Süddeutsche Zeitung

Koeduktion in Internaten:Nur für Mädels, nur für Jungs?

In deutschen Internaten werden Schülerinnen und Schüler gemeinsam unterrichtet - das ist inzwischen die Regel. Eine Geschlechtertrennung gibt es meist nur noch in Instituten mit kirchlicher Trägerschaft.

Von Christine Demmer

Bis zum Jahr 2013 war das Collegium Bernardinum in Attendorn (Nordrhein-Westfalen) ein reines Jungen-Internat. Seitdem dürfen dort auch Mädchen lernen. Eine Selbstverständlichkeit ist der gemeinsame Unterricht von Mädchen und Jungen allerdings nicht. Noch fünf Jahre nach der Öffnung bittet das vom Erzbistum Paderborn getragene Collegium Bernardinum auf seiner Webseite um Verständnis: "Die einen nennen es 'überfällige Öffnung für die Koedukation', die anderen sagen: 'Endlich auch Mädchen ...'"

Anders als in England, wo das berühmte Eton College seit mehr als 600 Jahren ausschließlich Jungen aufnimmt, sind reine Jungen- oder Mädchen-Internate in Deutschland eine aussterbende Spezies. Wo es sie noch gibt, befinden sie sich in kirchlicher Trägerschaft. Wie viele es gibt, kann selbst Marie-Theres Pütz-Böckem, Geschäftsführerin des Verbands Katholischer Internate und Tagesinternate in Bonn, nicht sagen. "Vielleicht zwei Dutzend", schätzt sie. Unter den 37 Mitgliedern ihres Verbandes finden sich vier Mädchen- und fünf Jungeninternate sowie drei Tagesinternate für Mädchen und zwei für Jungen. "Die Koedukation hat sich weitgehend durchgesetzt", sagt Pütz-Böckem. Auch aus wirtschaftlichen Gründen: Mit der Öffnung für das jeweils andere Geschlecht verdoppeln die Internate auf einen Schlag ihre Zielgruppen. Und mehr Schüler sorgen natürlich für eine bessere Auslastung und - wo es darauf ankommt - für höhere Renditen.

Bei den konfessionellen Instituten spielt die Wirtschaftlichkeit nicht die Hauptrolle. In Süddeutschland haben die Kirchen einen stärkeren Stand als in Norddeutschland. Daher gibt es im Süden mehr reine Mädchen- und Jungeninternate als im Norden. Zu den Ausnahmen gehört das von der Ordensgemeinschaft der Franziskanerinnen betriebene Jungeninternat St. Antonius in Thuine (Niedersachsen) und das Mädcheninternat im St. Marienstift in Fürstenau. Im Schulzentrum Marienhöhe im hessischen Darmstadt sind Jungen und Mädchen zwar in getrennten Gebäuden untergebracht, doch im Unterricht, bei den Mahlzeiten, im Gottesdienst und bei den Freizeitaktivitäten ist die Geschlechtertrennung aufgehoben.

Für Jungen reserviert ist hingegen das Studienseminar St. Michael im oberbayerischen Traunstein. Und für Mädchen das Internat Kloster Wald in der Nähe des Bodensees, das die Erzdiözese Freiburg betreibt. Hier können die Schülerinnen das Abitur machen und parallel dazu eine handwerkliche Ausbildung absolvieren. Die Gesellenprüfung nimmt die zuständige Handwerkskammer in den internatseigenen Werkstätten ab.

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Quelle:
SZ vom 11.05.2018
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