KMK-Präsidentin Kramp-Karrenbauer:"Kinder müssen früher anfangen zu lernen"

Sie ist das neue Gesicht in der deutschen Bildungspolitik: Annegret Kramp-Karrenbauer, die künftige Präsidentin der Kultusministerkonferenz, über Schulabbrecher, Lernstress und das Zentralabitur.

Birgit Taffertshofer

Erst seit vier Monaten leitet Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) das Bildungs- und Familienministerium im Saarland. Nächste Woche wird sie außerdem als Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) antreten. Die 45-Jährige übernimmt das Amt turnusgemäß für ein Jahr.

Annegret Kramp-Karrenbauer

Annegret Kramp-Karrenbauer: "Wenn wir Jugendliche ohne Abschluss aus der Schule entlassen, kostet es noch mehr."

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Frau Kramp-Karrenbauer, die beiden Münchner Schläger, die eine bundesweite Debatte über das Jugendstrafrecht auslösten, sind in der Schule gescheitert. Hat die Bildungspolitik versagt?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Alle Bundesländer bemühen sich, an diese Jugendlichen heranzukommen. Schulverweigerer sind aber schwer zu packen. Für sie braucht es pädagogische Ansätze außerhalb der normalen Klassenarbeit. Im Saarland zum Beispiel arbeiten Lehrer mit Sozialarbeitern im Team, um Problemschüler bis zur neunten Klasse zum Abschluss zu führen. Unsere Erfahrungen sind positiv, denn gerade diese Teams finden einen besseren Zugang zu den Jugendlichen und zu deren Familien. Ich denke, in diese Richtung müssen alle Bundesländer weiterarbeiten. Diese intensive Betreuung kostet viel Geld, aber wenn wir Jugendliche ohne Abschluss aus der Schule entlassen, kostet es noch mehr.

SZ: Wo setzen Sie als Präsidentin der Kultusministerkonferenz Akzente?

Kramp-Karrenbauer: Schwerpunkt ist für mich die frühkindliche Bildung. Denn viele Defizite entstehen schon vor dem Schuleintritt. Hier müssen wir gemeinsam mit den Jugend- und Familienministern ansetzen. Kinder müssen früher anfangen zu lernen - unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Um alle Kinder zu erreichen, muss man zumindest über ein beitragsfreies letztes Kindergartenjahr reden. Außerdem werde ich mich für mehr Durchlässigkeit im Schulsystem einsetzen, damit die Bildungschancen in Deutschland gerechter werden.

SZ: Das Saarland schaffte schon vor Jahren die Hauptschule ab. Werden Ihre Unionskollegen früher oder später auch zu dieser Einsicht kommen müssen?

Kramp-Karrenbauer: Diese Frage muss jedes Bundesland selbst entscheiden. Wir sollten unsere Energie nicht in ideologische Debatten über die Schulstruktur stecken, sondern lieber an einer besseren Pädagogik arbeiten. Wir müssen den Schüler in den Blick nehmen. In welcher Schule er lernt, ist zweitrangig.

SZ: Sie setzen sich für ein bundesweites Zentralabitur ein, obwohl das die meisten Länder ablehnen. Warum?

"Kinder müssen früher anfangen zu lernen"

Kramp-Karrenbauer: Abiturienten haben ein Recht auf einen fairen Wettbewerb um Studienplätze. Wenn das Abitur die entscheidende Zugangsberechtigung zum Studium bleiben soll, muss es bundesweit und länderübergreifend vergleichbar sein. Der erste Schritt dazu sind einheitliche Bildungsstandards, die bereits auf den Weg gebracht sind. Als zweiter Schritt kann ein gemeinsamer Aufgabenpool für Prüfungen folgen, aus dem alle Länder schöpfen. Ansonsten drohen Aufnahmetests an jeder Universität, was ich sehr bedauern würde.

SZ: Auch Bundesministerin Annette Schavan fordert ein Zentralabitur. Sie redet neuerdings bei der Bildung stärker mit. Begrüßen Sie das?

Kramp-Karrenbauer: Der Bund kann nur Spielräume nutzen, die ihm die Länder überlassen. Wenn die Kultusminister nicht in Kleinstaaterei verfallen und ihre gesamtstaatliche Verantwortung wahrnehmen, dann bleiben dem Bund wenig Möglichkeiten sich einzumischen.

SZ: Warum finden die Kultusminister bei der Umstellung der Lehrerbildung auf Bachelor und Master seit Jahren keine gemeinsame Strategie?

Kramp-Karrenbauer: Die Positionen liegen hier sehr weit auseinander. Es wird wohl eine meiner schwierigsten Aufgaben in diesem Jahr sein, hier Einigkeit zu erzielen. Derzeit definiert eine Arbeitsgruppe inhaltliche Profile für die Lehrerbildung. Sie sollen bis spätestens Anfang 2009 feststehen. Dann müssen sich die Länder auf bundesweite Vorgaben einigen.

SZ: Das Gymnasium wurde auf acht Jahre verkürzt. Seitdem klagen Eltern wie Schüler über Schulstress. Aus der Saar-CDU kam der Vorschlag, Stunden zu streichen. Unterstützen Sie das?

Kramp-Karrenbauer: Es geht nicht darum, Unterricht zu streichen, sondern die Stunden während der Schulzeit flexibler zu verteilen. Man sollte diskutieren, ob zum Beispiel Stunden vom Gymnasium auf die Grundschule übertragen werden können, etwa im Fremdsprachenunterricht.

SZ: Eltern beschweren sich aber vielmehr darüber, dass Lehrpläne überfrachtet sind.

Kramp-Karrenbauer: Natürlich müssen die Länder die Lehrpläne nochmal durchforsten. Die Lehrer müssen aber auch lernen, mit den neuen Kernlehrplänen richtig umzugehen und tatsächlich Stoff wegzulassen. Es kann nicht sein, dass die Schulen uns regelmäßig übereinstimmend zurückmelden, sie hätten hier keinen Fortbildungsbedarf.

SZ: Ihre nordrhein-westfälische Unionskollegin Barbara Sommer wünscht sich Ganztags-Gymnasien.

Kramp-Karrenbauer: Ich denke, man muss es jeder Schulgemeinschaft selbst überlassen, ob sie eine Ganztagsschule will oder nicht. Denn die Eltern sind in dieser Frage sehr gespalten.

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