Jobcoach:Darf mein Chef die Probezeit verlängern?

Der Vorgesetzte kann den neuen Mitarbeiter nach fünf Monaten im Home-Office noch nicht richtig einschätzen. Darf er einfach die Probezeit ausweiten?

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SZ-Leser Sebastian T. fragt:

Ich habe vor fünf Monaten als Entwickler bei einem Automobilzulieferer angefangen und bin noch in der Probezeit. Seit Beginn der Corona-Pandemie sind die Mitarbeiter dort gehalten, wann immer es möglich ist, im Home-Office zu arbeiten. Daher konnte ich während der ersten Monate nur jeweils zwei Tage pro Woche vor Ort von verschiedenen Kollegen eingearbeitet werden. Drei Tage pro Woche war ich zu Hause. Nun will mein Vorgesetzter die Probezeit verlängern. Er sagt, dass er meine Performance noch nicht richtig einschätzen könne. Muss ich mich darauf einlassen?

Ina Reinsch antwortet:

Lieber Herr T., es spricht für Sie, dass Sie mitten in der Pandemie einen neuen Job gefunden haben. Doch für die Einarbeitung ist es ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt. Während Neulinge in normalen Zeiten von Kollegen und Vorgesetzten am Arbeitsort fachlich eingewiesen werden und in der Regel alles erfragen können, was ihnen unklar ist, dürfte das im Home-Office schwieriger sein. Ganz zu schweigen von der Frage, ob der oder die Neue zum Team passt. Da können sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite Irritationen auftreten, die zu dem Gefühl führen, den anderen auch nach mehreren Monaten noch gar nicht richtig einschätzen zu können. Doch so ganz problemlos lässt sich eine Probezeit meist nicht verlängern.

In der Regel ist die Probezeit auf sechs Monate angelegt. In dieser Zeit können sowohl beide Seiten das Arbeitsverhältnis jederzeit ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von zwei Wochen beenden. Mit dem Ablauf von sechs Monaten gilt dann die vertraglich vereinbarte, tarifliche oder gesetzliche Kündigungsfrist. Vor allem aber genießt der Mitarbeiter in größeren Betrieben Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Der Chef kann sich nur noch schwer trennen. Damit ist eine über sechs Monate hinausgehende Probezeit praktisch wertlos.

Eine Verlängerung der Probezeit ist daher nur denkbar, wenn sie zunächst auf weniger als sechs Monate angelegt war. Wer etwa eine dreimonatige Erprobung vereinbart hat, kann auf sechs Monate aufstocken. Allerdings muss der Mitarbeiter der Verlängerung zustimmen.

Das alles wird auch Ihr Arbeitgeber wissen und Ihnen vermutlich keine "Verlängerung" über die sechs Monate hinaus antragen. Er wird sich auch davor hüten, das Arbeitsverhältnis in der Probezeit zu beenden und ein neues abzuschließen. Denn dieses Verhalten wäre rechtsmissbräuchlich, die sechs Monate ihres ersten Jobs wären auf den neuen anzurechnen, sodass sie sofort Kündigungsschutz genießen und damit fest im Sattel sitzen. Sollte der Chef dies anbieten, können Sie getrost mitmachen.

Ich vermute, dass Ihr Chef das Arbeitsverhältnis noch in der Probezeit beenden wird - allerdings nicht mit der zweiwöchigen Kündigungsfrist, sondern mit einer längeren. Gleichzeitig wird er Ihnen anbieten, danach ein neues Arbeitsverhältnis abzuschließen, wenn Sie sich in dieser Zeit bewähren. Das ist ein juristischer Kunstgriff, der es ermöglicht, den Mitarbeiter über die ersten sechs Monate hinaus zu prüfen, und der von der Rechtsprechung grundsätzlich abgesegnet ist. Allerdings muss die Kündigungsfrist noch angemessen sein. Länger als vier Monate sollte sie nicht betragen.

In die gleiche Richtung zielt ein Aufhebungsvertrag. Auch hier kann eine verlängerte, aber noch angemessene Auslauffrist vereinbart werden. Voraussetzung ist jedoch auch hier eine Zusage, dass man Sie bei überzeugender Leistung wieder einstellen wird. Beide Varianten bergen die große Chance, dass Sie Ihren Arbeitgeber noch überzeugen. Sagen Sie Nein, droht ihnen vermutlich die Kündigung in der Probezeit.

Ina Reinsch ist Rechtsanwältin, Buchautorin und Referentin in München. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Arbeitsrecht.

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