Kleine Hochschulstädte in Österreich:Familiäres Ambiente im Seminar

An einem Ort mit weniger Einwohnern zu studieren, hat seine Vorzüge. Wer nach Krems, Klagenfurt oder St. Pölten geht, studiert ein Spezialfach oder möchte einfach günstiger und gemütlicher leben.

Von Christine Demmer

Gegen die Konkurrenz der großen österreichischen Universitätsstädte setzen die kleineren Hochschulstandorte vor allem familiäres Ambiente und Freizeitangebote. Das Studienangebot ist zwar nicht so breit gefächert wie in Wien, Graz, Innsbruck, Salzburg und Linz. Doch wer zum Studium nach Leoben (Bergbau), Hall (Medizin), Klagenfurt (Internationales), St. Pölten (Ungewöhnliches) oder Krems (Weiterbildung neben dem Beruf) geht, hat sich meist schon für seinen künftigen Beruf entschieden und nimmt die Vorzüge von Städten mit weniger Einwohnern bewusst wahr. Fünf Kurzporträts stellen die Charakteristika dieser vergleichsweise kleinen Studienstädte vor.

Krems: Weiterbildung im Herzen von Weinbergen

Wenn das nicht rekordverdächtig ist: Annähernd jeder zweite Einwohner von Krems ist Student oder Studentin. Die Stadt an der Donau zählt etwa 25 000 Einwohner und bietet wegen ihrer Lage an der Donau und im Weinanbau- und Erholungsgebiet Wachau eine hohe Lebensqualität. Circa 11 000 Studierende machen die niederösterreichische Stadt jung. Krems und die Wachau haben ihnen kulturell einiges zu bieten. Höhepunkte des Jahres sind zum Beispiel das Musikfestival Glatt & Verkehrt und das Donaufestival. Das ganze Jahr über ziehen die Kunsthalle Krems, das Karikaturmuseum, die Artothek und das Forum Frohner zahlreiche Besucher an. In der schmucken Altstadt, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, gibt es zahlreiche Restaurants, Cafés und typische Weinlokale - Heurige. Im 16. Jahrhundert war Krems ein Zentrum der Reformation. Für Innovationen steht die Stadt auch heutzutage. So ist die Donau-Universität Krems die einzige öffentliche Universität für Weiterbildung im deutschsprachigen Raum. Sie konzentriert sich mit ihrem Studienangebot speziell auf die Bedürfnisse von Berufstätigen und bietet Master-Studiengänge und Kurzprogramme in fünf Studienbereichen an. Zusammen mit der IMC Fachhochschule Krems, der Karl-Landsteiner-Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften und der Österreichischen Filmgalerie nutzt die Donau-Universität den 34 000 Quadratmeter großen Campus. Neben Lehr- und Forschungseinrichtungen gibt es dort Hotels, ein Studentenwohnheim, ein modernes Kolpinghaus mit großem Zimmerangebot, ein vielfältiges Gastronomieangebot sowie ein Programmkino. Außerhalb des Campus befinden sich noch zwei weitere Hochschulen. Das macht Krems zu einer wahren Studentenstadt. Ein weiterer Vorteil: Wien liegt nur 70 Kilometer entfernt. Im Sommer kann man der österreichischen Hauptstadt mit dem Fahrrad einen Besuch abstatten. Krems liegt unmittelbar am Donauradweg, der von Passau nach Wien führt.

Leoben: Wo Montanwesen und Metallkunde Tradition haben

Im Oktober 2015 feierte die Montanuniversität Leoben ihr 175-jähriges Bestehen. Das Berg-und Hüttenwesen, das circa 3700 junge Menschen hier in Bachelor- und Masterprogrammen studieren, hat in der Steiermark eine lange Geschichte. Der Vorgänger der Montanuniversität war die bergmännische Lehranstalt. Heute ist daraus eine der Hauptausbildungsstätten Europas für Metallurgie, Bergbau, Montanmaschinenwesen, Werkstoffwissenschaften und Erdölwesen geworden. Auch die österreichische Eisen- und Stahlindustrie ist in der Stadt Leoben, die gut 25 000 Einwohner zählt, vertreten - mit einem Werk der Voestalpine AG. Das Unternehmen bietet verschiedene Möglichkeiten, praktische Erfahrungen zu sammeln - von der Hospitanz über den Ferienjob bis hin zur Abschlussarbeit, die man in Kooperation mit dem Unternehmen schreiben kann.

Bei Studentenbefragungen schneidet die Montanuniversität regelmäßig gut ab. Trotz der seit 1980 stark gestiegenen Studentenzahlen loben junge Leute die noch immer familiäre Atmosphäre, in der persönliche Kontakte zwischen Lehrenden und Lernenden gepflegt werden. Wartelisten bei den Übungen gibt es nicht. Hier kennt so gut wie jeder jeden. Man trifft die Professoren nicht nur auf dem Campus, sondern auch auf diversen Partys, in Kneipen und Cafés. Dass die Uni mit der örtlichen Industrie aufs Engste verbunden ist, sehen die Studenten als klaren Vorteil: Gerade über diesen Schacht sickert viel Praxis in die Theorie.

Eine Besonderheit der Montanuniversität Leoben ist das Angebot an Sprach- und Sportkursen, das für eine vergleichsweise kleine Hochschule auffallend breit gefächert ist. Studenten, die sich in ihrer Freizeit gerne mit Kultur beschäftigen, zieht es immer wieder ins 1790 gegründete Stadttheater Leoben. Es ist das älteste durchgehend bespielte Theater Österreichs und lädt zum Besuch von Theaterstücken wie von Konzerten ein.

Klagenfurt: Katzensprung zum Wörthersee und in den Süden

Literaturinteressierten ist Klagenfurt auch wegen des Ingeborg-Bachmann-Preises ein Begriff, für den sich jedes Jahr Autoren noch unveröffentlichter deutschsprachiger Prosatexte bewerben können; 14 Kandidaten kommen in die Endrunde. Vor der Entscheidung der Jury kann man den Lesungen von jedem Ort der Erde aus lauschen - dank des Internets.

Klagenfurt ist der südlichste deutschsprachige Hochschulstandort überhaupt. In der mit circa 100 000 Einwohnern größten Stadt Kärntens gibt es drei Hochschulen, von denen die Alpen-Adria-Universität mit Abstand die größte ist. Deren 10 200 Studierende kommen aus 80 Ländern der Welt. Gleich drei Studentenheime liegen nahe der Uni, manche sogar mit Blick auf den benachbarten Wörthersee, der wegen seines vergleichsweise warmen Wassers gut als Badesee und für Wassersportler geeignet ist.

Die Leitung der Alpen-Adria-Universität am Hochschulstandort Klagenfurt - die Universität ist auch in Wien und Graz vertreten - hat unlängst eine große Kampagne zur Renovierung ihrer Hörsäle gestartet. Sie wirbt bei Ehemaligen dafür, ihre früheren Lieblingssitzplätze zu sponsern, und bittet sie, der Universität nette Begebenheiten mitzuteilen, an die sich Alumni in Zusammenhang mit der Uni erinnern. Im Gedächtnis werden dem einen oder anderen sicher auch Ausflüge in der vorlesungsfreien Zeit geblieben sein. Wander- und Wintersportgebiete befinden sich in unmittelbarer Umgebung. Binnen weniger Stunden erreicht man Venedig, und ein Besuch von Ljubljana, der Hauptstadt Sloweniens, ist als Tagesausflug möglich.

International ist aber nicht nur die Studentenschaft, sondern auch die Landeshauptstadt Kärntens selbst. Es gibt einen Flughafen, Lokale für jede Geschmacksrichtung und jede Menge Museen, etwa das Museum Moderner Kunst, die Stadtgalerie, das Robert-Musil-Literaturmuseum sowie das Kärntner Landesmuseum. Entsprechend dem internationalen Flair sind die Preise allerdings auch höher als in anderen Studentenstädten.

St. Pölten: Exotisches studieren und günstig wohnen

Meist sind es junge Menschen, die sich für einen ungewöhnlichen Studiengang entschieden haben und deshalb nach St. Pölten kommen. Die niederösterreichische Landeshauptstadt steht für außergewöhnliche Fächer, die es woanders in dieser Form nicht gibt. Vorlesungen in BWL könnte man schließlich auch in Wien, Salzburg oder an vielen anderen Standorten studieren - und junge Leute zieht es nun mal oft in größere Städte. An der Fachhochschule St. Pölten etwa kann man Bahntechnologie und Diätologie studieren, an der New Design University unter anderem ein Kombistudium von Handwerk und Design, und demnächst offeriert eine neue Privatuniversität 240 Studienplätze in den Fächern Psychotherapie und Multimediale Kunsttherapie. Die neue Uni wird sich am Campus der Fachhochschule ansiedeln und St. Pölten damit endgültig in die Nähe einer Studentenstadt bringen. Das Wohnheim ist nur 400 Meter entfernt, außerdem gibt es kostengünstige Zimmer in Wohngemeinschaften. Grundsätzlich bietet St. Pölten für Studenten sehr gute Möglichkeiten, kostengünstig zu wohnen. Das tröstet über das eher kleine Angebot an Nachtlokalen in der 54 000-Einwohner-Stadt hinweg.

Andererseits ist das Naherholungsgebiet um St. Pölten reich an Wäldern, Weinbergen, Seen und Wegen für Jogger, Biker und Skater. Und wenn Studenten doch mal Großstadtatmosphäre schnuppern möchte, haben sie es nicht weit: Nur eine halbe Stunde braucht der Railjet von St. Pölten zum Wiener Hauptbahnhof.

Hall: Einst Handelsstadt, heute Hochburg der Mediziner

Die mittelalterliche Altstadt von Hall in Tirol erinnert an die Zeit, als Hall eine wichtige Marktstadt war. Einst spielten Salzbergbau und Salzhandel in Hall eine große Rolle, das im Inntal liegt, nur circa zehn Kilometer von der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck entfernt. Wer sich für die Geschichte der Stadt interessiert, sollte einen Besuch im Bergbaumuseum einplanen.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Stadt in einen bedeutenden Standort für moderne Medizin verwandelt. Unter die etwa 14 000 Einwohner mischen sich circa 1000 Studierende aller medizinischen Fachrichtungen, des Gesundheitsingenieurwesens und der Pflegeberufe sowie etwa 100 Wissenschaftler. Am höchsten ist die Studentendichte im Landeskrankenhaus und am Eduard-Wallnöfer-Zentrum, dem Sitz der Privaten Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik (UMIT). Auch das AIT Austrian Institute of Technology, ein Krebsforschungszentrum mit internationaler Ausrichtung, sitzt am Campus, ebenso das moderne Studentenheim "Campushotel", in dem Studenten und Dozenten mit Glück ein Apartment finden.

Vom lernintensiven Medizinstudium kann man sich in den Bergen der Umgebung erholen. Allein im Inntal gibt es mehr als 30 Skigebiete. Beste Bedingungen existieren auch für Klettertouren und Aktivitäten wie Gleitschirmfliegen.

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