"Die Diagnose war keine Überraschung. Gleich nachdem ich gegen den Felsen geknallt war, spürte ich: Hüftabwärts geht nichts mehr. Ich hätte ein gutes Stück nach vorn springen müssen, doch ich rutschte aus. Aus 700 Metern bin ich im Rollstuhl gelandet. Die Ärzte sagten: 'Nichts zu machen, außer abwarten und Tee trinken.' Ich kenne aber niemanden, der mit Zurücklehnen Erfolg hat.
In der Schule haben sie mich 'die Ängstliche' genannt. Deswegen hat mich das Fallschirmspringen begeistert, weil ich lernen wollte, meine Angst zu überwinden. 200 Sprünge habe ich im Jahr gemacht, im Wingsuit fliege ich seit 17 Jahren. Damit sehe ich aus wie Batman: mit Stoff zwischen Armen und Beinen gleite ich durch die Luft. Beim Basejumpen spielt keine Rolle, ob man als Bauarbeiter oder Chefärztin sein Geld verdient. Die Fallhöhe macht alle gleich verwundbar.
Auch deswegen wurde ich Fallschirmtechnikerin und eröffnete meine Werkstatt auf einem alten Flugfeld im Schwarzwald. Ich prüfe und repariere Fallschirme, bringe sie durch den TÜV, damit jeder Flieger sicher landet.
Dann kam dieser eine Sprung. Meine Wirbelsäule zerbröselt, die Beine lahm. Müde vom Leben war ich aber nicht. Und Oberkörper, Arme, Hände konnte ich benutzen. Aus der Reha fuhr ich direkt in meine Werkstatt. Dort wartete alles, was ich mir aufgebaut hatte. Ich wollte, dass das auch meine Zukunft ist. Aber wie das Handwerk meistern? Andererseits: Wenn Autofahren mit Handbedienung geht, müsste doch auch eine Nähmaschine fußfrei zu bedienen sein?
"Manche Hilfe muss man annehmen"
Statt mit dem Fuß aufs Pedal zu drücken, puste ich nun in einen kleinen Schlauch, dann beginnt die Nadel das Stechen und Rattern. Sauge ich am Schlauch, hört sie auf; funktioniert alles über Luftdruck. Für einen Fallschirm-TÜV brauche ich doppelt so lang wie früher, aber ich schaffe es allein, das zählt. Okay, bei den Knochenjobs helfen mir sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ohne sie wäre ich heute nicht mehr Unternehmerin. Und manche Hilfe muss man annehmen.
Meine zweite Frage an die Ärzte nach 'Werde ich je wieder laufen können?' war, ob ich schwanger werden könnte. 'Kann klappen', haben sie gesagt - und es hat geklappt. Mein Sohn ist jetzt drei Jahre alt. Inzwischen bin ich auch wieder in der Luft, aber nur noch ein paar Mal pro Jahr. Und ich springe nur noch aus Flugzeugen. Das ist viel ungefährlicher als von Felsen, Brücken oder Gebäuden. Manche Leute finden das unverantwortlich. Ich höre lieber den Menschen zu, die mir alles zutrauen, und vertraue mir selbst.
Manche Ärzte hatten auch gemeint, ich könnte maximal darauf hoffen, mich aus eigener Kraft aus dem Bett in den Rollstuhl zu hieven, aber bald schaffte ich es mit dem Rollator bis zum Briefkasten, heute laufe ich 1000 Meter an Krücken. Die Zukunft rosarot zu träumen, hat mir geholfen. Und hartes Training. Hätte ich mein Leben nach den Vorstellungen anderer gestaltet, wäre mir das sicher nicht gelungen."