Kleiderordnung und Dresscode:Karriere mit Stil

Zwar steht den Angestellten die Auswahl ihrer Garderobe im Job grundsätzlich frei, doch wer daneben greift, fällt negativ auf. Eine Anleitung zur richtigen Kleiderwahl.

Barbara Sommerhoff

Sonntagabend. Tagesschau. Interview mit Franz Müntefering. Nicht, was der SPD-Chef sagt, irritiert, sondern was er trägt. Beziehungsweise was er nicht trägt. Statt Schlips und Kragen einen Pulli. Üblich ist das nicht unter deutschen Spitzenpolitikern. Die Männer tragen samt und sonders Anzug, selbst die Grünen. Die Frauen auch. Bei ihnen heißt es allerdings Hosenanzug, als habe das Kleidungsstück der Männer keine Hosen. Vielleicht ein zaghafter Versuch, sich abzugrenzen. Faktisch herrscht geschlechterübergreifende Uniformität.

"WETTEN, DASS.....?" THOMAS GOTTSCHALK UND GÜNTER JAUCH

Lieber grau und unscheinbar wie Günther Jauch - oder darf es wie bei Thomas Gottschalk etwas ausgefallener sein?

Dabei ist die Wahl der Kleidung grundsätzlich frei. Das gilt nicht nur für Politiker. Die meisten Unternehmen verzichten auf explizite Kleidervorschriften, lässt man einmal Uniformen etwa bei der Polizei beiseite. Hier dient die Uniform der "besonderen Kenntlichmachung im dienstlichen Interesse" - der Polizist soll sofort als ein solcher erkannt und respektiert werden. Oder die Schutzkleidung für medizinisches Personal oder Köche: Sie diente ursprünglich der Hygiene und zum Schutz vor Verschmutzung der privaten Kleidung.

Wer daneben greift, wird zurecht gewiesen

Theoretisch kann jeder Arbeitgeber, gestützt auf sein Direktionsrecht, die Mitarbeiter zum Tragen branchenüblicher Kleidung anweisen. Begrenzt wird dieses Direktionsrecht durch das Bürgerliche Gesetzbuch. Paragraph 315 besagt, dass die Interessen des Arbeitnehmers gegen die des Betriebs abgewogen werden müssen. "Im Banken- und Versicherungswesen sowie überall dort, wo Beraterleistungen im Vordergrund stehen, wird eine Interessenabwägung regelmäßig zugunsten der betrieblichen Interessen ausfallen", erklärt Gerlind Wisskirchen, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Köln. "Gerade in diesem Bereich sind Auftreten und äußeres Erscheinungsbild des Arbeitnehmers besonders wichtig."

In der Praxis ist es kaum nötig, dass Arbeitgeber von ihrem Direktionsrecht Gebrauch machen, auch nicht beim größten deutschen Finanzdienstleiter. "Wir vertrauen darauf, dass sich unsere Mitarbeiter so kleiden, wie es der Kunde erwartet", sagt Volker Timm, Leiter eines Investment- und Finanzcenters der Deutschen Bank in Hamburg und seit fast 20Jahren in Führungsverantwortung. Nicht nur in der für ihre Gediegenheit und hanseatische Strenge bekannten Metropole heißt das: Anzug und Schlips für die Männer mit Kundenkontakt, konventionelle Kleidung für die Frauen.

Selbst die ganz jungen Auszubildenden, die nach der Mittleren Reife eine Lehre beginnen, wissen, wie sich ein Banker zu kleiden hat. Für Timm ist das nicht erstaunlich: "Die sind stolz darauf, bei einer Bank ihre Ausbildung zu machen und zeigen mit der Wahl der Kleidung, dass sie dazu gehören wollen." Greift einer morgens bei der Wahl der Krawatte doch mal daneben, wird er darauf hingewiesen. Der Hinweis vom Chef, diskret und unter vier Augen erteilt, reiche vollkommen aus, so Timm.

Auf der nächsten Seite: Warum in der sogenannten kreativen Branche betriebseinheitliche Kleidung eher selten ist - und es dort trotzdem einen ungeschriebenen Dresscode gibt.

Karriere mit Stil

Eher Jeans als Krawatte

Eine Situation, die in Unternehmen mit betriebseinheitlicher Kleidung vermieden wird. Große Restaurantketten, Paketdienste oder Baumärkte fordern von ihren Mitarbeitern im Kundendienst einheitliche Kleidung. Regelungen dazu sind laut Betriebsverfassungsgesetz mitbestimmungspflichtig. Aber auch kleine Betriebe wie das Hamburger Friseurgeschäft Kayapato sehen in einheitlicher Kleidung Vorteile. "Vor allem unsere Auszubildenden sind noch sehr jung, haben noch kein sicheres Stilgefühl und wenig Geld ", erklärt Inhaberin Ayla Karakaya. Deshalb übernimmt die Friseurmeisterin die Kosten für das gewünschte Outfit am Arbeitsplatz.

In der sogenannten kreativen Branche ist betriebseinheitliche Kleidung eher selten. Trotzdem haben Architekten, Werber oder Internetfachleute ihren Dresscode. Eher Jeans als Krawatte heißt der beispielsweise beim Internetdienstleister AOL. "Bei uns muss niemand im Anzug oder Kostüm herumsitzen", sagt Per Christiansen, Leiter der Personal- und Rechtsabteilung. "Wir sind ein modernes, international geprägtes Unternehmen mit vielen jungen Mitarbeitern, das soll man auch sehen."

Kürzlich habe man eine Frau eingestellt, die im Assessment ihre fachliche Kompetenz gezeigt habe - und am ersten Arbeitstag auch noch eine große Tätowierung auf der Schulter. "Fand ich gut", sagt Christiansen. Wenn auch mit Einschränkung: Wer einen Termin beim Kunden hat, muss sich passend anziehen. Konkret heißt das: Sich beim morgendlichen Ankleiden vorzustellen, was der Kunde als passend empfindet. Die freie Wahl der Kleidung - sie erfordert ein gutes Einschätzungsvermögen. Messlatte ist die Erwartung des Kunden. Das stimmt in der Kreativbranche genauso wie im Finanzgewerbe. Für beide gilt, dass bei der Kleidung alles erlaubt ist - innerhalb der Norm.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: