Karriere an der Uni:"Wenn das den Damen nicht zu abstrakt ist"

Frauen studieren schneller und machen die besseren Abschlüsse. Trotzdem gehört die Uni den Männern - dank vorauseilender weiblicher Zurückhaltung.

Meredith Haaf

Wer in den Siebzigern über Geschlechterdiskriminierung in der Bundesrepublik reden wollte, musste auf die "katholische Arbeitertochter vom Land" zu sprechen kommen. Von allen Bildungsbenachteiligten war sie diejenige, die am schlechtesten gestellt war. Wollte sie aufs Gymnasium, bekam sie von den Eltern zu hören: "Du heiratest ja eh."

Karriere an der Uni: Barbie - süß und rosa: Studentinnen der Geisteswissenschaften erfahren Sexismus eher als intellektuell verbrämte Nachlässigkeit.

Barbie - süß und rosa: Studentinnen der Geisteswissenschaften erfahren Sexismus eher als intellektuell verbrämte Nachlässigkeit.

(Foto: Foto: ap)

Dass die Zahl der Professorinnen an den deutschen Hochschulen bis in die neunziger Jahre verschwindend gering blieb, ließ sich lange Zeit mit dem historischen Vorsprung der Männer erklären. Bis vor ein paar Jahren wurden aus Schülerinnen wirklich seltener Studentinnen und aus Absolventinnen erst recht seltener promovierte Forscherinnen. Dann kamen Gleichstellungsbeauftragte und Frauenförderung in die Bildungsinstitutionen.

Frauen machen bessere Abschlüsse

Und heute gilt das Vorurteil, Bildung lohne sich für Frauen nicht, in den meisten Kreisen als überholt: Katholische Mädchen vom Land gehen selbstverständlich aufs Gymnasium, wenn sie die entsprechenden Noten haben. Dann studieren sie in Münster, Bamberg oder München Geschichte auf Lehramt, Romanistik oder auch Physik. Mehr als 50 Prozent der Hochschulabsolventinnen sind weiblich. Frauen machen nicht nur bessere Abschlüsse als Männer, sondern diese meist auch früher.

Man könnte also meinen, dass den Studentinnen heute die Uni gehört, wenigstens zur Hälfte. Tatsächlich sind aber laut Statistischem Bundesamt nur 16 Prozent aller Professuren von Frauen besetzt, und nur zehn Prozent der C4-Professorinnen sind Frauen. Der akademische Mittelbau - der sich hauptsächlich aus unterbezahlten, prekären Ausbeutungsstellen zusammensetzt - wird zwar zu mehr als einem Drittel von Frauen gestellt. Trotzdem sind gerade mal ein Viertel aller Habilitationen von Frauen.

Woran das liegt, ist oft beschrieben worden. Die deutsche Universität ist eine familienfeindliche Institution. Und Forscherkarrieren werden zwischen Ende zwanzig und Ende vierzig gemacht, also in der Zeit, in der Frauen Kinder bekommen.

Meinungsführer, Streithähne und Rechthaber

Doch sind Frauen auf eine merkwürdige Art auch dort unterpräsent, wo sie zahlenmäßig kein Problem haben. In geisteswissenschaftlichen Seminaren kann man immer wieder dieselbe Dynamik beobachten. Das Sprechverhalten läuft oft genug entlang der Geschlechtergrenze: Hier die männlichen Meinungsführer, Streithähne und Rechthaber, dort die lange Reihe der schweigenden Mädchen, die den Text zwar bunt angemarkert, aber trotzdem nichts über ihn zu sagen haben.

Vor allem in Seminaren mit nachgiebigen Dozenten gibt es immer mindestens einen Typen, der es schafft, den Diskussionsverlauf seinem verbalen Beharrungsvermögen und seinen steilen Thesen unterzuordnen. Dass dieser Alpha-Nerd weiblich ist, bildet eher die Ausnahme und wird dann auch zumeist mit gebührendem Erstaunen wahrgenommen. Die vorauseilende weibliche Zurückhaltung tritt sogar in Fächern wie Romanistik zu Tage, wo man sich bisweilen fragt, ob Männer hier überhaupt zugelassen sind, so selten sind sie.

Auf der nächsten Seite: Warum Professoren auf Studentinnen im naturwissenschaftlich-technischen Bereich immer noch mit einem Gestus reagieren, der allenfalls einem von Elektrotechnik sprechenden Pferd angemessen wäre.

Ein von Elektrotechnik sprechendes Pferd

Geschlechterkampf im Graben

Anerkannt ist dieses Gefälle eigentlich nur im naturwissenschaftlich-technischen Bereich. Macht hier eine Studentin den Mund auf, reagieren Professoren und Kommilitonen darauf immer noch oft mit einem Gestus, der allenfalls einem von Elektrotechnik sprechenden Pferd angemessen wäre.

Jede Maschinenbauerin oder Bauingenieurin hat mindestens eine Anekdote von dem Dozenten zu erzählen, der die anwesenden Hörerinnen mit grienenden Sprüchen à la: "Wenn das jetzt für die Damen nicht zu abstrakt ist" gesondert würdigte. Obwohl Studentinnen in den Ingenieurswissenschaften eher selten ein ausgeprägtes Genderbewusstsein kultivieren, sind es doch sie, die den Geschlechterkampf im Graben führen.

Intellektuelle Bescheidenheit

Studentinnen der Geisteswissenschaften erfahren Sexismus eher als intellektuell verbrämte Nachlässigkeit. Ein Professor machte neulich den Witz von Frauen und anderen Minderheiten, er machte ihn direkt in ein Seminar hinein, das ziemlich genau zu 50 Prozent von Frauen besucht wird. Das ist jetzt alles nicht so richtig schlimm - aber so richtig ideal ist es auch nicht.

Zwei Zitate aus einem Hauptseminar, das ich besucht habe. Studentin: "Also, ich merke schon, dass ich teilweise Probleme habe mitzuhalten." Student: "Man muss sich auch einfach mal trauen, Schrott zu reden. Ist doch egal, ob das stimmt. Hauptsache, es kommt etwas in Gang." Es spricht natürlich auch einiges dafür, sich nicht in Diskussionen einzubringen, wenn man keine fundierte Meinung hat und keinen Wert auf Profilierung legt. Andererseits funktioniert das Prinzip "Karriere machen" aber genau dadurch. Vornehme Zurückhaltung in einem Spiel, in dem es darum geht, sich durchzusetzen, zählt genauso viel wie mangelnde Kompetenz. Und intellektuelle Bescheidenheit ist als Tugend gar nicht mal so unanfechtbar.

Doch genau in die flüchten sich immer noch viele Frauen. Das drückt sich dann in beharrlicher Schweigsamkeit aus oder in dem Hang, "Ich bin mir nicht sicher, aber..." an den Anfang jeder Wortmeldung zu stellen. Und setzt den Trend für die spätere Karriere. Schließlich dient die Universität auch dazu, seine Fähigkeiten im Umgang mit anderen zu schulen.

Natürlich hängt das auch mit einem Mangel an Vorbildern zusammen. Professorinnen sind ohnehin selten, und inspirierende Lehrerinnen gibt es unter Frauen auch nicht öfter als unter Männern. Einen Professor kann man sich als Studentin vielleicht als intellektuelles Vorbild oder als Mentor nehmen, doch wenn es um Fragen der Karriere- und Lebensplanung geht, kann sich eine Frau nicht an einem Mann orientieren, solange sie Kinder bekommen will. Da verweigern sich die Rahmenbedingungen.

Es ist diffizil geworden. Die katholische Arbeitertochter kann den besten Zugang zu Bildung bekommen. Wenn sie sich dauernd selbst im Weg steht, verliert sie am Ende trotzdem.

Meredith Haaf, 26, studiert Geschichte und Philosophie in München. Sie ist Mitautorin des Bestsellers "Wir Alphamädchen. Warum Feminismus das Leben schöner macht". Das Buch ist 2008 bei Hoffmann & Campe erschienen.

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