Kampf um Talente:Wenn sich Arbeitgeber wie Waschmittel anpreisen

Sie versprechen "Karriere mit Zukunft" und nennen Mitarbeiter ihr "wertvollstes Kapital": Im Wettbewerb um Nachwuchstalente setzen Konzerne auf flotte Slogans ohne Inhalte. Experten halten das für völlig verfehlt - und empfehlen etwas anderes.

Christine Demmer

Eine weiße Bank auf grünem Rasen. Ein Foto mit Symbolkraft, anzuschauen auf der Karriereseite von McKinsey. Die Interpretation steht direkt darüber: "Irgendwann erzählt jeder von der besten Zeit im Leben."

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"Karriere mit Zukunft", "Ihre Zukunft beginnt jetzt", "Sie sind unser wertvollstes Kapital": Bei der Anwerbung neuer Mitarbeiter setzen immer mehr Firmen auf hohle Sprüche anstelle von realistischen Informationen.

(Foto: dpa)

Doch irgendwie passt sie nicht zu dem Bild, das man sich von den jungen Consultants der bekanntesten Unternehmensberatung der Welt macht. Düsen die nicht ständig in der Welt herum und legen das Smartphone allenfalls zum Duschen ab? Entwickeln die etwa ihre Strategiekonzepte an sonnigen Nachmittagen in büronahen Parkanlagen?

Für den Personalberater Martin Claßen aus Freiburg sind Claim und Foto ein wunderbares Beispiel für verfehlte Personalwerbung. "Man soll es wohl so verstehen: Wenn ich achtzig Jahre alt bin, dann denke ich mit Freude an meine Zeit bei McKinsey zurück", sagt er.

"Das soll den Handlungsimpuls auslösen: Ich muss heute zu McKinsey gehen, um später einmal eine schöne Erinnerung zu haben." Claßen schüttelt den Kopf und murmelt etwas von kognitiver Dissonanz. "Welcher Mittzwanziger denkt bei seiner Berufsentscheidung schon an seinen Lebensrückblick als Oma oder Opa?"

Überall buhlen Firmen mit personalwerblichen Slogans um die begehrten Nachwuchskräfte. Doch die wenigsten Absolventen schätzen die durchsichtigen Schmeicheleien. Der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim textet: "Unsere Mitarbeiter sind unser wertvollstes Kapital".

Wettkampf um die Bewerber

Der Autobauer BMW verkündet: "Alle reden von der Zukunft. Sie entwickeln sie mit." Der Otto-Versand: "Karriere machen. Zeichen setzen." Und der Softwarehersteller SAP: "Ihre Zukunft beginnt jetzt."

Gleich fünf Arbeitgeber finden den Claim "Karriere mit Zukunft" derart charakteristisch für ihr Unternehmen, dass sie damit um Nachwuchs werben: die Bundeswehr, die Targobank, der Werkzeughersteller Leitz, das Softwarehaus Connectiv und die Generali-Versicherungsgruppe in Österreich.

Warum klopfen Personaler solche Sprüche? Und sogar mit wachsender Begeisterung, seit das Employer Branding zu einer neuen Wettkampfdisziplin auf dem Bewerbermarkt herangereift ist?

"Wir sind bei den Gesetzen der Werbung angekommen. Im Marketing ist der Einsatz von Slogans normal", sagt Wolf-Reiner Kriegler von der Deutschen Employer Branding Agentur in Berlin. "Beim Imageaufbau der Arbeitgeber ist die Kommunikation das einzige Instrument, das sie nutzen können. In der Produktwerbung macht man das längst."

"Begeistern Sie bald unsere Kunden?"

Mit einem starken Spruch herauszukommen, sei prinzipiell gut, meint Kriegler. Nur müsse auch etwas dahinter stecken - am besten die Wahrheit. "Das Werbeversprechen darf nicht zusammenbrechen", warnt er. "Viele Arbeitgeber posaunen leere Sprüche heraus, anstatt darauf zu achten, ihre Arbeitgebermarke konsistent zu positionieren."

Kriegler fordert die Übereinstimmung von Soll und Ist. "Unternehmen versuchen alles, um attraktiv zu wirken, als seien sie ein Waschmittel. Dabei vergessen sie völlig, dass man auch mit Ecke und Kante Wirkung erreicht."

Für Waschmittel denkt sich Johanna Füllgraf, Leiterin der Wiesbadener Agentur Advalue Media, keine Werbebotschaften aus. Ihre Auftraggeber sind Unternehmen, sie arbeiten in den Recruiting-Abteilungen oder im Hochschulmarketing und wollen möglichst viele qualifizierte und motivierte Mitarbeiter zur Bewerbung ermutigen.

Füllgraf sortiert ihre Kunden in vier Schubladen und gibt offen zu, dass sie am liebsten für die oberste arbeitet. "Es gibt vier Arbeitgebertypen", sagt sie. "Erstens: Wir kommunizieren ehrlich nach außen, wie wir sind. Zweitens: Wir sind gut aufgestellt, aber niemand weiß es. Drittens: Wir klappern laut, aber dahinter ist nichts. Und viertens: Wir haben überhaupt keine inneren Werte, deshalb sagen wir auch nichts."

Weil die Deutschen eher zur Zurückhaltung neigten, besetzten sie mehrheitlich die Gruppen zwei, drei und vier. "Dabei bekommt man schneller Mitarbeiter an Bord, als wenn man freimütig über Haken und Ösen redet", sagt Füllgraf. Das Problem stelle sich später, den solche Firmen litten regelmäßig unter einer hohen Fluktuation.

"Solange die Bewerber noch nicht zur Belegschaft gehören, sind sie geblendet. Dann werden sie von der Realität eingeholt und sind enttäuscht. Und die Mitarbeiter, die bereits an Bord sind, schütteln angesichts geschönter Personalwerbesprüche den Kopf und sagen: Das ist nicht meine Firma. Also ist das ein sehr kurzsichtiger Weg."

Mit Ehrlichkeit verblüffen

Der Schweizer Flugzeuginnenraum-Gestalter Lantal verwendete bis vor kurzem einen Claim, den Martin Claßen richtig klasse fand. Er bestand aus einem einzigen Wort: "Werkstolz". Und er durchzog sämtliche Maßnahmen des Personalmarketings, Broschüren, Flyer, Anzeigen, die Homepage.

"Das wird mit einem strengen Berufsethos assoziiert und passt gut zum seriösen Bild der Schweiz und der soliden Schweizerischen Wirtschaft", lobt Claßen. Mit dem Wechsel an der Personalspitze wechselte auch der Werbespruch. "Jetzt sind sie leider mit einem anderen Auftritt unterwegs."

Der ist mit der zaghaften Frage überschrieben: "Begeistern Sie bald unsere Kunden?" Das entlockt Berater Claßen nun gar keinen Applaus. "Der Slogan soll eine Aussage darüber treffen, warum ein begehrtes Talent bei just diesem Arbeitgeber arbeiten soll. Das auf einen simplen Nenner zu bringen, ist nicht einfach. Damit tun sich die Unternehmen schwer. Und Marketing-Agenturen haben in der Regel nicht die Personalexpertise und bleiben zu werblich."

Ein Tipp an mutige Personaler: Wer mit Ehrlichkeit den Nachwuchs verblüffen will, wird auf der Webseite www.kununu.com fündig, auf der Bewerber und Mitarbeiter den Spieß umdrehen und Arbeitgeber bewerten. So jedenfalls die ursprüngliche Idee, die inzwischen von den Lobhudeleien zahlloser getarnter Personaler fast zu Tode getrampelt worden ist.

Echte Arbeitnehmer-Kritik gibt es aber auch noch. "Hohe Fluktuation! Schlechte Bezahlung! Kein kreativer Freiraum!" (über den Arbeitgeber Scholz & Friends), "Kann man mit leben" (Lufthansa) oder "Schade um die Jahre" (Deutsche Bahn) sind doch auch ganz coole Sprüche. Und vielleicht sogar wahr.

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