Süddeutsche Zeitung

Job:Wer zahlt die Weiterbildung?

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Technischer Fortschritt und Globalisierung verlangen von Berufstätigen, ihr Wissen ständig zu aktualisieren. Für vieles muss der Arbeitgeber aufkommen.

Interview von Christine Demmer

Harald Ackerschott aus Bonn hat sich auf Eignungsdiagnostik spezialisiert. Dieses Spezialgebiet der Psychologie geht der Frage nach, wie man die Stärken und Schwächen von Menschen erfassen und daraus ableiten kann, für wen welche Qualifizierungsmaßnahme sinnvoll ist.

SZ: Weiterbildung wird gern auch als Personalentwicklung bezeichnet. Kann man Menschen überhaupt entwickeln?

Harald Ackerschott: In der deutschen Sprache ist das Verb "entwickeln" reflexiv. Es heißt "sich entwickeln". Das kann also nur jeder für sich selbst tun. Unternehmen können allenfalls Angebote zur Entwicklung, in der Regel also zur Weiterbildung machen, und die Rahmenbedingungen im Betrieb so setzen, dass man dort fachlich lernen und persönlich wachsen kann.

Damit ist die Sache klar: Die Arbeitnehmer müssen selber ran. Oder?

Moment. Oft wird vergessen, dass zu den Aufgaben des Arbeitgebers auch die Instruktion gehört. Unternehmen, die Leistung erwarten, müssen ihre Mitarbeiter in die Lage versetzen, die Arbeit richtig tun zu können. Wenn ein Mitarbeiter bestimmte Kenntnisse und Fertigkeiten für seinen Job benötigt, dann muss der Arbeitgeber ihm oder ihr das beibringen lassen.

Wer steht in der Pflicht, wenn Mitarbeiter etwas lernen wollen, was nicht heute, sondern morgen gebraucht wird?

Wenn diese Kenntnisse und Fertigkeiten künftig für den Job in dem Unternehmen wichtig sein werden, dann gilt dasselbe. Der Arbeitgeber muss seine Mitarbeiter darauf vorbereiten. Das fällt in die betriebliche Weiterbildung.

Und wenn sich der Lerneifer auf etwas richtet, das nicht direkt mit dem aktuellen Job zu tun hat? Sagen wir: Ein Bäcker will Chinesisch lernen, eine Ingenieurin will selbstsicherer werden?

Wenn sich jemand persönlich weiterentwickeln will, auch weil er sich davon bessere Karrierechancen verspricht, kann man das als seine Privatsache ansehen. Warum sollte das Unternehmen dafür bezahlen, dass der Arbeitnehmer etwas lernt, um woanders dank seines neuen Wissens und Könnens mehr Geld zu verdienen?

Aber wenn der Mitarbeiter etwas Neues gelernt hat, etwa Konflikte offen anzusprechen, dann haben Kollegen und Vorgesetzte doch schon heute etwas davon.

Die Firma profitiert vielleicht auch davon, wenn Mitarbeiter im Kegelklub ihre Netzwerk-Skills entwickeln. Das ist keine Weiterbildung und im Gehalt mit eingepreist.

Aber erwarten Unternehmen nicht zu viel von Mitarbeitern, auch was den finanziellen und zeitlichen Aufwand anbelangt?

Ein Arbeitsvertrag ist ein wechselseitiges Geben und Nehmen. Und neben dem juristisch ausformulierten existiert immer auch ein psychologischer Arbeitsvertrag. Der funktioniert, solange Vertrauen da ist und sich keine Seite ausgenutzt fühlt. Ob eine Erwartung überzogen ist, muss jeder für sich betrachten. Und dann muss man offen sprechen: Was ist im Interesse der Firma, was ist Privatsache? Mitunter findet sich ein Kompromiss. Ich finde immer gut, wenn beide Seiten etwas investieren.

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Quelle:
SZ vom 02.09.2017
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