Soll ich den Job wechseln - ja oder nein? Zu dieser Frage gibt es viele pauschale Ratschläge: Berufseinsteiger sollten möglichst oft eine neue Stelle antreten, um Erfahrungen zu sammeln, raten manche Karriereexperten. Andere meinen: Ein bisschen Herumprobieren ist in Ordnung, aber spätestens am dritten Arbeitsplatz muss man lange bleiben. Nur nicht für immer: Wer nicht mindestens alle fünf Jahre die Position wechselt, könne seine Karriere abschreiben. Solche Faustregeln engen ein und helfen niemandem weiter, meint der Kölner Karrierecoach Bernd Slaghuis.
SZ: Herr Slaghuis, Sie sind auf das Thema berufliche Neuorientierung spezialisiert. Trauen sich die Leute mitten in der Krise überhaupt, den Job zu wechseln?
Bernd Slaghuis: Die Unsicherheit ist groß, trotzdem oder gerade deshalb habe ich in den letzten Monaten deutlich mehr Anfragen bekommen als vorher. Viele Menschen haben im Home-Office mehr Distanz zu ihren Jobs gewonnen und ihre berufliche Situation reflektiert. Häufig höre ich von Klienten: Ich werde zwar nicht sofort kündigen, aber ich möchte einen konkreten Plan B in der Schublade haben - und den setze ich um, sobald die Wirtschaft wieder anzieht. Einige meiner Klienten haben sogar trotz der Krise gekündigt.
Welche Motive stecken hinter dem Wunsch nach einem Wechsel?
Meistens hat sich bereits über längere Zeit Unzufriedenheit angestaut - aufgrund von schlechter Führung, Problemen im Team, von fehlender Entwicklung, abhandengekommenem Sinn. Die Entscheidung zur Kündigung ist trotzdem schwer. Ältere haben Angst, im Markt nicht mehr gefragt zu sein, und Jüngere bekommen von ihrem Umfeld gesagt: Du musst das jetzt für deinen Lebenslauf wenigstens ein paar Jahre durchhalten. Doch aus meiner Sicht ist Lebenslauf-Hygiene Unsinn.
Was empfehlen Sie denn stattdessen?
Nicht nur auf die Erwartungshaltung anderer zu schauen, sondern die eigenen Werte und Ziele zu reflektieren: Was ist mir am wichtigsten, damit es mir bei der Arbeit gut geht? Das ist für jeden etwas anderes. Viele Berufseinsteiger wünschen sich Sicherheit und die Möglichkeit, Dinge mitzugestalten. Für Berufserfahrene steht häufig die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit im Vordergrund, für andere die Chance, möglichst viel zu lernen. Manche brauchen die festen Strukturen und Routineabläufe einer Behörde, andere die dynamische Aufbruchsstimmung in einem Start-up. Nur wer weiß, was er oder sie wirklich braucht, kann gezielt solche Jobs suchen, die wirklich passen - und dies als Bewerber auch klar kommunizieren.
Den richtigen Job muss man dann aber noch bekommen. Stoßen Bewerber mit vielen Stationen im Lebenslauf nicht auf Skepsis?
Natürlich liegt der Verdacht nahe, dass es an Durchhaltevermögen oder Loyalität fehlt. Andererseits hat ein "Jobhopper" immer wieder andere Strukturen kennengelernt, sich in neue Themen eingearbeitet, viel Flexibilität bewiesen - das kann auch als Vorteil gesehen werden. Andersherum gilt das genauso: Wer 25 Jahre im selben Unternehmen war und wechseln will oder muss, fürchtet, für total unflexibel gehalten zu werden. Aber vielleicht schätzt der potenzielle neue Arbeitgeber ja gerade Treue und Loyalität. Das ist immer persönliche Ansichtssache.
Wie sollten Bewerber mit Vorbehalten umgehen?
Indem sie im Anschreiben und im Vorstellungsgespräch klar vermitteln, was ihre Persönlichkeit auszeichnet und was ihnen in Zukunft wichtig ist. Ich hatte neulich einen Klienten, dem dreimal in der Probezeit gekündigt wurde und der Angst hatte, nie wieder eine vernünftige Stelle zu bekommen. Diese Erfahrung zu verarbeiten und seine Haltung zu verändern, war für ihn der Schlüssel zum neuen Job - das hat auch geklappt. Denn wer mit sich und seinem Lebenslauf im Reinen ist, kann diese Klarheit auch einem neuen Arbeitgeber vermitteln.