Gerade Schwäbisch wirke auf Auswärtige eher abweisend als kommunikativ. Das liegt an den verschluckten R-Lauten und daran, dass viele "Bruddler" beim Sprechen den Mund kaum aufkriegen. "Die Stimme wird eng und fällt schon vor der ersten Zuschauerreihe nach unten", sagt Schauspieler Michael Gaedt. Bei ihren Sprechübungen sollen die Schüler ab und zu den Daumen in den Mund stecken, um sich an die Artikulation mit weiter geöffnetem Kiefer zu gewöhnen. Die hochdeutsche Aussprache verändert auf Anhieb auch den Klang der Stimme, die voller und runder wird.
Besonders vertrackt für Schwaben sind die S- und die E-Laute. Gaedt und das Ehepaar Schenk lassen sich am Flipchart erklären, dass ein gedrucktes "e" hochdeutsch auf vier verschiedene Arten ausgesprochen werden kann. "Es streben der Seele Gebete den helfenden Engeln entgegen", lautet ein beliebter Übungssatz aus dem Standardwerk der Sprecherziehung "Der kleine Hey". Streben - nicht sträben!
Eigentlich seien die Hochdeutsch-Regeln sehr einfach, meint Ariane Willikonsky. Nur deshalb könne man sie auch problemlos in einem eintägigen Seminar vermitteln. Ein Dialekt sei unvergleichlich viel schwerer zu lernen. Mal ganz abgesehen davon, dass es schon für die beiden Wörter "ein Ei" in den diversen Spielarten des Schwäbischen vier bis fünf verschiedene Aussprachevarianten gibt. Kein Wunder, dass viele Dialoge im Stuttgarter "Tatort" für echte Dialektsprecher "reinschter Bogmischt" sind.
"Das ungeheure Interesse daran hat mich völlig überrollt"
Übrigens wollen nicht nur Schwaben Hochdeutsch lernen. Ariane Willikonsky unterrichtet auch Sachsen, Bayern, Franken oder Hessen, oft per Skype. "Als ich mich vor mehr als zehn Jahren selbständig machte, bot ich alles an, was ich konnte", sagt die Schwäbin aus Hechingen - Logopädie, Stimmtraining, Sprechkunst. Und eben Hochdeutsch.
"Das ungeheure Interesse daran hat mich völlig überrollt." Willikonskys Gründungsidee fand einige Nachahmer, auch in Köln, Königswinter oder Hamburg gibt es heute Seminare für Dialektsprecher. Das Fon-Institut hat inzwischen vier Filialen und etwa 50 Mitarbeiter, von denen zwei ausschließlich Hochdeutsch unterrichten.
Alle paar Monate werden Gruppenseminare für Schwaben oder Sachsen angeboten, die aber nicht immer zustande kommen. Die meisten Kunden bevorzugen Einzelunterricht, sie wollen ihre Sprechweise nicht vor anderen Teilnehmern analysieren lassen. "Dabei kann man gerade aus den Fehlern der anderen sehr viel lernen. Aber das ist eben ein heikles Thema", sagt Willikonsky.
Die große Wanduhr zeigt "dreiviertel viere", wie es auf Schwäbisch heißt, die Stunde ist aus. Höggschte Zeit z'ganga, ade!