SZ-Leserin Sarah L. fragt:
In meiner Firma besprechen wir viele Dinge per Whatsapp, zum Beispiel kurzfristige Vertretungen oder organisatorische Fragen. Ich möchte mich von Whatsapp verabschieden und hatte mich auch schon abgemeldet. Nun sagt mein Chef, dass ich in der dienstlichen Whatsapp-Gruppe bleiben müsse. Abgesehen davon, dass ich dafür mein privates Handy benutze: Kann er mich dazu zwingen?
Ina Reinsch antwortet:
Liebe Frau L., Whatsapp hat einen sehr hohen Verbreitungsgrad, und das macht die geschäftliche Nutzung so attraktiv: Schnell etwas mit Kollegen klären, den Kunden bitten, das Foto einer Fehlermeldung zu schicken, oder Termine verschieben - all das ist unkompliziert und auf direktem Weg möglich. Whatsapp-Gruppen für die gesamte Abteilung ermöglichen es dem Chef, zudem die Mitarbeiter jederzeit zu erreichen. Das hat Vorteile, aber auch Nachteile. Denn oft verschwimmen die Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem, zwischen Arbeitszeit und Feierabend.
Nach dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) 2018 haben sich zahlreiche Unternehmen entschieden, die dienstliche Nutzung des Messenger-Dienstes zu untersagen. Aus datenschutzrechtlicher Sicht liegt eines der Hauptprobleme darin, dass Einträge aus dem internen Adressbuch des Smartphones an Whatsapp übertragen, also auf Servern des Unternehmens in den USA transferiert werden. Dafür wäre nach der DSGVO eine Einwilligung jedes einzelnen Betroffenen aus dem Adressbuch erforderlich, die natürlich nicht vorliegt. Zudem besteht die Gefahr, dass Daten an andere Facebook-Unternehmen weitergegeben werden.
Wegen dieser und anderer datenschutzrechtlichen Bedenken ist beispielsweise allen Bundesbehörden in Deutschland die Nutzung des Messenger-Dienstes für dienstliche Zwecke untersagt. Auch Lehrer dürfen mit Schülern und Eltern nicht dienstlich über Whatsapp kommunizieren.
Für Unternehmen steht viel auf dem Spiel. Nach der DSGVO sind bei Verstößen Strafen von bis zu 20 Millionen Euro möglich. Daher ist Whatsapp zur dienstlichen Kommunikation der Mitarbeiter untereinander ungeeignet. Ihr Chef kann Sie in Ihrem konkreten Fall auch nicht zwingen, in der dienstlichen Whatsapp-Gruppe zu bleiben, um beispielsweise organisatorische Fragen in der Abteilung zu klären. Denn Sie benutzen Ihr privates Handy für die Kommunikation. Dieses ist zweifelsfrei Ihrem privaten Lebensbereich zuzuordnen. Auf diesen hat der Arbeitgeber - auch per Weisungsrecht - keine Zugriffsmöglichkeit. Sie sind nicht verpflichtet, Ihr privates Hab und Gut für eine dienstliche Nutzung zur Verfügung zu stellen.
Das wird möglicherweise bei Ihrem Chef zunächst auf Unverständnis und Unmut stoßen, doch Sie dürfen und sollten Ihr Nein kundtun. Vielleicht hat Ihr Vorgesetzter sich noch gar nicht näher mit den datenschutzrechtlichen Problemen auseinandergesetzt und fokussiert sich ganz auf die praktischen Vorteile? Vielleicht läuft sein Ansinnen sogar den klaren Vorgaben der Firma zuwider? Dann wird ihm vielleicht jetzt bewusst werden, was für das Unternehmen auf dem Spiel steht. Sollte sich Ihr Unternehmen dazu tatsächlich noch keine Gedanken gemacht haben, wäre dies nun ein Anlass, das nachzuholen.
Zum anderen dürfen Sie Ihrer Überzeugung folgen. Wenn Sie Whatsapp auf Ihrem privatem Handy nicht nutzen möchten, weil Sie nicht damit einverstanden sind, dass private Daten weitergegeben und genutzt werden, ist das in Ordnung. Will Ihr Chef einen bestimmten Kommunikationskanal zur dienstlichen Nutzung vorschreiben, muss er dafür die entsprechenden Geräte zur Verfügung stellen, also Diensthandys anschaffen. Wie sich Whatsapp dann datenschutzkonform im Unternehmen nutzen lässt, muss Ihr Arbeitgeber klären. Ist dies möglich, müssten Sie aber mitmachen. Denn Sie laufen dann nicht mehr Gefahr, dass Ihre privaten Daten und die Ihrer privaten Kontakte für Zwecke genutzt werden, die Sie nicht billigen.
Ina Reinsch ist Rechtsanwältin, Buchautorin und Referentin in München. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Arbeitsrecht.