An einem Donnerstag im Juni steigt Martin Zielinski in der Nähe von Augsburg in einen Eurofighter und fliegt ans Meer. Es ist kein simulierter Luftkampf wie sonst, hoch oben im Luftraum zwischen München und Stuttgart, der sich für einen Kampfpiloten ungefähr so groß anfühlt wie ein Schuhkarton für einen Hamster. Es ist nur eine Flugzeugüberführung. Busfahren, nennen das manche Kampfpiloten abfällig, weil sie die zivile Fliegerei mit Autopilot sterbenslangweilig finden.
Zielinski ist in der Luft ein Multitasker. Ein Klavierspieler. Er legt sich bei jedem Flug mit dem Jet einmal aufs Dach. So viel Pose muss sein, auch wenn sie Tausende Fuß über dem Boden kein Mensch sehen kann. "Dieses Gefühl von Freiheit ist unbeschreiblich", sagt Zielinski, als er auf dem Fliegerhorst Lechfeld vor dem Hangar aus dem Eurofighter steigt, den Rausch der Geschwindigkeit noch im Gesicht.
Kampfpiloten, das waren einmal Nachfahren des Ikarus - mit den Flügeln ihrer Maschinen meist der Erde zu nah. Jagdflieger, die in den Weltkriegen, in Korea oder Vietnam überlebten, wurden zur Legende - Zielinski kennt sie alle. Selbst als die Starfighter 1965 und 1966 zu Dutzenden vom Himmel fielen und die alte Bundesrepublik fassungslos mitzählte, lebte die Legende weiter.
Zielinski fliegt gemütlich ans Meer, knapp unter Überschallgeschwindigkeit
Mehr als hundert junge deutsche Soldaten starben bis in die Achtzigerjahre in dem unausgereiften Kampfjet, den der Volksmund "Witwenmacher" taufte, US-Piloten nannten ihn: "Der schöne Tod". Sie stiegen trotzdem weiter ein. Der Blockbuster "Top Gun" machte Kampfpiloten dann endgültig zu Popstars. Tom Cruise spielte damals - von Millionen bewundert - den übermütigen "Maverick". Die Werte, die er verkörperte, sind 30 Jahre später auch die von Martin Zielinski: Ehrgeiz, Disziplin, Kameradschaft.
Kampfpilot, das ist auch heute noch ein Traumberuf. Im vergangenen Jahr bewarben sich 1424 Menschen für den fliegerischen Dienst bei der Luftwaffe. Einer von hundert schafft es ins Cockpit, das ist die Faustregel. Es ist immer noch der schnellste Job, den Deutschland zu vergeben hat. Doch wer Martin Zielinski trifft, seinen kontrolliert vorgetragenen Schilderungen lauscht, der hat das Gefühl, dass vieles anders geworden ist seit "Top Gun".
Es ist ein milchig kühler Junitag, und Zielinski hat sich bei der Überführung des Eurofighters Zeit lassen können. Er ist die 640 Kilometer ans Meer gemütlich geflogen, knapp unter Überschallgeschwindigkeit, wie er sagt. Nach 50 Minuten ist er dann auf dem Fliegerhorst im ostfriesischen Wittmund gelandet. Hier packt Martin Zielinski den Pilotenhelm mit dem Visierschutz aus Tigerfellimitat in seine Fliegertasche und fährt wieder nach Hause. Regionalbahn bis Oldenburg, dort umsteigen in den ICE - ein Elitesoldat, abgebremst auf das Tempo eines Normalsterblichen.
Hatte er mehr erwartet? Das würde er nie sagen. Ein Elitepilot und Repräsentant der Bundeswehr jammert nicht, schon gar nicht im Interview. Er reiht geduldig Fakten aneinander, so sachlich und geordnet wie die Armatur in einem Cockpit, und doch ergibt sich am Ende eine Karriere, deren Treibstoff der Traum vom Fliegen war.