Süddeutsche Zeitung

Karriereplanung vs. Familienplanung:SchWANNger?

Im Studium, vor dem ersten Job, nach der ersten Beförderung: Viele Frauen wollen irgendwann einmal Kinder. Aber wann genau? Gibt es den perfekten Zeitpunkt?

hat sich umgehört.

Viele Akademikerinnen erzählen einem von diesem einen Plan, wenn man sie nach ihrer Familienplanung fragt. Der Plan geht so: im Laufe des Studiums den passenden Partner finden, einen guten Abschluss schaffen, sich rasch im Beruf beweisen, dabei idealerweise den ersten Aufstieg schaffen und mit diesem Sicherheitsgefühl ein erstes Kind bekommen.

Andrea, 35, erinnert sich noch gut an solche Gedanken. "Während des Studiums wollte ich nicht schwanger werden, weil unsere Beziehung mir noch nicht reif genug schien", sagt die Psychologin. "Und danach wollte ich erst einmal ausprobieren, was ich überhaupt will und kann." Nach den Prüfungen zieht sie zu ihrem Freund Jens nach Stuttgart. Dort findet sie eine Stelle in einem Forschungsprojekt, nach einem Jahr wechselt sie als Lehrkraft an die Hochschule, wo sie zudem ihre Doktorarbeit schreiben kann.

Auch Jens, er ist Unternehmer, kommt mit seiner Arbeit sehr gut voran, beiden erscheint der Zeitpunkt für ein Kind perfekt. Tatsächlich wird Andrea schnell schwanger. Der Traum endet jedoch abrupt, nach ein paar Wochen hat Andrea eine Fehlgeburt. Wegen des Schmerzes und aus Angst vor einem neuen Scheitern nehmen die beiden erst einmal Abstand vom Elternwerden.

Als sie es nach vielen Monaten wieder wagen, sorgt jede neue Periode für noch tiefere Enttäuschung. "Wäre mir klar gewesen, was alles schiefgehen kann, dann hätte ich lieber früher versucht, ein Kind zu kriegen", sagt Andrea heute. Inzwischen kennt sie viele Frauen, die das ähnlich sehen.

Aber heißt die Konsequenz, dass eine frühe Schwangerschaft immer besser ist? Schaut man heute in Andreas Leben, könnte man auch das Gegenteil behaupten. Sie hat mittlerweile doch noch einen sehr aufgeweckten Sohn bekommen und arbeitet weiter. Gemeinsam mit Jens leistet sie sich eine Tagesmutter und eine Haushaltshilfe. Bereits wenige Monate nach der Geburt bietet sie wieder Blockseminare an der Universität an und ist auf dem Weg, ihre Dissertation erfolgreich abzuschließen. Andrea kann mit viel Einsatz die Betreuung ihres Sohnes finanzieren. Vielleicht ist der Zeitpunkt für die Schwangerschaft deshalb für sie sehr in Ordnung.

Marion hat ihr Kind früher bekommen und schien zunächst ins Straucheln zu geraten. Nach der Geburt ihrer Tochter im Dezember 2006 muss die damals 29-Jährige zunächst von Bafög und Kindergeld leben. Sie hat nur ihr Vordiplom in der Tasche, und der Vater des Kindes ist notorisch pleite. "Als ich von der Schwangerschaft erfahren habe, musste ich erst mal heulen", erzählt die Berlinerin. "Ich dachte: Das Diplom kannst du jetzt vergessen."

Doch als ihre Mutter zur Aufmunterung einen Artikel über die gar nicht so schlechten Berufschancen von Studienabbrechern schickt, erwacht Marions Ehrgeiz. "Schließlich wollte ich meiner Tochter ein gutes Leben bieten", sagt sie und beschreibt, wie sie wie nie zuvor für die Klausuren lernte und ihre Praktika straff durchzog.

Dabei war Marion die Infrastruktur an der Uni eine große Hilfe: Die Kinderbetreuung der Hochschule war für sie eine wichtige Unterstützung. Der Schub, den die Geburt auslöste, zeitigt noch heute Wirkung in Marions Leben. Nach dem Abschluss als Wirtschaftsingenieurin unterschreibt sie sofort einen Arbeitsvertrag bei einer Agentur für Umweltberatung. Ihre Tochter besucht mittlerweile schon den Kindergarten, und Marion kann 44 Stunden in der Woche arbeiten, weil sie in ihrer Wohnung ein Büro eingerichtet hat. "Was wäre ohne meine Tochter aus mir geworden", fragt sie sich heute manchmal, wenn sie sich dabei beobachtet, wie diszipliniert sie ihre Tage angeht.

Gilt also doch: Je früher, desto besser? "Das Studium ist tatsächlich eine günstige Phase für das erste Kind", sagt Frauke Greven. "Da sind die Selbstansprüche noch nicht so hoch." Die Geschäftsführerin des gemeinnützigen Unternehmens "Spielraum - Projekt Vereinbarkeit" in Köln berät seit Jahren Familien, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen, in denen sich Menschen fragen, wie sie Arbeit und Kinder miteinander vereinbaren sollen.

Grevens Erkenntnis aus Hunderten von Gesprächen mit werdenden Eltern klingt zunächst banal. Es gibt, sagt sie, fast so viele Modelle, die beiden Seiten zu vereinbaren, wie es Beziehungen gibt. "Wer Kinder und Karriere vereinbaren möchte, steht immer wieder vor neuen Herausforderungen. Es gibt dann gute Lösungen, wenn alle Beteiligten klare Absprachen treffen und sie an veränderte Lebenssituationen anpassen."

Fast alles kann also funktionieren, wenn man es richtig angeht. Bleibt nur die Frage, wie man es angeht. "Zunächst auf die perfekte Position zu hoffen erscheint in einer von Fristverträgen geprägten Arbeitswelt als unkalkulierbares Risiko." Eine Erfahrung, die Susanne, 33, teilt.

Bei ihr passte das Timing eigentlich ganz gut. Mehrmals nimmt sie ein Studium auf und bricht es wieder ab. Sie beginnt eine Ausbildung zur Fotodesignerin und arbeitet danach zwei Jahre in der Bildredaktion einer Zeitschrift. Sie wird schwanger, geht in den Mutterschutz, bekommt Zwillinge und kehrt nach der Elternzeit zurück zu ihrem alten Arbeitgeber. In der Redaktion ist nichts mehr wie vorher. Im Verlag herrscht Kleinkrieg, von der zuvor versprochenen Beförderung ist keine Rede mehr. Stattdessen wird Susanne aufgefordert, zukünftig in einer anderen Stadt zu arbeiten. Entnervt lässt sie sich auf ein Abfindungsangebot ein.

"Auf einmal stand mein ganzes Lebenskonzept infrage", erinnert sie sich. Der Wiedereinstieg in den Beruf war lange geplant, die Kinder sind in der Krippe versorgt - Susanne hat Zeit. Doch es erweist sich als unmöglich, einen neuen Halbtagsjob zu finden. "Es gibt eh kaum vernünftige Angebote", klagt Susanne, "und dann haben die meisten Firmen häufig nicht mal auf meine Bewerbungen geantwortet.

Auch Diplom-Arbeitswissenschaftlerin Frauke Greven erlebt immer wieder, dass Vollzeitkräfte bevorzugt werden. Sie rät, für einen guten Job über Kompromisse nachzudenken. Da bei Teilzeitstellen häufig Überstunden anfallen, könne man, so Greven, Folgendes anbieten: "30 Stunden pro Woche komme ich rein, den Rest der Zeit würde ich gern anders organisieren - zum Beispiel über eine Homeoffice-Regelung." Greven ist zuversichtlich, dass die Arbeitswelt sich in den kommenden Jahren ändern wird. Sie glaubt, dass viele Arbeitsplätze familienfreundlicher werden - weil sie es müssen. Flexible Bürozeiten und betriebliche Kinderbetreuungs¬angebote werden nach ihrer Beobachtung immer mehr zu Wettbewerbsvorteilen zwischen Unternehmen, die gut ausgebildete Beschäftigte suchen.

Susanne kann auf diese Änderungen allerdings nicht mehr warten. Sie hat die Suche nach einem Teilzeitjob mittlerweile aufgegeben. Seit einem halben Jahr besucht sie die Universität und studiert Grundschulpädagogik. Mit dem Fach hat sie schon häufig geliebäugelt. Erst ihre Kinder, sagt Susanne, hätten ihr gezeigt, wie viel Freude ihr die Arbeit mit dem Nachwuchs mache. "Bis ich am Ziel bin, dauert es zwar noch eine Weile", sagt sie. "Aber die Perspektiven sind gut für eine Familie. Und das ist für mich das Entscheidende."

Was von all den Geschichten bleibt? Wer einem Masterplan folgen will, riskiert, enttäuscht zu werden. Wer vom Termin einer Schwangerschaft überrascht wird, kommt vielleicht zuerst ins Grübeln, erlebt dann aber meistens, dass sich das Leben eben wendet. Sehr häufig hin zum Guten.

Der Text ist im aktuellen jetzt-Magazin Uni und Job erschienen. Noch mehr Artikel zum Thema gibt es auf jetzt.de.

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