Karrierefallen für Frauen:"Mini-Jobs führen in eine biographische Sackgasse"

400-Euro-Jobs und keine Zukunft: Die Wissenschaftlerin Ute Klammer plädiert für die Abschaffung geringfügiger Beschäftigung, weil die Frauen bei ihr hängenbleiben. Finanziell lohnt es sich für viele nicht, ihre Arbeit auszubauen - das hat verheerende Folgen.

Felix Berth

Ute Klammer schrieb mit anderen Wissenschaftlerinnen den ersten Gleichstellungsbericht für die Bundesregierung. Sie plädiert dafür, die staatliche Förderung von Mini-Jobs zu streichen.

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"Eine Frau, die in einem 400-Euro-Job steckenbleibt, riskiert, dass sie im Lauf der Jahre allmählich einen Teil ihrer Kompetenzen verliert." Ute Klammer fordert deshalb die Abschaffung geringfügiger Beschäftigung.

(Foto: DPA-SZ)

SZ: Die Bundesregierung will dem Fachkräftemangel begegnen. Künftig sollen mehr Frauen arbeiten als heute. Ein realistischer Plan?

Klammer: In den letzten Jahren hat das jedenfalls nicht geklappt. Zwar haben mehr Frauen als früher einen Job - aber sie arbeiten im Schnitt weniger. Letztlich ist das Arbeitsvolumen der Frauen ziemlich genau gleich geblieben.

SZ: Wollen die Frauen vielleicht gar nicht mehr arbeiten?

Klammer: Doch, sie möchten schon. In allen Befragungen erklären Frauen, dass sie gern mehr arbeiten würden. Doch sehr viele stecken in geringfügigen Jobs fest. Gerade diese 400-Euro-Jobs verhindern, dass Frauen mehr arbeiten. Wer einen solchen Job macht, hat einen enormen Anreiz, das auf keinen Fall auszubauen. Denn dann würden plötzlich Steuern fällig, auch Sozialabgaben kämen dazu. Wenn eine Frau verheiratet ist und in einem Mini-Job dazuverdient, stellt sie fest: Mehr arbeiten lohnt sich nicht.

SZ: Erstmal wird diese Frau doch froh sein, dass der Staat ihr ein steuerfreies Einkommen lässt.

Klammer: Aber das ist nur der Spatz in der Hand. Und es wäre besser, die Taube auf dem Dach zu fangen. Eine Frau, die in einem 400-Euro-Job steckenbleibt, riskiert, dass sie im Lauf der Jahre allmählich einen Teil ihrer Kompetenzen verliert. Sie kann nicht sicher sein, dass ihr Partner immer seine Stelle behält. Auch Ehen halten nicht mehr ewig. Aus der Perspektive der Gleichstellung sind Mini-Jobs desaströs: Sie führen Frauen in biographische Sackgassen. Und es entsteht ein riesiges Reservoir an Altersarmut. Denn diese Frauen zahlen zumeist auch nicht genügend in die Rentenkasse ein.

SZ: Doch vielleicht erleichtern diese Mini-Jobs den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt. Zum Beispiel nach der Elternzeit.

Klammer: Genau das tun sie häufig eben nicht! Wenn es nur eine kurze Phase wäre und sich an den Mini-Job ein Aufstieg anschließen würde, wäre das ja in Ordnung. Doch Millionen Frauen hängen in der geringfügigen Beschäftigung fest, obwohl sie es nicht wollen.

"Die Arbeitgeber würden sich wehren"

SZ: Kritik an den Mini-Jobs kommt aus allen Lagern. Vom Ifo-Institut, vom Sachverständigenrat, der Hans-Böckler-Stiftung, der Bertelsmann-Stiftung. Ihre Position scheint Konsens zu sein.

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Ute Klammer sieht viele Risiken, wenn Frauen lediglich Mini-Jobs ausüben: Sie verlieren Kompetenzen und stehen vor Problemen, wenn die Ehe schiefgeht oder der Mann den Job verliert.

(Foto: dpa)

Klammer: Sie können auch noch den Deutschen Juristentag dazunehmen und etliche andere. Jedem, der sich näher damit beschäftigt, wird klar, dass das kein nachhaltiges Arbeitsmodell ist.

SZ: Doch die Politik tastet diesen Steuervorteil nicht an. Aus Angst vor dem Zorn der Frauen, die sich wehren, weil ihnen etwas genommen wird?

Klammer: Ich glaube, aus Angst vor vielen Reaktionen. Die ersten, die sich wehren würden, wären die Arbeitgeber. Aus ihrer Sicht sind Mini-Jobs höchst flexibel, und ein Teil der Firmen nutzt sie, um Löhne zu drücken. Und neben den Frauen, die sich vielleicht über den Verlust eines Steuervorteils ärgern würden, gibt es deren Männer: Auch von ihnen würden etliche jammern, dass ihre Familien finanzielle Nachteile hätten. Individuell ist das ja auch richtig - bloß für die Entwicklung unserer Gesellschaft ist das ein Desaster.

SZ: Familienministerin Kristina Schröder will sich damit jedenfalls nicht befassen: Als Sie den Gleichstellungsbericht mit der scharfen Kritik an Mini-Jobs übergeben haben, schickte sie ihren Staatssekretär.

Klammer: Darüber war die Kommission irritiert. Wir hatten den Auftrag von Schröders Vorgängerin (Ursula von der Leyen, d. Red.), den ersten Gleichstellungsbericht der Bundesrepublik zu schreiben. Da wäre es angemessen gewesen, wenn die aktuelle Ministerin zur Übergabe gekommen wäre und mit uns das Gespräch gesucht hätte.

SZ: Vielleicht war Ihre Kritik zu scharf.

Klammer: Ich weiß nicht, ob man deshalb das Gespräch verweigern sollte. Bei den Mini-Jobs jedenfalls gäbe es viel zu besprechen.

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