Kolumne "Was ich am Job hasse":FKK im Büro

Kolumne "Was ich am Job hasse": Kleidung gewährt tiefe Einblicke. Nicht nur auf Körperteile, sondern auch auf Job-Befindlichkeiten.

Kleidung gewährt tiefe Einblicke. Nicht nur auf Körperteile, sondern auch auf Job-Befindlichkeiten.

(Foto: Illustration Jessy Asmus für SZ.de)

Wenn die Temperatur steigt, werden Shirts, Hosen und Kleider der Kollegen knapper. Leider.

Kolumne von Katja Schnitzler

"Der Winter naht", raunen die Game-of-Thrones-Helden mit finsterer Miene. "Schön wär's!", rufe ich. Mit der Hitze draußen schmilzt im Büro das Stilempfinden dahin: Kollegen flipfloppen durch die Gänge, die Sonnenbrille im Haar und Meeresrauschen im Ohr.

Auch Sandalen geben den Blick frei auf zu viel Damenfuß (und immer öfter auch auf Herrenfuß). Egal wie wohlgeformt die Zehen der Kollegen sind - selbst die von Heidi Klum wollten wir damals in der Katjes-Werbung lieber nicht in Nahaufnahme sehen. Die zwischen die Zehen gesteckten Süßigkeiten machten es nicht besser. Immerhin Letzteres ersparen uns die Anhänger von FKK (Fast-keine-Kleidung) im Team.

Zugemutet werden hingegen: zu wenig Stoff oben (der sehr tiefe Ausschnitt bei den Damen oder bei recht aufgeknöpften Herren) oder unten (das ungewollt bauchfreie Shirt bei den Herren und Minimalst-Röcke bei den Damen - hatten sie die im Winter nicht als Gürtel getragen?). Diese textile Sparsamkeit gepaart mit sonst wohlkaschierten Rundungen rauben im besten Fall die Konzentration und machen im schlechtesten Lust, das Mittagessen ausfallen zu lassen.

Dabei bietet ein Mehr an Kleidung umso tiefere Einblicke: nicht auf Körperteile, sondern auf Job-Befindlichkeiten. Und manchmal sogar auf die künftige Rangordnung im Büro-Team.

Eine weite Strickjacke signalisiert entweder: Ich fühle mich hier wie zu Hause, verlasse aber meine Schreibtisch-Komfortzone nur ungern, um mal richtig auf den Putz zu hauen. Oder aber: Hier hat schon wieder ein Frischluft-Fanatiker die Fenster aufgerissen.

Wird plötzlich ein Blazer oder ein Jackett über dem T-Shirt getragen, heißt das: Vorsicht, ich bin fest entschlossen, Karriere zu machen. Ihr könnt mich schon mal Boss nennen. Oder aber: Ich glaube, ich bin seit Montag erwachsen.

Ersetzt ein Anzug samt Krawatte das Jackett, bedeutet dies: Ich habe gleich einen vielversprechenden Termin mit der Geschäftsführung. Oder aber: Ich habe nachher einen wenig aufbauenden Termin mit meiner Bank.

Praktikant oder Chef?

Wer lässig im Kapuzenpulli einläuft, zeigt: Ich bin der Praktikant und habe keine Ahnung von Konventionen. Oder: Ich bin der Chef, mir sind Konventionen egal. Und eine Krawatte trage ich nur im Karneval.

Turnschuhtypen zeigen deutlich: Ich bin fit genug, um auch Marathon-Projekte durchzuhalten. Oder aber: Ich kann mit hohen Absätzen nicht laufen und mir keine teuren Lederschuhe leisten.

Der große Vorteil dieser textil übermittelten Signale: Sie sorgen unter den Kollegen für ausreichend Gesprächsstoff. All diese wunderbaren Codes gehen jedoch verloren, wenn im Sommer der übertriebene Minimalismus beginnt, nur weil es in den Zimmern ein wenig heißer wird. Daher, auch im Sinn vergnüglicher Mittagessen: Lasst den Winter kommen, egal wie heiß es wird.

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