Jobperspektiven:Weiterbildung - und was nun?

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Nicht immer bedeutet die abgeschlossene Fortbildung gleich eine Beförderung. (Foto: SIMON THON; simonthon / photocase.com)
  • Das Weiterbildungs-Angebot ist unüberschaubar. Etwa 17 000 Bildungsträger gibt es in Deutschland.
  • Ob eine Weiterbildung tatsächlich wie oft versprochen die Aufstiegschancen erhöht ist umstritten.
  • Häufig wird nicht gezielt genug geklärt, ob eine Weiterbildung nötig ist und welche die richtige ist.

Von Katharina Vitinius

Vier Monate lang studierte Holger Friedrichs jeden Samstag Bücher, Verordnungen sowie Skripte und prägte sich das Wichtigste für die Abschlussprüfung ein. Knapp 7000 Euro bezahlte der 43-jährige Immobilienkaufmann an Kursgebühren für die Weiterbildung im Real Estate Management. Der halbe Jahresurlaub ging für Projektarbeiten drauf. Und da er keine Zeit hatte, seinen Garten zu pflegen, gab es auch keine Ernte. Nicht zu vergessen die insgesamt gut 2500 Kilometer, die er mit seinem Auto zum Unterricht fuhr.

Das Zertifikat, das Friedrichs im Beruf voranbringen soll, ruht seit Juni im Ordner "Berufliches". Seinem Chef hat er eine Kopie gemailt. Der schrieb zurück: "Gratuliere. Und jetzt?" Derzeit macht sich Makler Friedrichs Gedanken darüber, ob er mit seiner Weiterbildung etwa eine Fehlinvestition getätigt hat.

Das Angebot ist unüberschaubar

Fortbildungen und Umschulungen sind ein lohnendes Geschäft. Etwa 17 000 Bildungsträger gibt es in Deutschland. Die Zahl der angebotenen Kurse ist unüberschaubar, und Qualität und Nutzen sind wenig kontrollierbar. Das gilt nicht nur für Arbeitslose, sondern auch für Berufstätige, die zielgerichtet mit dem Versprechen umworben werden, dass sich ihre Aufstiegschancen durch eine Weiterbildung verbessern würden. Doch nicht für jeden geht der Traum in Erfüllung. Manchmal lässt der nächste Karriereschritt Jahre auf sich warten. Manchmal geht es schnell, und im Rückblick wäre die Weiterbildung gar nicht nötig gewesen. Ist der Erfolg von Weiterbildung Glückssache?

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"Das ist eine sehr individuelle Frage", sagt Walter Würfel, Geschäftsführer beim Bundesverband der Träger beruflicher Bildung in Berlin. Grundsätzlich springe beim Weiterlernen für den Beruf immer ein Gewinn heraus - man müsse nur dessen Wert erkennen. "Für mich umfasst Lernen nicht nur formale Weiterbildung, Seminare besuchen und studieren", sagt Würfel, "sondern auch das Sammeln von Erfahrung und das Lernen aus Erfahrung."

Damit steht der Verbandsmanager nicht allein da. In allen Bildungsbereichen wird derzeit eifrig über non-formale und informell erworbene Kompetenzen diskutiert. "Das Ziel des Lernens ist ja nicht, sich etwas einzupauken", erklärt Würfel, "sondern Handlungssicherheit zu bekommen. Und das wird mit dem Gewinnen von Kompetenzen gleichgesetzt." So steht es auch im Berufsbildungsgesetz. Doch was sind Kompetenzen? Walter Würfel gibt ein Beispiel: "Ein Kunde verlangt beim Bäcker Mehrkornbrötchen. Die sind aber aus. Ein kompetenter Verkäufer wird das nicht so sagen, sondern dem Kunden stattdessen beispielsweise Vierkornbrötchen anbieten." Kompetenzen sind also gesunder Menschenverstand? "Da ist etwas dran", sagt Würfel lachend.

Seitdem die Technik an fast jedem Arbeitsplatz Einzug gehalten und die Globalisierung den Wettbewerb verschärft hat, heißt es landauf, landab nur noch: Mehr Bildung tut not. Aber was und wo und wie soll man lernen? Nach Ansicht von Würfel ist das die falsche Frage: "Für den Einzelnen entscheidend ist nicht so sehr, was er lernt, sondern dass er lernt", sagt er mit Nachdruck. "Berufliche Weiterbildung wirft immer einen Ertrag ab. Und sei es der Ertrag, dass man sich damit seine Arbeitsmarktfähigkeit bewahren kann."

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Ansgar Klinger, für berufliche Bildung zuständiges Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), stimmt da zu. Es seien Ausnahmefälle, wenn jemand seinen Status nach einer beruflichen Weiterbildung nicht verbessert, sondern höchstens beibehält. Und selbst das sei ein Erfolg: Wenn der Lernende nämlich genau wisse, dass er das Aufrechterhalten seiner Employability, zu deutsch Arbeitsmarktfähigkeit, just dieser Weiterbildung zu verdanken habe. Das freilich sei nicht immer klar.

"Abgesehen von der Forderung, sich lebenslang weiterzubilden, weiß ja niemand, was genau er tun und lernen soll", bemängelt Klinger. Jeder Weiterbildungsinteressent sei auf sich allein gestellt. Der Kernpunkt seiner Kritik: In der beruflichen Weiterbildung fehlt seiner Ansicht nach Transparenz und eine von den Interessen des einzelnen Arbeitgebers unabhängige Beratung.

Halten Personaler denn Weiterbildung für jeden und um jeden Preis für richtig? Rüdiger Hahn, Bereichsleiter Personal bei Buderus Edelstahl in Wetzlar verneint dies ganz entschieden und sagt: "Weiterbildung stößt dort an Grenzen, wo es an der Grundfertigkeit und der Grundbereitschaft dafür fehlt." Viel zu selten werde in Unternehmen nachgebohrt, ob ein Mitarbeiter überhaupt die Notwendigkeit erkennt und echte Motivation mitbringt, um sich gezielt weiterzubilden. Häufig würden Weiterbildungsmaßnahmen mehr oder minder wahllos veranlasst, auch, um die Budgets zu rechtfertigen oder gar als Vergütungskompensation.

"Lange Zeit haben viele nur nach dem Grundsatz gehandelt: Jeder Mitarbeiter hat ein Recht auf Weiterbildung." Die Devise habe gelautet: Hauptsache, es wird etwas getan. "Heute sind wir hoffentlich klüger und wissen, dass Weiterbildung sehr wichtig ist, aber auch gezielt am Bedarf der Person sowie an den aktuellen und vor allem künftigen Aufgaben ansetzen muss", betont Hahn.

"Das mach' ich für mich"

Dass lernfähige und lernbereite Mitarbeiter der Wirtschaft gut gefallen, steht außer Frage. Aber wie denken die Beschäftigten, das zum lebenslangen Lernen angefeuerte "Humankapital", selbst darüber? Eine Umfrage der von der Europäischen Union, dem Europäischen Sozialfonds für Deutschland und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales ins Leben gerufenen Initiative "weiter bilden" zeigt, dass die positiven Wirkungen von Weiterbildung auf individueller Ebene sehr unterschiedlich wahrgenommen werden.

Mehr als 70 Prozent der Befragten geben an, dass sich ihre persönlichen Fähigkeiten und Kompetenzen durch die Qualifizierung erhöht haben. Bis zu 85 Prozent können das Gelernte in der beruflichen Arbeit anwenden. Mehr als 57 Prozent verspüren größere Sicherheit beim Erfüllen ihrer Aufgaben. Mehr als 80 Prozent der Befragten sagen, dass sie etwas Neues gelernt haben.

Auch Holger Friedrichs würde all dem zustimmen. Und ist trotzdem enttäuscht, dass er sich für den Sprung nach oben offenbar noch mehr engagieren muss. "Man sollte sich keinen Illusionen hingeben und den Versprechungen der Institute nicht alles glauben", sagt der Makler. "Die Hälfte davon als Werbung werten und sich ansonsten sagen: Das mach' ich für mich."

Unter der Telefonnummer 030/20 17 90 90 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung einen Telefonservice zur Weiterbildungsberatung eingerichtet. Montags bis freitags (außer an Feiertagen) zwischen 10 und 17 Uhr beantworten qualifizierte Berater Fragen zu diesem Thema. Sie unterstützen dabei, noch ungenaue Vorstellungen zu konkretisieren und für die individuelle Situation passgenaue Angebote zu finden. Über die Hotline erhält man auch Antworten auf Fragen zur Finanzierung und zur Organisation einer Fortbildung.

© SZ vom 15.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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