Jobwechsel:Nicht ohne meinen Partner

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Eine hochqualifizierte Fachkraft kommt selten allein. Oft hat sie einen gleich gut ausgebildeten Lebenspartner an ihrer Seite. Deshalb umwerben Unternehmen neue Mitarbeiter zunehmend mit Angeboten für die ganze Familie. "Spousal Hiring" nennt sich dieser Trend.

Isa Hoffinger

Zebrafinken haben es gut. Wenn ein Vogelpärchen sein Revier verlassen will, fliegt es einfach fort und baut sich woanders ein Nest. Für Menschen wie die Biologin Constance Scharff, die den Gesang der bunten Vögel erforscht, sind Umzüge keine ganz so einfache Sache.

"Dual Career Couple" mit Kind: Trotz vieler guter Ansätze ist Deutschland noch ein Entwicklungsland bei ihrer Förderung. (Foto: Foto: iStock)

Als Scharff 2001 ihrem Mann von New York nach Berlin folgte, musste sie nicht nur für ihre beiden Töchter eine neue Schule, sondern auch für sich selbst einen neuen Job suchen. Das Max-Planck-Institut hatte ihrem Mann, dem Infektionsbiologen Arturo Zychlinsky, die Stelle des Direktors angeboten. Ihre eigenen Forschungen wollte Scharff dafür nicht aufgeben. Da traf es sich gut, dass auch sie bei der Max-Planck-Gesellschaft unterkommen konnte. So mussten sich ihre Töchter mit neuen Lehrern in einer deutsch-amerikanischen Schule und einem russischen Au-Pair-Mädchen anfreunden. Und Constance Scharff bekam ein neues Labor und später an der Freien Universität Berlin (FU) eine Professur für Verhaltensbiologie.

Angebote für die ganze Familie

40 Prozent aller Paare mit Hochschulabschluss streben eine Karriere an, jeder für sich und am liebsten beide am selben Ort. Das zeigt eine Studie der Universität Dortmund. Weil die Entscheidung für einen neuen Job bei solchen "Dual Career Couples" immer auch von der beruflichen Perspektive der besseren Hälfte abhängt, umwerben Unternehmen neue Mitarbeiter zunehmend mit Angeboten für die ganze Familie, von der Kinderbetreuung über Sprach- und Integrationscoachings bis zur Jobvermittlung.

"Spousal Hiring" nennt sich dieser Trend, der aus den USA kommt. Immer mehr deutsche Personalabteilungen folgen ihm, weil sie Kosten und vor allem Zeit beim Recruiting sparen wollen. Denn "Dual Career Couples" haben ein großes Potential: Studien belegen, dass ihre Leistungsbereitschaft besonders hoch ist. Vor allem Partner, die denselben Beruf haben, investieren mehr Zeit in den Job, da sie auch zu Hause über ihre Arbeit sprechen.

Der Ingenieur Andreas Hirsch aus Meißen und seine Frau Evelin, ebenfalls Ingenieurin, sind ein weiteres Beispiel für ein solches Paar. "Als mein Mann eine Stelle bei Schott in Mainz bekam, war klar, dass ich nur mitkomme, wenn ich dort auch eine berufliche Zukunft habe", sagt Evelin Hirsch. Ein Jahr pendelte Andreas Hirsch, dann bot der Technologiekonzern auch seiner Frau eine Stelle an. "Um qualifizierte Beschäftigte zu gewinnen und vor allem zu halten, ist es heute unbedingt erforderlich, die familiäre Situation zu berücksichtigen", sagt Nina Moyer, bei der Schott AG zuständig für die Aus- und Weiterbildung. Natürlich ist die Förderung von Doppelkarrieren kein reiner Akt der Nächstenliebe. Mitarbeiter mit erfülltem Privatleben kosten die Unternehmen weniger: Sie sind motivierter und seltener krank.

Werden Mitarbeiter ins Ausland geschickt, ist die Betreuung besonders intensiv. Die Volkswagen AG bietet seit zwei Jahren Paaren, die vor einem Auslandsaufenthalt stehen, zwei Jahre lang Unterstützung an. Nach einem achtstündigen Orientierungscoaching wird ein "Activity Plan" erstellt, mit dem die Partner der Angestellten ihre beruflichen Ziele, aber auch ihre privaten Bedürfnisse abstecken. Im Gastland findet dann ein "Job Search Coaching" statt. Etwa die Hälfte der 200 seit 2006 mitausgereisten Partner hat an diesem Programm teilgenommen. Nicht nur Führungskräfte, sondern alle Mitarbeiter können sich anmelden. Auch die Siemens AG hilft Paaren bei der Suche nach einem Arbeitsplatz für den Partner. "Wir verfügen über viele geschäftliche Kontakte, die wir dabei nutzen können", sagt Siemens-Sprecher Marc Langendorf.

Auf der nächsten Seite: Warum der Förderung von Doppelkarrieren noch der Vorwurf des Nepotismus anhängt.

Trotz vieler guter Ansätze ist Deutschland noch ein Entwicklungsland bei der Förderung dualer Karrieren. Der Vorwurf des Nepotismus, der ungerechtfertigten Bevorzugung von Angehörigen, steckte noch bis vor kurzem in vielen Köpfen und bremste positive Entwicklungen. Erst mit Beginn dieses Jahres hat die Technische Universität in München (TU) gemeinsam mit der Max-Planck-Gesellschaft das " Munich Dual Career Office" eingerichtet. Dort kümmert sich Kerstin Dübner-Gee um die Partner von Wissenschaftlern. Etwa 80 000 Euro jährlich, finanziert mit Mitteln aus der Exzellenzinitiative, steht für die neue Stelle zur Verfügung. "Wir haben ein großes Interesse daran, den Forschern ein schnelles Wohlfühlen zu ermöglichen", sagt Dübner-Gee. Geplant sind deshalb Tandems: Je ein deutsches Forscherpaar soll sich um ein ausländisches kümmern und ihm die deutsche Kultur näherbringen.

Mitarbeiter mit erfülltem Privatleben kosten die Unternehmen weniger: Sie sind motivierter und seltener krank. (Foto: Foto: dpa)

Um Javier Esparza muss sich die Beauftragte für Doppelkarrieren hinsichtlich eines möglichen Kulturschocks keine Sorgen machen. Als die TU München dem Spanier im April 2007 eine Professur für Informatik anbot, lebte dieser schon lange in Deutschland, zuletzt in Stuttgart. Für den Vater zweier Kinder war neben der Lebensqualität der Stadt eine Stelle für seine Frau, die Mathematikerin Beatriz Sanchez, die bei der Max-Planck-Gesellschaft arbeitet, Voraussetzung für den Wechsel nach München.

Integrationsprogramme sollen den Neuanfang erleichtern

An der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) hat man schon früh erkannt, dass weiche Faktoren wie Freizeitwert und Wohnsituation ausschlaggebend für eine reibungslose Integration von "Career Couples" sind. Seit sechs Jahren leitet dort Madeleine Lüthy das Büro " Dual Career Advice" (DCA). Wird ein Professor berufen, fragt man auch nach der beruflichen Qualifikation des Partners. Ein Jahr lang bezahlt die ETH Zürich dem Lebensgefährten ein Gehalt. In dieser Zeit kann er sich mit der Unterstützung von Lüthy eine Stelle suchen.

Einer von denen, die in den Genuss dieses Services kamen, ist der Meteorologe und IT-Spezialist Kassiem Jacobs. Gemeinsam mit seiner Frau, der Professorin Ulrike Lohmann, hatte er an der Universität Dalhousie in Kanada gearbeitet, als seine Frau einen Ruf an die ETH erhielt. Beide wurden nach Zürich eingeladen, und während Lohmann die Ausstattung ihres Lehrstuhls aushandelte, standen für ihren Mann Sightseeing und Wohnungsbesichtigungen auf dem Programm. Inzwischen arbeitet er auch an der ETH, als EDV-Systemmanager. Und schreibt nebenbei seine Doktorarbeit in Ozeanographie.

Da Universitäten und Betriebe immer internationaler werden und der Wettbewerb um Spitzenleute härter wird, sind Integrationsprogramme für "Dual Career Couples" eine sinnvolle Investition. An der ETH Zürich kommen zwei Drittel des Personals aus Deutschland, Amerika, Frankreich und Skandinavien. "Gerade Amerikaner haben anfangs oft Probleme", sagt Madeleine Lüthy. Sie müssen sich etwa daran gewöhnen, dass man eher öffentliche Verkehrsmittel als das eigene Auto benutzt oder dass manchmal nur eine Waschmaschine für alle Mieter im Keller steht. Nicht alle Umzügler finden sich so schnell mit solchen Neuerungen ab. Schließlich sind sie keine Zebrafinken.

© SZ vom 12.4.2008/sam - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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