SZ-Leserin Alena C. fragt:
Ich bin 27 Jahre alt, habe einen Master in Wirtschaftsingenieurwesen, viel Praxiserfahrung und ein Kind. Ich war im Nachwuchsförderprogramm der Siemens AG und habe jetzt die Zusage für eine Promotionsstelle an einer Technischen Universität bekommen. In Vorstellungsgesprächen habe ich viel Diskriminierung erfahren, die Frage, wann ich den das nächste Mal schwanger würde, war dabei noch harmlos. Bei der jetzigen Stelle einigten wir uns auf ein Modell, wie ich meine Wochenstunden ableisten sollte. Kaum war der Vertrag unterschrieben, bekam ich eine Mail, dass sich meine Arbeitszeiten nun anders aufteilen. Trotz Home-Office kann ich das mit Kind nicht schaffen. Wie kann ich mich dagegen wehren?
Ina Reinsch antwortet:
Liebe Frau C., Sie haben mit Ihren 27 Jahren schon einiges gestemmt: Studienabschluss, Praxiserfahrung, ein Kind, jetzt gehen Sie Ihre Promotion an - toll. Dass Sie mit einem kleinen Kind nicht zu allen möglichen Zeiten arbeiten können, liegt auf der Hand, das haben Sie mit Ihrem Arbeitgeber ja auch besprochen. Umso ärgerlicher, dass er nun - ob aus Schusseligkeit oder Berechnung - plötzlich nichts mehr davon wissen will.
Serie "Arbeiten nach Corona":Das große Schnüffeln
Im Home-Office macht jeder, was er will - das war eines der Argumente gegen Heimarbeit. Aber ist das wirklich so? Über die Überwachungsmethoden besorgter Chefs und was Misstrauen im Job alles anrichten kann.
Grundsätzlich können Arbeitsverträge auch mündlich geschlossen werden. Die Schriftform dient nur Dokumentationszwecken, macht bei Fehlen den Arbeitsvertrag aber nicht unwirksam. Nur befristete Arbeitsverträge bedürfen der Schriftform. Aber auch sie sind bei mündlichem Abschluss nicht unwirksam. Nur die Befristungsabrede gilt dann nicht.
Dennoch muss ein Arbeitsvertrag einige Grundvoraussetzungen erfüllen. Dazu zählen die Einigung über die Vertragspartner, also wer hier mit wem einen Vertrag schließt, sowie die vom Arbeitnehmer zu erbringende Art der Leistung. Fehlen andere Punkte wie etwa die Höhe des Gehalts oder die Anzahl der Urlaubstage, macht das im Prinzip nichts. Es gilt dann das, was der Gesetzgeber für die entsprechenden Punkte vorgesehenen hat.
Sie haben nun mit Ihrem neuen Arbeitgeber besprochen, zu welchen Zeiten Sie arbeiten wollen. Ihr Vertrag legt aber leider nur den Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit fest, nicht aber die Verteilung der Arbeitszeit innerhalb der Woche. Was nun? Sie könnten Ihren Arbeitgeber aufgrund der mündlichen Zusage festnageln und einen Anspruch auf die mündlich vereinbarte Arbeitsverteilung haben. Voraussetzung wäre allerdings, dass nach dem Arbeitsvertrag abweichende mündliche Vereinbarungen nicht ausgeschlossen sind. Die meisten Arbeitsverträge enthalten aber eine solche Schriftformklausel, vermutlich auch Ihrer.
Das Arbeitsrecht gibt bezüglich der Verteilung der Arbeitszeit kein bestimmtes Modell vor. Der Arbeitgeber kann daher aufgrund seines Direktionsrechts die Verteilung der Arbeitszeit einseitig bestimmen, allerdings nur nach "billigem Ermessen". Das bedeutet, dass er die Pflicht hat, auf die Interessen der Mitarbeiter Rücksicht zu nehmen. Im Rahmen der Abwägung muss also letztlich entschieden werden, wessen Gründe überwiegen. Hohes Gewicht haben dabei familiäre Aspekte wie die Notwendigkeit, minderjährige Kinder zu versorgen - zumal der Arbeitgeber Ihre Situation kennt.
Ich würde Ihnen daher zunächst raten, sich noch einmal mit Ihrem Chef zusammenzusetzen und ihn an die Absprachen zu erinnern. Nehmen Sie ihn ruhig moralisch in die Pflicht. Lassen Sie sich die getroffene Vereinbarung unbedingt schriftlich bestätigen. Hilft das nicht, können Sie Unterstützung beim Personalrat, der Gleichstellungsbeauftragten oder einem Anwalt suchen. Kommen Sie auch hier nicht weiter, müssten Sie die Weisung zur Festlegung Ihrer Arbeitszeit zwar nicht befolgen, wenn sie unbillig ist. Das Risiko tragen aber leider Sie.
Ina Reinsch ist Rechtsanwältin, Buchautorin und Referentin in München. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Arbeitsrecht.