Arbeitsmarkt:Die Kluft wird größer

Arbeitsmarkt: Nicht jeder hat das Privleg, von zu Hause aus zu arbeiten. Aber das ist nicht das einzige Problem.

Nicht jeder hat das Privleg, von zu Hause aus zu arbeiten. Aber das ist nicht das einzige Problem.

(Foto: Edith Geuppert/dpa)

Die soziale Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt verschärft sich durch die Krise. Die Kurzarbeit federt soziale Härten zwar ab - mehr aber auch nicht. Zwei Gruppen spüren die Lohn­einbußen besonders.

Kommentar von Sibylle Haas

Die Corona-Pandemie wird die Unwucht auf dem Arbeitsmarkt verschärfen. Die Warnung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung dürfte Realität werden. Denn eine Befragung der Stiftung zeigt, dass die Kluft zwischen Gering- und Besserverdienenden durch die Krise größer geworden ist, dass alte Muster zurückkehren und - noch schlimmer - sich verfestigen. Die klassische Rollenteilung zwischen den Geschlechtern etwa ist zurückgekommen.

Dies könnte die Stimmung im ohnehin krisengeschüttelten Land weiter verdunkeln. Und es wird sicher auch passieren, dass die Kaufkraft vieler Menschen sinkt. Davon betroffen sind vor allem jene, die ohnehin nicht viel Geld zum Leben haben. Es sind die Menschen, die ihre Jobs zum Beispiel gar nicht im Home-Office erledigen können, Fabrikarbeiter etwa. Es sind die Menschen, die momentan in Kurzarbeit stecken. Und es sind - es wundert kaum - sehr viele Frauen, denn gerade sie haben häufig schlecht bezahlte Jobs im Dienstleistungsgewerbe.

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Kurzarbeit ist immer ein Alarmsignal für die Beschäftigten

Momentan unternimmt der Staat vieles, um die Wirtschaftskrise abzufedern. Kurzarbeit ist eines der Instrumente. Sie ist, freundlich gesagt, ein Scheck auf die Zukunft. Die Verkürzung der Arbeitszeit rettet Stellen und sichert den Unternehmen qualifizierte Mitarbeiter, die sie für den nächsten Aufschwung brauchen. Doch ein Allheilmittel ist Kurzarbeit keineswegs. Manchmal, und das ist leider oft der Fall, kaschiert sie, dass Firmen in Strukturproblemen festhängen oder schlecht gewirtschaftet haben. Dann geschieht es, dass nach dem Ende der Kurzarbeit - trotz aller Beteuerungen der Arbeitgeber - Mitarbeiter entlassen werden. Kurzarbeit ist daher immer ein Alarmsignal für die Beschäftigten. Denn sie kann, unfreundlich gesagt, das Ticket für eine lange Reise in die Arbeitslosigkeit sein.

Inzwischen hat jeder dritte Betrieb in Deutschland, in dem mindestens ein Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, Kurzarbeit angemeldet, wie die Statistik der Bundesagentur für Arbeit zeigt. Es sind, so die Hochrechnung der Hans-Böckler-Stiftung, etwa vier Millionen Menschen von der Verkürzung ihrer Arbeitszeit betroffen und, schlimmer natürlich, auch von einer Lohnkürzung. Beschäftigte erhalten in der Kurzarbeit normalerweise 60 Prozent - mit Kindern 67 Prozent - ihres Nettoverdienstausfalls von der Bundesagentur für Arbeit. Manche Betriebe stocken diesen Anteil auf. Laut Böckler-Stiftung gab rund ein Drittel der Befragten an, dass ihr Arbeitgeber das staatliche Kurzarbeitergeld aus eigenen Mitteln erhöht. Allerdings sagen das zumeist Personen, die über ein Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 4500 Euro im Monat verfügen, während Menschen, die weniger als 1500 Euro verdienen, oft nur das blanke Kurzarbeitergeld erhalten.

Dass sich so die soziale Ungleichheit verstärken wird, wie Gewerkschaften mahnen, liegt auf der Hand. Und es ist klar, dass Menschen mit niedrigem Einkommen die Kurzarbeit heute schon deutlicher spüren als Besserverdiener. Es ist deshalb folgerichtig, dass sich die Koalitionsspitzen auf eine Anhebung des Kurzarbeitergeldes verständigt haben, nachdem zuvor auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) diese Forderung der Gewerkschaften unterstützt hat. Denn mehr Geld hilft vor allem denjenigen, die auch in normalen Zeiten jeden Cent umdrehen müssen. Und die Kassen der Bundesagentur für Arbeit sind gefüllt. Die Rücklagen betragen 26 Milliarden Euro.

Besonders auffällig und erschreckend ist aber auch, dass alte Rollenklischees zwischen den Geschlechtern wieder aufbrechen. Die Befragung der Böckler-Stiftung zeigt, dass Männer und Frauen zwar ähnlich oft von Kurzarbeit betroffen sind, doch Frauen öfter als Männer die Betreuung der Kinder nach Kita- oder Schulschließungen übernehmen und dafür ihre Arbeitszeit reduziert haben. Sogar bei Elternpaaren, die sich die Betreuung der Kinder vor der Krise einigermaßen gerecht aufgeteilt hatten, machen dies heute nur noch knapp zwei Drittel. Das ist ein fatales Signal für die Gleichberechtigung in Deutschland. Und es macht deutlich, dass Frauen nach wie vor zumeist weniger verdienen als ihre Partner.

Es sind viele Anstrengungen nötig, damit die Corona-Krise nicht wichtige Entwicklungen hemmt. Dazu gehören bessere Arbeitslöhne für Geringverdiener ebenso wie mehr Gleichberechtigung von Frauen im Beruf. Auch darf der in einigen Branchen nötige Strukturwandel nicht durch eine Dauersubventionierung von Arbeitsplätzen behindert werden. Dies würde langfristig die Unwucht auf dem Arbeitsmarkt noch mehr verstärken.

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