Karriere:"Die Turnschuhgeneration betrügt sich selbst um Komplimente"

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Die beste Kleidung kann nicht darüber hinwegtäuschen, ob jemand in seinem Job etwas zu sagen hat - aber sie verschafft dem Träger Aufmerksamkeit und Gehör.

(Foto: imago/Ikon Images; Bearbeitung SZ)

Der Dresscode führt in vielen Firmen zur Uniformierung. Stilberaterin Katharina Starlay plädiert dafür, an die Grenzen des Erlaubten zu gehen - aber nur in guten Schuhen.

Interview von Larissa Holzki

Graue Anzüge, schwarze Kostüme, Krawatten in der Firmenfarbe: In vielen Unternehmen sehen alle Mitarbeiter ziemlich gleich aus. Dabei ist die Kleiderordnung in Deutschland in den vergangen Jahren lockerer geworden. Katharina Starlay sieht darin eine Chance: Wer die Freiheiten ausnutzt, fühlt sich bei der Arbeit wohler und kann sich strategisch die Karriereleiter hochkleiden, sagt die studierte Modedesignerin. Starlay hat als Führungskraft im Mode- und Kosmetikeinzelhandel gearbeitet, war als Personalberaterin tätig und berät heute Firmen und Berufstätige in ihrer Kleiderwahl. Zuletzt hat sie ein Buch mit dem Titel "Stilgeheimnisse" geschrieben.

SZ.de: Frau Starlay, kann ich mich strategisch nach oben dressen?

Katharina Starlay: Ja! Kleidung im Beruf ist ein Rollenspiel. Man sollte sich nicht für den Job kleiden, den man hat, sondern für den, den man haben möchte. Damit kann ich dem Chef subtil zeigen, ich tauge für die nächste Rolle. Es gibt aber kein bestimmtes Kleidungsstück, das die Beförderung garantiert. Da muss man Fingerspitzengefühl entwickeln.

Mit extravaganter Kleidung kann ich aber auch bei Kollegen und Vorgesetzten anecken. Darf ich schicker sein als mein Chef?

Manche Menschen, die noch die Karriereleiter hinauf möchten, bleiben lieber unauffällig. Vor allem, wenn der Chef nicht viel Wert auf Kleidung legt. Ich nenne das Downdressing. Wenn Sie sich hübscher kleiden wollen, empfehle ich, zum Beispiel bei einem Kaffee mit dem Chef in der Kantine einmal beiläufig anzusprechen, dass Sie sich für Stil und Kleidung interessieren und ob etwas dagegen spricht, sich im Büro etwas schicker zu machen.

Es gibt Menschen, die tragen eine Brille, weil sie meinen, das sehe schlauer aus. Was halten Sie davon?

Gerade sehr junge Frauen in Führungs- und Verantwortungspositionen können davon profitieren, weil die Brille einen Hauch Strenge verleiht. Aber ich würde sie subtil einsetzen. Am Markt wird oft empfohlen, eine Brille konträr zur Gesichtsform zu wählen. Dadurch wird sie sehr prominent. Wenn die Form dagegen mit dem Gesicht harmoniert, sieht man zuerst die Augen und dann die Brille.

Über die Brille können die meisten Arbeitnehmer selbst entscheiden. Aber was die Klamotten angeht, müssen sich viele nach dem Dresscode ihrer Branche richten. Ist der mausgraue Manageranzug nicht alternativlos?

Der Dresscode gibt nur vor, welche Kleidungsstandards im geschäftlichen Umfeld erwünscht sind, wie formell oder festlich man sich anziehen sollte. Sagen wir, der Dresscode lautet ganz einfach Business-Anzug: Ein zweiteiliges Kleidungsstück, bei dem Ober- und Unterteil aus dem gleichen Stoff sind. Mit der Wahl von Schnitt, Muster, Farbe, Stoff und Schuhen lässt sich aber ganz viel variieren. Ich rate jedem: Füllen Sie den Dresscode mit Individualität. Denn Unternehmen kaufen heute auch die Persönlichkeit mit ein.

Heißt das, ich kann nicht mehr einfach von der Stange kaufen, sondern muss dem Verkäufer im Beratungsgespräch meine Lebensgeschichte erzählen, wenn ich das Einmaleins der Schnitte und Stoffe selbst nicht beherrsche?

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen den natürlichen Stiltypen sportlich und casual, das heißt so viel wie locker und zwanglos, und den aufwändigeren Stiltypen klassisch und avantgardistisch. Avantgardisten sind immer auffällig und ungewöhnlich gestylt und gekleidet. Wenn man sich zu einem dieser Typen zugeordnet hat, ist schon viel erreicht. Der klassische Typ trägt den Business-Anzug sehr gut sitzend in einem nicht betont modischen, aber zeitgemäßen Schnitt. Er legt Wert auf sehr gute Schuhe und wählt zu besonderen Anlässen Hemden mit Umschlagmanschetten und Manschettenknöpfen. Der Avantgardemensch bevorzugt meist die schlankere Beinform, dazu einen modischeren Schuh und vielleicht eine Weste dazu. Statt Krawatte trägt er eventuell ein sorgfältig gebundenes Tuch und/oder ein Einstecktuch. Der legere Typ achtet auf Bewegungsfreiheit. Er nimmt den Anzug eine halbe Nummer größer oder mit etwas Elastan und entscheidet sich vielleicht für eine hellere Farbe. Der sportliche Typ sucht Struktur. Die gibt zum Beispiel ein Anzug aus Bouclégarn (Anm. d. Red.: ungleichmäßiges Garn mit Knoten und Schlingen) oder Karo. Statt dem klassisch weißen Hemd trägt er gern ein farbiges.

Schnelle Tricks für Shoppingmuffel

Mit einem froschgrünen Hemd kann sich der Kollege aber auch schnell die Protagonistenrolle im Flurklatsch sichern. Gibt es eine Farbpalette für den Erfolg im Job?

Jeder Mensch hat seine individuell passenden Farben. Da lohnt sich eine professionelle Beratung. Unabhängig davon haben die Grundfarben bestimmte Aussagen, die man kennen sollte. Rot steht für Dynamik aber auch Aggression. Das eignet sich aus meiner Sicht gut, wenn ich als Frau vor großem Publikum eine flammende Rede halte, aber nicht in einem kritischen Vier-Augen-Gespräch mit einem Mitarbeiter. Da kann es ein sanfterer Ton sein, gerade in kleineren Räumen: Braun steht zum Beispiel für Wärme und Entspannung. Blau für Leistungswillen und Leistungsverhalten.

Eine Farbberatung machen, den Kleiderschrank ausmisten, shoppen gehen: Das klingt teuer und nach abgelatschten Hacken. Gibt es auch etwas, das ganz schnell viel bringt?

Schuhe zaubern sofort eine andere Wirkung. Für Männer lohnt sich die Investition in gute rahmengenähte Schuhe, die geben dem Fuß einen besseren Halt und sorgen automatisch für eine aufrechtere, professionelle Haltung. Die Turnschuhgeneration betrügt sich selbst um Komplimente. Frauen unterschätzen meistens, wie viel die Ausstrahlung einer Körpersilhouette mit der Bewegung zu tun hat. Mal ganz ehrlich: In Ballerinas und Ugg Boots hat keine Frau einen schönen Gang. Die Absätze sollten maximal so hoch sein, dass sie noch gut darin gehen kann, der Fuß abrollt und sich nicht wacklig fühlt. Das ist auch eine Frage der Absatzbreite. Vor allem bei Vorträgen ist Bodenhaftung wichtig.

Stichwort Frauen. Die stehen vor dem Spiegel immer auch mit der Gewissensfrage, wie viel Weiblichkeit es im Büro sein darf. Was empfehlen Sie: Rock oder Hose?

Das kommt darauf an, wie eine Frau sich im Rock bewegen kann. Vor allem in einem bleistiftschmalen Rock muss sie sehr gut laufen können. Grundsätzlich plädiere ich für feminine Kleidung. Die Wirtschaft hat erkannt, dass sie männliche und weibliche Elemente braucht. Man darf feminin aber nicht mit sexy verwechseln. Entweder zeigt man im Büro Beine oder ein bisschen Dekolleté, aber nie beides. Das Wichtigste ist, dass man sich in seiner Kleidung so wohlfühlt, dass man sie vergessen kann. Viele Frauen sind ständig dabei, an sich rumzuzuppeln.

Dahinter steckt oft die Angst, dass der Rock verrutscht ist oder der BH hervorlugt. Aber auch in neuer Kleidung fühlt man sich oft noch nicht sicher und hat das Gefühl, alle schauen einen kritisch an. Wie gelingt der Stilwechsel ohne Peinlichkeiten?

Am Rumprobieren kommt man nicht vorbei. Ich würde einen Fotoapparat zur Hilfe nehmen: Wenn man sich in verschiedenen Looks und Outfits fotografiert, kann man die Bilder in Ruhe auf sich wirken lassen und die Betrachterperspektive einnehmen. Ich habe alle meine Berufsoutfits angezogen, fotografiert und in eine Bildergalerie sortiert. Die klicke ich jedes Mal durch, bevor ich einen Vortrag halte und entscheide dann, wie ich mein Publikum erreichen will. Wenn Sie Beratung suchen, fragen sie lieber Bekannte verschiedener Altersgruppen als den Partner oder die Mutter.

Wie viel kann die Kleidung tatsächlich zum Erfolg im Beruf beitragen?

Kleidung ist Kommunikation: Damit kann ich zeigen, worum es mir geht und wie wichtig ich ein Meeting nehme. Gleichzeitig kann ich damit aussagen: Ich nehme auch mich selbst wichtig. Das verleiht Stärke und kann somit Erfolg maßgeblich beeinflussen. Wenn man vor lauter Karriere vergisst, sich um sich selbst zu kümmern, hilft auch der schönste Anzug nichts. Kleidung trägt außerdem zum ersten Eindruck bei. Der kann zwar nicht darüber hinwegtäuschen, ob ich im Beruf etwas zu sagen habe, aber er sorgt erst mal dafür, dass der Andere mir zuhört.

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