Den Wunsch, beruflich etwas mit Reisen zu machen, hatte ich schon als Kind, wahrscheinlich aufgrund meiner Heimat Helgoland. Dort muss man selbst für Facharztbesuche aufs Festland. Später, als Reiseleiterin mit 19, hatte ich mir das allerdings anders vorgestellt. Mehr Spaß, weniger hartes Geschäft. Rückblickend habe ich vom Ballermann aber viel mitgenommen, was ich in einem Studium vielleicht so nicht gelernt hätte: Menschenkenntnis und diplomatisches Kommunizieren zum Beispiel. Das ist wichtig, wenn man in anderen Kulturkreisen arbeitet.
Öger Tours war beispielsweise ein Familienunternehmen, das die Tochter Nina und ich, zwei relativ junge Frauen, nach einiger Zeit operativ führen durften. Und in der Türkei sind die Menschen nicht so direkt wie hier. Da braucht es auch mal mehrere Schleifen, um ans Ziel zu kommen.
Wie schon beim Verkauf von Fischer Reisen 1995 an Condor, habe ich auch bei der Übernahme von Öger Tours durch Thomas Cook die Rolle der Vermittlerin eingenommen. Das war nicht strategisch geplant, vielmehr hat sich eins zum anderen gefügt. Ebenso, als mitten in den Verhandlungen das Angebot für die Geschäftsführung des Luxusreiseanbieters Windrose kam. Da habe ich nach Bauchgefühl entschieden. Von 120 Mitarbeitern und einer knappen Milliarde Umsatz bin ich in ein kleines Reiseunternehmen mit 40 Leuten und knapp 30 Millionen Euro Umsatz gewechselt - aber als allein verantwortliche Geschäftsführerin. Das hat mich gereizt.
Meine erste Antwort auf die Anfrage von TUI Cruises 2014 war: "Spannend, aber von Schiffen habe ich keine Ahnung." Die Personalberaterin lachte und meinte, das sei eine typisch weibliche Aussage. Männer hätten das nicht in den Vordergrund gestellt. Das Schiffs-Know-how ist aber auch nicht das, worauf es ankommt, sondern die Management-Skills. Zweifel sind völlig normal, aber man muss seine Schwächen und Stärken einzuschätzen lernen. Also habe ich zugesagt - dabei war ich als Kind sogar seekrank.
Anfangs hatte ich durchaus die klassischen Vorurteile gegenüber Kreuzfahrten: viele Menschen auf engem Raum. Aber die Faszination Meer und die Schiffsneubauten fand ich spannend. Heute gehören Werftbesuche zu meinem Alltag. Durch die moderne Gestaltung neuer Schiffe können wir immer mehr von dem alten, vom Traumschiff geprägten Bild abrücken. Dabei helfen auch Themenreisen wie die Full Metal Cruise und, ganz wichtig, umfassende Sportangebote an Bord. Einer der Vorbehalte ist immer noch, man nähme auf Kreuzfahrten zu. Dabei ist nirgendwo ein Fitnessstudio so nah.
'Das sind aber ganz schön große Schuhe', hieß es kurz nach meinem Antritt mal. Meine Antwort war: 'Nicht die Schuhe sind groß, sondern die Schiffe.' Ich habe zwei Ohren: in eins rein, aus dem anderen wieder raus, und konzentriere mich auf die Umsetzung. 2019 wird unsere Flotte sechs Schiffe umfassen, seit 2014 jedes Jahr ein neues. Und wenn's nach mir ginge, würde ich gern noch ein paar mehr bauen.