Gene

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Erst der Gentest, dann der Job: DNS-Tests sollen nach einem Vorschlag des Ethikrates bei Einstellungen begrenzt zulässig sein.

Heidrun Graupner

Das internationale Arbeitsrecht lässt keinen Zweifel zu: Gentests sind verboten; die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten dürfen nicht angetastet werden; der Arbeitgeber darf bei der Einstellungsuntersuchung einen Gentest nicht verwenden, selbst wenn der Betroffene zugestimmt hat. Das strikte internationale Arbeitsrecht war nicht in den Gesetzentwurf des Gesundheitsministeriums eingeflossen, der jetzt auf die nächste Legislaturperiode verschoben wurde. Das internationale Arbeitsrecht findet sich auch nicht in der Stellungnahme, die der Nationale Ethikrat am Dienstag zu diesem so mit Angst besetzten Thema vorgelegt hat. Und die Empfehlungen des Ethikrats tragen nicht dazu bei, Arbeitnehmern ihre Angst völlig zu nehmen.

Wie weit dürfen Arbeitgeber gehen, wenn sie den Gesundheitszustand ihrer Beschäftigten feststellen wollen? So weit wie bei einer Lehrerin in Hessen? Deren Verbeamtung wurde abgelehnt, weil ihr Vater an der tödlichen und unheilbaren Erbkrankheit Chorea Huntington litt und sie ein Erkrankungsrisiko von 50 Prozent hat. Einen Gentest lehnte die Lehrerin mit dem Hinweis auf ihr Recht auf Nichtwissen ab, und das Verwaltungsgericht Darmstadt gab ihr Recht.

Erste Ausnahmen

Der Ethikrat bezieht sich in seiner Stellungnahme auf dieses Urteil, und er setzt die Gewichte neu: Gentest und andere Untersuchungsmethoden werden gleichgesetzt, da sich nicht nur mit Gentests Krankheiten vorhersagen ließen, was stimmt - allerdings nicht in jedem Fall.

Der Ethikrat will, wie schon die Bundesregierung, alle Untersuchungen nur bei Berufen verpflichtend einführen, bei denen durch eine mögliche Erkrankung des Arbeitnehmers Dritte gefährdet wären, bei Piloten zum Beispiel. Dem lässt sich schwer widersprechen, selbst wenn Kritiker warnen, dies sei die erste Ausnahme von vielen.

Die breite, anlasslose Suche nach möglichen Krankheiten will der Rat zu Recht ganz verbieten, und zwar beim Betroffenen selbst als auch bei seiner Familie. Denn mit einem "Krankheitsscreening" haben viele Menschen keine Chance auf dem Arbeitsmarkt.

Aber haben sie die Chance, sollten die Empfehlungen umgesetzt werden? Der Ethikrat behauptet, fast alle Menschen seien damit auf der sicheren Seite. Doch ein Erkrankungsrisiko von 50 Prozent, das er als Grenze für die Zulässigkeit von Gentests einführt, lässt sich schnell herabstufen. Und warum soll der Staat als Arbeitgeber mehr Rechte erhalten als der private Unternehmer? Der Staat darf die Gesundheitprognose für seine Beamten nicht für nur ein halbes Jahr, sondern für fünf Jahre stellen. Die Wirtschaft wird schnell Anpassung fordern.

Der größte Fehler jedoch ist, dass der DNS-Test in den Empfehlungen nur als eine von vielen Untersuchungsmethoden auftaucht, was medizinisch, nicht aber politisch und ethisch richtig ist. Der Gentest ist mehr, denn allein seine Daten geben Einsichten in Eigenschaften, die der Mensch nie mehr abschütteln kann. Er wird verletzlich - und er wird steuerbar.

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Quelle:
SZ vom 17.8.2005
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