Kolumne Lebenskunst:Loben leicht gemacht

Ob im Job oder Privatleben - Anerkennung gibt es stets zu wenig. Warum Lob so wichtig ist und wie man es richtig spendet.

Stefan F. Gross

Wenn es einen Weg gibt, die Beziehungen zu anderen Menschen zu stärken und seinen Partnern und sich selbst eine Freude zu machen, dann ist es die Lieferung von Anerkennung. Aber wie so oft: Was am wichtigsten ist, fehlt am meisten. Kritik kommt täglich auf den Teller. Bei Anerkennung nagen wir am Hungertuch. Es wird Zeit, die Lage zu verändern!

Beifall

Anerkennung gibt Kraft für Neues - und kommt auch dem, der sie austeilt, zugute.

(Foto: Foto: AP)

Beseitigen Sie das Anerkennungsdefizit.

Kennen Sie die "Deutsche Krankheit"? Es ist der Unwille und die Unfähigkeit, anderen Menschen Anerkennung zu liefern. "Nichts gesagt, ist genug gelobt", so lautet die Regel. Und sollte doch einmal ein Kompliment kommen, dann ist es fast immer mit einem Negativkommentar als nachgereichtem Nackenschlag verknüpft.

Ein Alltagsbeispiel zeigt die Methode: Eine ältere Geschäftsfrau besucht eine Vernissage. Eine der ausgestellten Kollagen findet sie so interessant, dass sie nach dem Preis fragt. Kaum hat ihr die junge Künstlerin geantwortet, werden die Verhältnisse zurechtgerückt: "Ihre anderen Bilder gefallen mir nicht. Viel zu modern."

Auch im Berufsleben ist uneingeschränkte Anerkennung so selten wie eine Auster im Fastfood-Restaurant: "Da ist Ihnen ja tatsächlich ein vorzügliches Jahresergebnis gelungen. Dass Sie so etwas jemals schaffen werden, damit haben Sie sicher selbst nicht gerechnet."

Und sollte Deutschland das WM-Finale erreichen und gegen Brasilien mit 5:1 gewinnen, so wird es nach dem Abpfiff wohl nur ein Thema geben: "Bei diesem einen Gegentor, warum hat unsere Abwehr da so geschlafen?"

Die Liste der Ursachen fehlender Anerkennung ist lang.

Warum aber fällt es vielen von uns so schwer, beruflichen oder privaten Partnern angemessene Anerkennung zu liefern? Drei Ursachen spielen eine Hauptrolle.

Die erste Ursache sind Befürchtungen - zum Beispiel die Furcht, der andere könnte die Bemerkung als geheuchelte Schmeichelei auffassen oder die Sorge, nicht die richtigen Worte zu finden und alles zu verpatzen.

Die zweite Ursache ist persönliche Demotivation. Wer selbst kaum Lob erhält (dafür aber regelmäßig Kritik einsteckt), der wird sich kaum dazu aufschwingen können, anderen Wertschätzung für ihre Taten und Erfolge zu liefern.

Und schließlich ziehen viele unserer Zeitgenossen mit einer eher zerstörerischen Zielsetzung durchs Leben. Gute Leistungen anderer würdigen sie keines Blickes. Kaum aber passiert jemandem ein Fehler oder Missgeschick, so springen sie ihm auch schon an die Gurgel. Eine Belehrung jagt die andere: "Das hätte ich Ihnen gleich sagen können, dass das nichts wird!"

Der deutsche Maler Anselm Feuerbach fasst die Ursachen fehlender Anerkennung treffend zusammen: "Tadeln ist leicht: deshalb versuchen sich so viele darin. Mit Verstand loben ist schwer: deshalb tun es so wenige."

Die Lieferung von Anerkennung ist eine spezielle Kunst.

Die Lieferung von Anerkennung ist demnach nicht allein eine besonders wichtige Aufgabe, sondern auch eine besonders anspruchsvolle. Sie setzt vieles voraus, was im Kern zur Lebenskunst und zu einem klugen Umgang mit Menschen zählt. Eine wohlwollende Grundeinstellung zu Menschen. Ein wacher Blick für die Begabungen und das Können anderer. Die Fähigkeit, sich in die Lage und Gefühle eines Partners zu versetzen. Und das Vermögen, die Bedeutung einer Leistung zu erkennen und mit einer treffenden Formulierung zu beschreiben.

Die folgenden Einsichten und Empfehlungen sollen Sie deshalb dabei unterstützen, anderen Menschen umsichtig und wirkungsvoll Anerkennung zu liefern.

Loben leicht gemacht

Machen Sie sich bewusst, wie groß der Wert von Anerkennung für Ihren Partner ist!

Niemand ist sich seiner selbst und seinen Handlungen völlig sicher. Nur Menschen mit ausgeprägtem Größenwahn oder Arglose im Geiste kennen keine Selbstzweifel. Alle anderen überlegen immer wieder, wie gut sie wirklich auf einem bestimmten Gebiet sind, welche Qualität ihre Leistungen haben und wie erfolgreich sind langfristig sein werden.

Mit einem liebenswürdigen Wort liefern Sie Ihrem Partner deshalb weit mehr als einen freundlichen Kommentar. Sie berühren vielmehr sein Innerstes. Sie bestätigen ihm, dass er etwas Besonderes vollbracht hat. Sie liefern ihm die Gewissheit, dass er sich auf dem richtigen Weg befindet. Sie spenden ihm Kraft und Antrieb für neue Taten. Und Sie schenken ihm ein Schutzschild vor Ignoranz und Respektlosigkeit Dritter.

Auch Ihnen selbst bringt die Lieferung von Anerkennung viel.

Sie schaffen enge und herzliche Beziehungen: Mit Anerkennung erfreuen Sie Ihren Partner auf eine Weise, die sich kaum übertreffen lässt. Sie werden für ihn zu einer außergewöhnlichen Persönlichkeit, deren Anwesenheit er schätzt und mit der er intensiv zusammenarbeiten möchte.

Sie erhöhen Ihre Ausstrahlungskraft: Wer sich selbst lobt, wirkt lächerlich. Wer das Können und die Fähigkeiten anderer herausstellt, beweist Souveränität.

Sie verbessern Ihre Stimmung: Sie schaffen eine Atmosphäre der Gelöstheit und Fröhlichkeit. Sie beschenken nicht nur Ihren Partner, sondern auch sich selbst.

Und Sie erhalten selbst mehr Anerkennung: Wem Sie Anerkennung liefern, den machen Sie automatisch wach und aufgeschlossen für Ihre eigenen Leistungen. Sie wecken in ihm den Ansporn, sich auf positive Weise bei Ihnen zu revanchieren.

Gehen Sie mit der richtigen Einstellung an die Aufgabe.

Oberflächliche oder gespielte Anerkennung wird schnell durchschaut. Und nicht nur das. Sie ist an sich ungehörig.

Gehen Sie deshalb mit der richtigen Einstellung an das Thema der Anerkennung. Denken Sie an ihren Wert für den anderen und an ihren Nutzen für Sie selbst. Machen Sie sich insbesondere klar, dass ein Zusammenleben und eine Zusammenarbeit ohne Anerkennung eine Qual ist. Wer nie lobt, wer nur kritisiert, vollzieht eine Art von Körperverletzung.

Beherzigen Sie die entscheidenden Regeln der Anerkennungskunst.

Weniger Hemmungen: Grübeln Sie nicht endlos nach, wie Ihre Bemerkung ankommen könnte. Anerkennung ist stets erwünscht. Ein herzliches Kompliment hat noch nie eine Beziehung zerstört!

Suchen Sie nicht nach Hürden, wo keine sind: Fast immer reichen ein liebenswürdiges Wort und ein freundliches Lächeln, um Ihrem Partner Ihre Wertschätzung zu zeigen. Niemand erwartet von Ihnen Texte, die ins literarische Weltkulturerbe eingehen.

So speziell wir möglich: Sagen Sie Ihrem Gesprächspartner ganz konkret, was Sie an ihm beeindruckt. Je spezieller Ihre Aussage ist, desto deutlicher beweisen Sie ihm, dass Sie über ihn nachgedacht haben und dass Sie wissen, wovon Sie sprechen.

Entwickeln Sie eine Ideenliste: Fangen Sie nicht jedesmal aufs Neue an, nach Anerkennungsanlässen zu suchen. Schreiben Sie auf, wozu Sie einem Partner gratulieren können - erreichte Ziele, gelöste Probleme, gute Ideen, richtige Vorhersagen, besondere Fähigkeiten, außergewöhnliches Verhalten, Daten der Arbeit und Zusammenarbeit.

Nutzen Sie das tägliche Geschehen: Zögern Sie nie mit einem Kompliment, nur weil es sich auf ein vermeintlich "kleines" Alltagsereignis bezieht. Was für den anderen entscheidet, sind Ihre Aufmerksamkeit und Liebenswürdigkeit!

Machen Sie den ersten Schritt: Vielleicht arbeiten Sie in einem Umfeld, in dem Anerkennung bisher ein Fremdwort ist. Durchbrechen Sie die Mauer des Schweigens! Machen Sie sich zum Vorbild! Was Sie geben, erhalten Sie zurück!

Auch der Umgang mit empfangener Anerkennung will gelernt sein.

Wer Ihnen ein Kompliment macht, der möchte Sie erfreuen. Er hat Sie und Ihr Verhalten beobachtet und war positiv beeindruckt. Vielleicht hat er eine Weile mit sich gerungen, ob er Ihnen seine Gedanken offenbaren soll. Nun hat den Entschluss getroffen und wagt den Kommentar.

Nehmen Sie seine Anerkennung deshalb mit offenen Armen an. Betrachten Sie sie als Geschenk und nicht als Belastung. Reden Sie Ihre Leistung nicht klein ("das war doch nichts, dafür bin ich doch da") und blocken Sie seine Freundlichkeit nicht ab ("das ist doch nicht nötig, dass Sie mir das sagen").

Bedanken Sie sich vielmehr auf liebenswürdige Weise. Zeigen Sie ihm, welche Freude er Ihnen mit seinen Worten in Wahrheit gemacht hat!

Stefan F. Gross ist Managementdozent und Autor der Bücher "Beziehungsintelligenz" und "Persönliche Dienstleistungskultur". Sein neuestes Werk "Life Excellence" handelt von der "Kunst, ein souveränes, erfülltes und erfolgreiches Leben zu führen".

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