Karriereplanung mit Kind:Mach du erst mal

Gerade noch waren beide Partner erfolgreich im Beruf, schon muss einer zu Hause bleiben und sich um das Baby kümmern - fast immer die Frau. Warum Paare vor dem ersten Kind über die gemeinsame Karriereplanung reden sollten.

Mit der Geburt des ersten Kindes beendeten Sven und Simone Seidel ihre Doppelkarriere. Er war vorher Projektleiter eines Konzerns gewesen, sie hatte als Psychologin und Supervisorin beim Fernsehen gearbeitet. Danach teilten sie die Rollen neu auf, und Simone Seidel nahm Elternzeit. "Es ging nicht anders", begründet ihr Mann, warum nicht er sich die Zeit nahm für das Baby. "Das ist mit meinem Job nicht verträglich. Meine Frau weiß das von ihrer Arbeit auch. Deswegen geht sie ganz raus."

Umfrage: Auch Väter wollen Kinder betreuen

Väter in Elternzeit - meist die Ausnahme: Oft sind die Rollen der Eltern nach der Geburt des Kindes von vornherein klar: Die Mutter bleibt beim Kind. Nur wenige Paar sprechen über ihre gemeinsame Karriereplanung.

(Foto: dpa)

Ob beide Partner nach der Familiengründung weiter Karriere machen, hat nicht nur mit der Haltung von Arbeitgebern in Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung zu tun. Eine größere Rolle als bisher angenommen spielt die Beziehung selbst. "Berufliche Karrieren von Frauen und Männern werden zum wesentlichen Teil innerhalb von Paarbeziehungen gemacht", sagt die Soziologin Dagmar Müller vom Deutschen Jugendinstitut in München, die 40 Doppelkarriere-Paare befragt hat.

Auch das Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung hat untersucht, warum zwar der Anteil von Frauen unter den Hochschulabsolventen seit Jahren steigt, trotzdem die Führungspositionen nach wie vor meist männlich besetzt sind. Die Soziologin Alessandra Rusconi hat mit ihren Kolleginnen etwa 770 Wissenschaftlerinnen sowie 550 ihrer Partner interviewt.

"Mich hat überrascht, wie traditionell zum Teil hochqualifizierte und erfolgreiche Frauen in ihrer Partnerschaft und Arbeitsteilung sind", sagt Rusconi. "Sie übernehmen die Hauptrolle bei der Kinderbetreuung sowie das ganze Paarmanagement und ziehen ihre Partner nicht mehr zur Verantwortung."

Zwar steht bei den meisten kinderlosen Paaren der Beruf von beiden im Vordergrund. Doch kaum hätten sie eine Familie gegründet, zeigten sich "eklatante Geschlechterunterschiede", erzählt Rusconi. So räumte mehr als die Hälfte der befragten Väter dem eigenen Beruf Vorrang ein. Dagegen erklärten nur 14 Prozent der Frauen, ihr Vorwärtskommen im Job stehe an erster Stelle.

"Bisher wurde ausgeblendet, dass die meisten Männer und Frauen einen relativ langen Zeitraum in ihrem Leben mit einem Partner zusammenleben", erklärt die Wissenschaftlerin. "Sie können nicht nur starr ihrem Berufsverlauf folgen, sondern müssen berücksichtigen, was der andere macht." Paare versuchen mit unterschiedlichen Strategien, Kinder und Beruf zu vereinbaren.

Karriere im Reißverschlussverfahren

Die einen entscheiden sich, dem Mann beruflich den Vortritt zu lassen. Häufig argumentiert in diesem Fall auch die Frau mit dem höheren Einkommen oder der besseren Ausbildung ihres Mannes, fanden die Forscherinnen heraus. Sie gibt ihren Job auf oder begnügt sich nach der Elternzeit mit einer schlechteren Teilzeitarbeit. Auch Simone Seidel räumte ihren Arbeitsplatz als Projektsupervisorin und gab sich mit einer Assistenzstelle zufrieden.

Andere Paare wollen weiterhin gleichberechtigt ihren Berufen nachgehen. Von diesen stellt die eine Gruppe den Job obenan. Die Frau bekommt spät Kinder, um sich erst einmal beruflich zu etablieren. Weil beide Partner gut verdienen, können sie Haushalts- und Betreuungsaufgaben an Dritte delegieren.

Die andere Gruppe lebt nach dem Modell "dual career - dual care", in dem beide arbeiten und sich um die Kinder kümmern. Wie im Reißverschlussverfahren hat mal die Frau, mal der Mann beruflich Vorrang. "Wir ziehen Familie und Karriere durch", erzählt etwa Alexandra Pfeffer. Sie hatte als Wissenschaftlerin einen unsicheren Berufsweg vor sich und entschied gemeinsam mit ihrem Mann, dass er ein gutes Jobangebot als Jurist ablehnen sollte. Stattdessen zogen sie dorthin, wo sie ihre nächste Stelle bekam. Er nutzte die Elternzeit für die Promotion.

Diese Lebensweise lässt sich am besten mit Teilzeitjobs realisieren. Als nachteilig bilanziert das Forschungsprojekt, dass dadurch mancher Weg nach oben verbaut ist. Außerdem können es sich Paare wie die Pfeffers kaum leisten, Haushaltshilfen oder Kinderfrauen zu bezahlen. "Wir können momentan auch keine Rücklagen bilden", sagt Alexandra Pfeffer. "Aber Geld ist eben nicht alles. Wir kaufen uns die Zeit sozusagen."

Dass sich bei vielen Doppelkarriere- Paaren der Mann - teilweise schon vor der Familiengründung - stärker beruflich durchsetzt, hängt den Studien zufolge mit der übernommenen Einstellung aus der Herkunftsfamilie zusammen. Außerdem machen die wenigsten Paare eine richtige Lebens- oder Karriereplanung. "Ganz häufig bekommt ein Partner ein gutes Jobangebot und überlegt erst dann: Welche Auswirkungen hat das auf unsere Partnerschaft?", sagt Soziologin Müller. Und statt über langfristige gemeinsame Ziele nachzudenken, planten viele Paare immer nur den nächsten beruflichen Schritt.

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