Kaffee-Kleptomanen im Büro:Tasse voll, Kasse leer

Am Monatsende ist der Kaffee alle, aber in der Kasse sind nur 80 Cent? Zahlt trotz energischer Aufforderungen keiner der lieben Kollegen für den Kaffee, sind kreativere Lösungen gefragt.

Maria Huber

Jeden Morgen sind die Tassen voll, nur in der Kaffeekasse herrscht immer noch gähnende Leere. Die Zahlungsmoral in deutschen Kaffeeküchen ist ähnlich schlecht wie in der Baubranche. Wenn trotzdem ständig Kaffeeduft durchs Büro wabert und sich auf den Tischen der Kollegen die Tassen stapeln, muss man aber nicht gleich den Kaffeeautomaten mit Geldschlitz aufstellen. Fünf alternative Lösungsmöglichkeiten:

Kaffeeküche, iStock

Die Tassen stapeln sich schon in der Küche, aber gezahlt hat für den Kaffee mal wieder keiner.

(Foto: Foto: iStock)

1. Die Liste

Wer hat schon genau 20 Cent dabei, wenn er sich zwischen Zeitungslektüre und dem ersten Meeting schnell einen Kaffee holt? "Das kann ich morgen auch noch zahlen", denken sich die Kollegen. Die Lösung ist eine Liste, die man zusammen mit einem Stift neben dem Kaffeeautomaten platziert. Jeder, der sich eine Tasse holt, macht ein Kreuzchen, das geht schnell. Und im Gegensatz zu 20 Cent liegt der Stift immer parat. Dies funktioniert allerdings nicht, wenn im Büro neben den Kaffee-Kleptomanen auch noch die Spezies der Stifte-Stibitzer existiert.

2. Die Kaffee-Flatrate

Monatliche Grundgebühr heißt die Methode, die bereits in vielen Büros eingesetzt wird, um den Kaffee-Dieben das Handwerk zu legen. Ein zuverlässiger Kollege rechnet aus, wie viel Geld monatlich für Kaffee, Milch, Zucker und Filtertüten benötigt wird und teilt die Summe auf alle kaffeetrinkenden Mitarbeiter auf. Und die Tassen-Grundgebühr ist auch schon drin. Auch dieses Konzept hat aber Nachteile: Im nächsten Monat sagen plötzlich alle Kollegen, dass sie "eigentlich nie Kaffee trinken". Auch der literweise Genuss von Kaffee durch einzelne Mitarbeiter droht, schließlich muss die Flatrate ja bis auf den letzten Schluck ausgeschlürft werden.

3. Die totale Überwachung

Angesichts konsequenter und unverschämter Kaffee-Diebe kann man auch auf den Gedanken kommen, härtere Maßnahmen einzusetzen, um den Tatort Kaffeeküche dauerhaft zu sichern. Einen Mitarbeiter zur Überwachung abzustellen, ist etwas teuer. Eine Überwachungskamera ist dagegen schon ab 50 Euro zu haben, eine Attrappe kostet gar nur um die zehn Euro. Doch diese Maßnahmen könnten unter Umständen unerwünschte Nebenwirkungen haben, die das Betriebsklima vergiften. Den gleichen negativen Effekt, nur mit höherem Arbeitsaufwand, hat die Methode, die Kaffee-Sünder mit Hilfe eines Lügendetektors ausfindig machen zu wollen.

Auf der nächsten Seite lesen Sie, warum ein Augenpaar und eine Sau die Lösung des Kaffeekassenproblems sind.

Tasse voll, Kasse leer

4. Motivation

Auge, dpa

Wenn Augen auf einem Poster in der Küche abgebildet sind, klappts auch mit dem Kaffeegeld.

(Foto: Foto: dpa)

Also sollte man vielleicht doch auf den guten Willen setzen? Schließlich weiß jeder, dass es nötig ist, einen Beitrag zu leisten, damit auch in Zukunft die nötige Dosis Koffein bereitsteht. Man muss folglich auch irgendwie dazu zu bewegen sein. Motivationstrainer Jürgen Höller sagt: "Es gibt beim Menschen zwei Knöpfe, die man bedienen kann, um ihn zu motivieren." Der eine spreche Freude und Lust an, der andere verursache Angst und Schmerzen. "Bei der Kaffeekasse ist es schwer, jemandem mit Freude zu bewegen, da bleibt nur die Peitsche", sagt Höller. Doch das Patentrezept hat Höller auch nicht, denn er gibt zu, dass es selbst in seiner Firma "Life-Learning", die unter anderem Motivationsseminare anbietet, dieses leidige Problem gibt. Die Kaffeekasse ist also selbst für Motivationsexperten ein kniffliges Problem. Doch Jürgen Höller verrät zumindest, was er versucht hat: "Wir haben eine Kaffee-Sau eingerichtet: Wenn einer beim Kaffeeraub erwischt wird, muss er da einzahlen." Diese Methode habe die Zahlungsbereitschaft schon gesteigert, behauptet er. Auch die verbreitete These, dass die Chefs grundsätzlich am wenigsten zahlen, widerlegt er. "Ich werfe immer den doppelten Betrag in die Kasse, als gutes Vorbild. Die Menschen machen ja alles nach."

5. Manipulation

Eine bereits wissenschaftlich erprobte Methode ist faszinierend und zugleich kinderleicht. Die Verhaltensforscherin Melissa Bateson von der englischen Universität Newcastle-upon-Tyne fand in einem verblüffenden Versuch heraus, wann die Kaffeekasse wirklich klingelt: Wenn in dem Raum ein Poster hängt, auf dem ein Augenpaar abgebildet ist. Abwechselnd klebte sie in einer Kaffeeküche der Uni dieses Poster und eine Abbildung mit Blumen an die Wand. Tatsächlich war die Kasse in der Zeit, in der die abgebildeten Augen Wache hielten, deutlich voller. "Durch das Augenpaar wird man auf eine andere Perspektive aufmerksam, man sieht sich praktisch plötzlich selber", sagt der Psychologie-Professor Dr. Werner Greve von der Universität Hildesheim. Mit Blick auf das Poster betrachte man sich plötzlich durch die Augen Dritter und frage sich automatisch: "Wie möchte ich, dass mich ein Beobachter sieht?", so Greve.

Doch warum drückt man sich überhaupt vor dem Zahlen? Professor Greve, der schon einige Studien zum Thema Selbstbild und auch zur Kriminalität durchgeführt hat, sagt: "Kriminell ist das nicht gleich, es hat mit dem Problem der geteilten Verantwortung zu tun. Wenn man alleine zu einem Unfall kommt, hilft man, wenn viele herumstehen, tut keiner was. Bei der Kaffeekasse ist es das Gleiche: Es sind einfach zu viele verantwortlich."

Wenn keine der Methoden gewirkt hat, bleibt ja immer noch die Möglichkeit, bei einem gemeinsamen Kaffeekränzchen zusammen nach einer Lösung zu suchen. Oder sie aus dem Kaffeesatz zu lesen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: