Karriereplanung:FH-Abschlüsse werden immer wertvoller

Karriereplanung: Der Trend zur feierlichen Abschlussfeier ist an Fachhochschulen ebenso zu beobachten wie an Universitäten.

Der Trend zur feierlichen Abschlussfeier ist an Fachhochschulen ebenso zu beobachten wie an Universitäten.

(Foto: Imago)

Ein Studium an einer Fachhochschule ist längst nicht mehr zweitklassig. FH-Berufseinsteiger verdienen anfangs sogar mehr - werden später aber von Uni-Absolventen überflügelt.

Von Juliane von Wedemeyer

Inès Potdevin ist Mechatronikerin und Feinwerktechnikerin. Seit zwei Monaten kann sich die 25-Jährige außerdem Master of Engineering nennen. Erworben hat sie den Titel wie auch schon den Bachelor an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften, früher auch bekannt als Fachhochschule oder kurz FH.

Lange hatte die Ausbildung an Fachhochschulen den Ruf, ein Studium zweiter Klasse zu sein: Zu erwarten waren weniger geistige Höhenflüge und mehr Arbeit in den Niederungen der Praxis. Eine Rolle spielte wohl auch, dass nicht einmal das Abitur dafür nötig ist. Es reicht die Fachhochschulreife. Inès Potdevin allerdings hat das Gymnasium mit einem Einserabitur verlassen und sich trotzdem an einer Fachhochschule eingeschrieben.

Keine schlechte Entscheidung. Denn laut einer Langzeitstudie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) finden Fachhochschulabsolventen schneller einen Job und verdienen auch mehr als ihre Altersgenossen von der Universität. In den vergangenen zwei Jahren war dieses Ergebnis den Medien immer wieder eine Schlagzeile wert - nach dem Motto: Die kleine Schwester der Uni wird langsam groß.

Würde Inès Potdevin beim Berufseinstieg so viel verdienen wie der statistische Durchschnitt, dann könnte sie demnächst ein Bruttojahresgehalt von 40 200 Euro erzielen - die Absolventen einer Universität dagegen nur 38 500 Euro. "Der Vergleich hinkt allerdings", sagt Gregor Fabian. Und er muss es wissen, denn er ist der Studienleiter am DZHW. Sein Team befragt seit der Bologna-Reform im Jahr 1999 regelmäßig Tausende deutscher Absolventen beider Hochschularten in einem Abstand von fünf Jahren - unter anderem nach ihrem Studienverlauf, nach ihrer Jobsuche, nach der Zufriedenheit im Beruf und eben auch nach dem Einkommen.

Wer dabei aber nur den Gesamtdurchschnitt betrachtet, erhält laut Fabian ein verzerrtes Bild. Denn die Fachhochschulen böten weniger und vor allem technik- und wirtschaftsnahe Studiengänge an, die Universitäten dagegen den vollständigen Fächerkanon. Medizin, Jura, Lehramt, Geisteswissenschaften - all das kann man nur an einer Universität studieren. Und die Gehälter etwa von Geisteswissenschaftlern sind in der Regel nun einmal niedriger als die von Informatikern, Ingenieuren und Betriebswirten. Ihre Kompetenzen passen direkt nach dem Studium seltener zu einem konkreten Stellenprofil.

Auf das Studienfach kommt es an

Bis sie einen ausbildungsadäquaten Arbeitsplatz gefunden haben, vergeht daher mehr Zeit. Und auch die Uni-Absolventen, die nach einem Jura- oder Lehramtsstudium mit einem Referendariat ins Berufsleben einsteigen, verdienen erst einmal wenig. Doch das ändert sich meist nach den Staatsexamina. Dazu passen auch die Ergebnisse der Studien, die das DZHW 2016 veröffentlicht hat: Zwar verdienen FH-Abgänger beim Berufseinstieg im Durchschnitt mehr als Uni-Absolventen, aber schon nach den ersten fünf Jahren werden sie von diesen eingeholt. Für eine genauere Analyse empfiehlt Fabian, die Einkommen je nach Studiengang zu vergleichen - also nach jenen Fachbereiche, die beide Hochschultypen anbieten. Und da zeigt sich: Die FH-Absolventen liegen selbst beim ersten Gehalt nicht immer vorn.

Architekten und Bauingenieure des zuletzt befragten Abschlussjahrgangs beispielsweise erzielten im Schnitt 33 300 Euro brutto im Jahr - egal ob sie an der Uni oder FH studiert hatten. Die befragten Informatiker hatten mit 41 000 Euro ein um 400 Euro höheres durchschnittliches Bruttojahreseinkommen, wenn sie ihren Master an einer Uni gemacht hatten. Das sind zwar nur 33 Euro pro Monat. Aber auch die Wirtschaftswissenschaftler von der Uni verdienten in ihrem ersten Vollzeitjob mehr als ihre Kollegen von der FH, nämlich 41 600 Euro brutto im Jahr. Das sind immerhin 125 Euro mehr im Monat.

Lediglich das durchschnittliche Bruttojahreseinkommen der Ingenieure, die ihren Master an der Fachhochschule gemacht haben, übertraf mit 44 000 Euro das der Kollegen mit Uni-Abschluss tatsächlich. Und zwar um 2200 Euro.

Master werden bevorzugt eingestellt und verdienen dann auch mehr

Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kam in diesem Jahr auch der Berufseinsteiger-Gehaltsreport des Jobportals Stepstone. Laut diesem liegt das Einkommen der Uni-Absolventen sogar im Gesamtdurchschnitt vorn, wenn auch nur um vier Prozent. Demnach starten Uni-Absolventen im Schnitt mit 45 163 Euro Jahresgehalt in den Beruf, die der staatlichen Fachhochschulen mit 43 256 Euro. Anders als bei der Untersuchung des DZHW wurden für die Stepstone-Studie nicht einzelne Jahrgänge befragt, sondern 12 000 Absolventen und Jobeinsteiger, die bis zu zwei Jahre im Berufsleben stehen.

Fabian und seine Kollegen vom DZHW sind gerade mit der nächsten groß angelegten Befragung beschäftigt. Seit Oktober füllen etwa 80 000 ehemalige Studierende der Abschlussjahrgänge 2009, 2013 und zum ersten Mal auch des 2017er-Jahrgangs die Fragebögen aus. Bis spätestens 2020 sollen sie vollständig ausgewertet sein.

Fabian geht davon aus, dass die Durchschnittsgehälter der Absolventen beider Hochschultypen wie auch in der Vergangenheit nach fünf Jahren etwa gleich hoch sind. Allerdings dürften die Uni-Absolventen von 2009 ihre Kollegen von den Fachhochschulen einkommenstechnisch bereits überholt haben. "Dieser Trend hält schon seit Jahren an", sagt Fabian. Und er glaubt nicht, dass er sich so schnell ändert.

Die Fachhochschule wird 50

Vor 50 Jahren einigten sich die Ministerpräsidenten der Bundesländer auf die Einrichtung einer neuen Hochschulart. Mit dem Beschluss begann der Aufbau der Fachhochschulen (FH). Heute ist jeder dritte deutsche Studierende an einer der 128 FHs eingeschrieben, fast alle nennen sich inzwischen "Hochschule für angewandte Wissenschaften" oder "University of Applied Sciences". Im nächsten Jahr wird der Geburtstag groß gefeiert. Das Motto der Jubiläumsparty: "Die machen Karrieren". SZ

Woran liegt das? Sind Uni-Absolventen bei den Arbeitgebern beliebter? "Nein", sagt Simone Deubl, Recruiterin bei Stepstone. Zwölf Jahre war sie für verschiedene Unternehmen im Personalbereich tätig. "Dass die Entscheider speziell darauf achten, ob der Bewerber ein FH- oder ein Uni-Absolvent ist, habe ich nie erlebt." Dieser Unterschied habe immer weniger Bedeutung. "Viel wichtiger ist da die Persönlichkeit eines Bewerbers."

Stepstone hat 25 000 Fach- und Führungskräfte zu diesem Thema interviewt. Und siehe da: Für mehr als zwei Drittel der Arbeitgeber spielt bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter demnach tatsächlich eher der Charakter eine Rolle. Auf den formellen Abschluss legt nur etwa ein Drittel besonderen Wert. Allerdings gehe es den Unternehmen dabei nicht in erster Linie um die Hochschulform, sondern eher darum, ob der Absolvent einen Bachelor oder Master habe. Master würden bevorzugt eingestellt und verdienten dann auch mehr.

Ohnehin scheinen die Grenzen zwischen beiden Hochschulformen immer mehr zu verwischen, seit sich die europäischen Bildungsminister vor fast 20 Jahren in Bologna trafen, um die gemeinsame Umstellung ihrer Hochschulsysteme auf Bachelor und Master zu besiegeln. So bilden mittlerweile Universitäten berufsbezogener aus. Und ein an der Fachhochschule erworbener Bachelor qualifiziert auch zum Masterstudium an einer Universität.

Wie also ist der spätere Einkommensunterschied zwischen Uni- und FH-Absolventen nun zu erklären? Fabian vermutet, dass Arbeitnehmer mit einem Uni-Abschluss eher in die besser bezahlten Führungsebenen aufsteigen - auch, weil sie öfter promovieren. Ungefähr jeder vierte Uni-Absolvent nimmt nach dem Master eine Promotion auf, aber nur etwa jeder zwanzigste Fachhochschulabsolvent. Und ein Doktortitel ist für den beruflichen Erfolg nun einmal von Vorteil. Aber genau da beobachtet Fabian auch eine neue, wenn auch sehr zarte Entwicklung: Die Zahl der promovierenden FH-Absolventen steigt seit einigen Jahren.

Inès Potdevin verzichtet auf einen Doktortitel. Sie sucht gerade nach ihrem ersten richtigen Arbeitsplatz. Ihre Masterarbeit hat sie zum Thema "Fahrtzustandsschätzungen über Radar" verfasst. "Mit dem, was ich studiert habe, bin ich ziemlich vielseitig", sagt sie. "Ich könnte in der IT arbeiten, in der Konstruktion oder in der Produktion." Am liebsten aber hätte sie einen Job in der Fahrzeugentwicklung. Kontakte zu Autoherstellern hat sie schon, auch dank ihrer Studentenjobs. Denn die oft gelobte Praxisnähe der Fachhochschulen und deren enge Kontakte zu Unternehmen hatten sie vor sechs Jahren dazu bewogen, an einer zu studieren.

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