Süddeutsche Zeitung

Karrierekiller Lampenfieber:Gefangen im Perfektionismus

Das Gegenteil von perfekt: Wer bei Präsentationen aus Angst vor Fehlern zu gehemmt auftritt, schadet der eigenen Karriere. Und sollte an seinem Selbstbild arbeiten.

Im Beruf haben Beschäftigte oft schlechte Karten, wenn sie Angst davor haben, sich vor anderen zu präsentieren. Wer ständig fürchtet, sich zu blamieren, wirkt in Besprechungen und Bewerbungsgesprächen schnell gehemmt - dann wird Lampenfieber zum Karrierekiller. "Schuld daran ist häufig übertriebener Perfektionismus", sagte der Psychologe Professor Wolfgang Miltner von der Universität Jena. Denn wer immer perfekt sein will, erreiche damit genau das Gegenteil: Die Angst vor negativen Beurteilungen führe dazu, dass Betroffene verkrampfen und einen schlechten Eindruck machen.

Erwartungshaltung fern der Realität

Hinzu komme oft eine falsche Selbstwahrnehmung - eine "kognitive Verzerrung", wie Miltner sie nennt. Betroffene entwickelten eine Erwartungshaltung, die mit der Realität nicht mehr viel zu tun hat: Bei jedem kleinen Versprecher rechneten sie damit, von den anderen ausgelacht zu werden. Dabei dürfte das in vielen Fällen gar nicht stimmen. Dieses Phänomen ist Miltner zufolge keineswegs selten: Schätzungsweise 7 bis 13 Prozent aller Menschen in den westlichen Ländern litten unter derartigen sozialen Ängsten.

Den richtigen Umgang mit Lampenfieber zu lernen, ist daher vor allem eine Kopfsache. So sollten Betroffene versuchen, das Motto "Irren ist menschlich" zu verinnerlichen, empfahl Miltner. Häufig merkten sie dann womöglich sogar, dass kleine Fehler sie für Kollegen liebenswerter machen als aalglatte Auftritte. Es sei aber auch eine Typfrage, wie sehr Lampenfieber einem zu schaffen macht, erläuterte Miltner. So seien besonders Menschen betroffen, die ohnehin eher ängstlich sind. Sie müssten dann lernen, umzudenken, indem sie sich zum Beispiel sagen: "Wenn einmal etwas nicht gelingt, muss es nicht immer misslingen."

Aufregung als Ansporn

Lampenfieber im Büro könne aber auch helfen, sagte Miltner: "Ein bisschen Aufregung ist nicht schlecht. Das kann auch leistungsfördernd sein und einen anspornen." Beschäftigte versuchen daher besser, die Aufregung zu nutzen, als sie vergeblich zu verdrängen. Denn dass die Aufregung weggeht, wenn Beschäftigte länger im Betrieb sind, sei nicht garantiert: "Es ist ja auch von Künstlern bekannt, dass sie trotz großer Erfahrung vor jedem Auftritt immer wieder Lampenfieber bekommen.""

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sueddeutsche.de/dpa/Tobias Schormann/holz
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