Süddeutsche Zeitung

Karriere im Ausland:Heimweh und andere Beschwerden

Ich geh weg, du kommst mit - so war es früher, als Chefs männlich und ihre Gattinnnen Haus- frauen waren. Heute ist die Karriere im Ausland komplizierter.

B. Sommerhoff

Ich geh weg und du kommst mit - so war es früher. Zu Zeiten, als Führungskräfte nahezu ausschließlich männlich und ihre Gattinnnen vorzugsweise Hausfrauen waren, wurde nicht lange gefackelt: Wenn der Arbeitgeber die Chance bot, für ein paar Jahre ins Ausland zu gehen, kam die Familie mit. Selbstverständlich und ohne hörbares Murren. "Das läuft heute ganz anders", sagt Stephanie Fürsattel, bei der ThyssenKrupp Stainless AG für die Expatriates zuständig. "Heute haben Frauen ein eigenes Leben, eine eigene Karriere. Die warten nicht unbedingt darauf, mit Kind und Kegel auf einen anderen Erdteil umzuziehen."

Aber gerade das ist vielen Unternehmen wichtig: Dass die Familie mitgeht, wenn drei bis fünf Jahre USA, China oder Osteuropa bevorstehen. Um den Betroffenen die Entscheidung zu erleichtern, bieten Firmen deshalb aufwendige Vorbereitungs- und Betreuungsprogramme an. "Wenn der Partner den Wechsel nicht unterstützt", sagt Fürsattel, "wird der Expat auch nicht fröhlich sein."

Familie als stabile Stütze

Diese Erfahrung hat man auch bei der Deutschen Bank gemacht: Auslandsentsendungen verlaufen erfolgreicher, wenn die ganze Familie mitgeht. Deshalb richten sich die Kurse immer auch an den Partner. Während des Auslandseinsatzes übernimmt die Bank das Schulgeld für die mitgereisten Kinder. Und die Wohnung im Gastland wird ebenfalls bezahlt - auch wenn sie für eine fünfköpfige Familie größer und damit teurer ist als für einen Single. "Der Aufwand lohnt sich, denn die Familie ist eine stabile Stütze, die bei der Integration in eine fremde Kultur enorm hilft", sagt Joanna Tickner, zuständig für Europa in der Abteilung für internationale Personalangelegenheiten bei der Deutschen Bank.

Das funktioniert um so reibungsloser, je besser die ganze Familie weiß, auf was sie sich einlässt. Deshalb finanzieren Unternehmen ihren Mitarbeitern und dem Partner auch mehrtägige Reisen ins Gastland. Gelegenheit, sich im Vorfeld am künftigen Wohnort umzuschauen, die Kollegen und deren Familien kennenzulernen und sich Schulen für die Kinder anzusehen.

Neuer, unbekannter Alltag

"Diese look-and-see-trips sind vor allem wichtig, um dem Mitarbeiter und seiner Familie Sicherheit für den erfolgreichen Start in einen neuen, noch unbekannten Alltag zu geben", sagt Reinhold Peters vom Essener Industriekonzern Evonik. "Auch wenn die Familien das Land schon aus dem Urlaub kennen - der Alltag dort ist oft ganz anders."

Das Unternehmen bietet seinen künftigen Expatriates neben den obligatorischen Kursen für Sprache und Kultur des Gastlandes auch einen Gesundheitscheck an. Jedes Familienmitglied erhält eine Emergency Card mit einer speziellen Notrufnummer, über die sämtliche medizinischen Daten im Falle einer akuten Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland abrufbar sind. Ein externer Dienstleister verwaltet diese Daten und kann bei ernsthaften Erkrankungen oder Unfällen auch Informationen zu Spezialkliniken in der Nähe geben. Der Check wird alle zwei Jahre wiederholt.

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Hotline für den Partner

Ebenso wichtig wie die medizinische Betreuung ist die psychologische Unterstützung. "Die psychosoziale Belastung des Lebens in einer fremden Kultur sollte man nicht unterschätzen", sagt Peters. Wenn Hilfe benötigt wird, können Mitarbeiter und Partner eine Hotline nutzen. "Die Beratung erfolgt absolut anonym." Das sei zwar eine Selbstverständlichkeit, aber man müsse das doch immer wieder betonen, damit das Angebot im Fall des Falles auch angenommen wird.

Auch ThyssenKrupp weiß aus jahrzehntelanger Erfahrung mit Expatriates, dass man mehr als das Standardprogramm bieten muss, um Mitarbeiter zu einem Auslandsaufenthalt zu motivieren. Und dieses Mehr bezieht sich auch auf die begleitenden Partner. Zwei Drittel von ihnen sind heutzutage selbst berufstätig, so Fürsattel. Die meisten versuchen, auch im Gastland einen Job zu finden. Die Firma hilft mit entsprechenden Personaldienstleistern vor Ort. Klappt das nicht oder will der begleitende Partner im Ausland nicht arbeiten, kann er die Zeit für seine berufliche Weiterqualifikation nutzen. "Dafür stellen wir ein Budget zur Verfügung," sagt Fürsattel.

Sprachkurse und landeskundliche Vorbereitung, medizinische Betreuung sowie Schul- und Wohngeld: Aufwand und Kosten für die Entsendung einer ganzen Familie sind erheblich. Und lohnend, wie alle befragten Firmen versichern. "Eine Entsendung ist so ziemlich die teuerste Variante, die ein Unternehmen wählen kann, um eine Stelle im Ausland zu besetzen", sagt Rembert Horstmann vom Logistikunternehmen Fiege mit Sitz in Greven. Deshalb sei man gut beraten, alle Beteiligten sehr gut vorzubereiten.

Traditionelles Weihnachtsessen

Der Mittelständler Fiege entsendet Führungskräfte aus dem Top-Management nach China, Ost- und Westeuropa. Dort übernehmen sie für maximal fünf Jahre leitende Funktionen. "Unsere jungen Nachwuchsführungskräfte gehen im allgemeinen nur für zweijährige Projektleitungen raus", sagt Horstmann. So lange, bis ihr Projekt von lokalen Kräften übernommen werden kann.

Wichtig ist, dass die Mitarbeiter während ihres Auslandsaufenthalts den Kontakt zum Stammhaus und zu ihren Kollegen nicht verlieren. Großunternehmen legen hierfür standardisierte Programme auf. "Bei uns läuft das quasi automatisch und nebenher", erklärt Horstmann. Die beiden Brüder, die das Unternehmen gemeinsam leiten, telefonieren regelmäßig mit den Führungskräften an allen Standorten. Und zum traditionellen Weihnachtsessen, zu dem jedes Jahr einer der beiden Brüder in sein Haus einlädt, kommen sie aus aller Welt zusammen. "Wie das so ist in einem Familienbetrieb", sagt Horstmann, "die enge Anbindung zum Mutterhaus ist da immer gegeben."

Seminare für Rückkehrer

Mehr Nachholbedarf gibt es in Unternehmen bei den Rückkehrer-Programmen. Dabei können Expatriates und ihre Familien durchaus Hilfe gebrauchen, um sich im Heimatland wieder heimisch zu fühlen. "Viele denken, dass die Rückkehrer nach Hause kommen. Da wissen sie doch, wie das Leben so geht", sagt Reinhold Peters von Evonik. Aber das sei ein großer Irrtum. Wer fünf Jahre draußen war, merke schnell, dass er nicht mehr automatisch dazu gehört.

Zumal die meisten Unternehmen zwar eine generelle Rückkehrgarantie geben, aber nicht unbedingt auf dieselbe Position im Unternehmen und an denselben Standort. Für die Familie heißt das dann, eine neue Umgebung zu erkunden, erneut Wurzeln zu schlagen, für den Partner einen Job suchen und für die Kinder die passende Schule. Evonik bietet den Rückkehrern mit entsprechenden Seminaren auch hierfür Unterstützung an. Sprachkurse sind dann zwar nicht nötig, aber wenn Sohn oder Tochter nach fünf Jahren im südchinesischen Naning im Deutschunterricht schwächeln sollten, finanziert die Firma Nachhilfestunden.

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SZ vom 23.8.2008/bön
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