Süddeutsche Zeitung

Frage an den SZ-Jobcoach:Wie motiviere ich meine Mitarbeiter zum Abnehmen?

Lesezeit: 2 min

Arno B. macht sich Sorgen um eine übergewichtige Angestellte, die kaum noch aus dem Bürostuhl hochkommt. Er fragt den Jobcoach, ob er ihr Hilfe anbieten muss.

SZ-Leser Arno B. fragt:

Mit den 56 Mitarbeitern in meiner Firma pflege ich einen kooperativen Führungsstil. Wir besprechen alles und legen gemeinsam die Ziele fest. Alle sind sehr motiviert. Allerdings habe ich ein Problem mit einer Mitarbeiterin. Sie ist stark übergewichtig. Zwei Kolleginnen haben schon versucht, sie darauf anzusprechen, die Personalleiterin hat ihr ein Magenband empfohlen, vor Jahren war sie bei den Weight Watchers - alles ohne Erfolg. Der Betriebsarzt sagt, er sei nicht zuständig. Inzwischen kommt sie aus ihrem Bürostuhl kaum mehr hoch. Was kann ich machen? Ich kann doch nicht zusehen, wie diese Mitarbeiterin immer kränker wird.

Christine Demmer antwortet:

Sehr geehrter Herr B., ich finde es toll, dass Sie sich so um Ihre Mitarbeiterin sorgen. Ehrlich! Andere Chefs würden etwas von "nachlassender Leistungskraft" murmeln und mehr oder minder subtil darauf drängen, dass sich die Mitarbeiterin lokal verdünnisiert. Sie aber nicht, und das ehrt Sie. Zumal Sie natürlich recht haben. Starkes Übergewicht begünstigt die Entstehung von Diabetes, Erkrankungen des Bewegungsapparates, und in der Regel tut es auch der Psyche nicht gut.

All das sind gute und hinlänglich bekannte Gründe, um abzuspecken. Ebenso wie es gute Gründe gibt, mit dem Rauchen aufzuhören, den Alkoholkonsum einzuschränken, mehr Obst und Gemüse zu essen - und auf mitfühlend vorgebrachte gute Gründe einfach nicht zu hören. Weil sie einem nämlich unaufgefordert und von allen Seiten entgegenschallen und schon deshalb Widerwillen auslösen. "Was soll das? Weiß ich doch alles selbst."

Mit Argumenten, fürchte ich, kommen Sie hier nicht weiter. Die wird Ihre Mitarbeiterin samt und sonders selber kennen. Und wenn man es allein nicht schafft, baut sich im Inneren gern Widerstand auf gegen wohlmeinende Ratschläge von Dritten.

Wenn Sie ihr ernsthaft helfen wollen, müssen Sie schon in die psychologische Trickkiste greifen. Konkret heißt das: Verstärken Sie nicht den Druck auf die Mitarbeiterin mit Ratschlägen, die eher als Schläge denn als Rat empfunden werden. Setzen Sie vielmehr Anreize für vernünftiges Verhaltes. Pull statt Push - machen Sie die Gewichtsabnahme leicht, anstatt sie als schweres Problem darzustellen.

Wie wäre es zum Beispiel, wenn Sie einen Ernährungsberater anheuern, der für einen bestimmten Zeitraum, sagen wir ein Vierteljahr, Ihre Mitarbeiter coacht? Wobei die Teilnahme selbstverständlich freiwillig ist. Idealerweise kommt der Coach mitten am Arbeitstag zu Ihnen in die Firma. Und natürlich sind Sie selbst mit Feuereifer dabei, weil sich dann kaum jemand drücken wird.

Begleitend können Sie Ihrer Belegschaft täglich einen Korb voll frischem Obst und appetitlich geschnippeltem Gemüse auf die Schreibtische setzen lassen und in der Teeküche kalorienreiche Limonaden gegen Mineralwasser austauschen. Wenn Sie ganz konsequent sind, spendieren Sie Ihren Leute dazu die Mitgliedschaft in einem nahe gelegenen Fitnesscenter.

Seien Sie sich nur bei all dem bewusst, dass Sie niemanden zu seinem Glück zwingen können. Es ist gut möglich, dass ausgerechnet die fittesten und schlankesten Ihrer Mitarbeiter das Programm begeistert mitmachen und die Kollegin, um die es eigentlich geht, gelangweilt oder sogar genervt danebensteht, während sie an einem Schokoriegel kaut. In dem Fall müssen Sie sich damit begnügen, dass Sie alles getan haben, was in Ihrer Macht als fürsorglicher Arbeitgeber steht. Die Alternative ist gutes Zureden, und damit sind Sie nicht weit gekommen. Ich denke, einen Versuch ist es allemal wert.

Christine Demmer arbeitet als Wirtschaftsjournalistin, Sachbuchautorin und Coach in Deutschland und Schweden.

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Quelle:
SZ vom 26.01.2019
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