Job und Privatleben:Wenn Berufe zu Beziehungskillern werden

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Gerade im Hotel- und Gastronomie-Gewerbe belasten die Arbeitszeiten häufig die Beziehung. (Foto: imago stock&people)
  • Manche Berufe bringen besondere Herausforderungen für die Partnerschaft mit sich - speziell Jobs mit Schichtarbeit und hohem Arbeitspensum.
  • In diesen Fällen sollten sich die Partner gut absprechen, akribisch gemeinsame Zeit planen und sich nach Möglichkeit Unterstützung holen.

Von Juliane von Wedemeyer

Julia Geyer ist frisch verheiratet, hat nette Freunde, eine schöne Wohnung, einen sicheren Job als Hotelfachfrau mit der Option, irgendwann Chefin zu werden. Die 34-Jährige soll den elterlichen Gasthof in Grißheim übernehmen. Momentan empfängt sie dort die Gäste an der Rezeption, kümmert sich um Buchhaltung und Verwaltung und um die Gestaltung des Hauses, in dem schon im 17. Jahrhundert Einwohner und Reisende bewirtet wurden. Julia Geyer ist mit ihrem Leben rundum zufrieden.

Das war sie vor vier Jahren auch schon. Nur fehlte damals etwas Wesentliches: der richtige Mann an ihrer Seite. Julia Geyer war das gar nicht so aufgefallen, aber ihrer Mutter. Jedenfalls überredete sie ihre Tochter, sich bei einer Online-Partnerbörse anzumelden. Denn Grißheim ist zwar idyllisch im Markgräfler Land am Rhein gelegen, aber es ist eben auch sehr klein. Und unter den knapp 1400 Einwohnern schien nicht der Eine für Julia zu sein. Er lebte offensichtlich auch nicht in den ebenfalls überschaubaren Orten der Umgebung.

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Ihr ging es da wie vielen, die in der Gastronomie, aber auch in der Lebensmittelbranche oder Landwirtschaft arbeiten. Nicht umsonst folgt der Doku-Serie "Bauer sucht Frau" nun "Wirt sucht Liebe", moderiert von Ex-Model und Ex-Actionfilm-Darstellerin Brigitte Nielsen. Eigentlich fehlen jetzt nur noch Partnervermittlungs-Sendungen für Bäcker und Metzger. So fragwürdig diese Privatsender-Formate auch sind, sie haben einen wahren Kern: Die Partnersuche in diesen Berufen ist kompliziert, vor allem wenn ein Familienbetrieb im Spiel ist. Viele potenzielle Lebensgefährten schreckt das Arbeitspensum ab, das damit oft auch für sie verbunden wäre - kaum Urlaube, keine freien Wochenenden, frühes Aufstehen und manchmal obendrauf noch die Buchhaltung. Vor allem aber sind die Suchenden örtlich gebunden. Wegziehen ist keine Option.

Scheidungsraten in 449 verschiedenen Berufsgruppen

Seit 1877 liegt der Grißheimer Gasthof in den Händen von Julia Geyers Familie. Dass sie die Tradition weiterführen würde, stand außer Frage, zumal ihr Bruder sich gegen die Gastronomie entschieden hat und KFZ-Mechaniker geworden ist. Für Beziehungen ist das eindeutig der einfachere Beruf. Denn anders als sie hat ihr Bruder sozial kompatible Arbeitszeiten. Julia Geyer dagegen arbeitet jede Woche von Dienstag bis Sonntag, oft bis 22 oder 23 Uhr, weil sie für ihre Gäste erreichbar sein muss. Montag ist ihr einziger freier Tag, und an dem müssen eben die meisten anderen Menschen arbeiten. Das machte es nicht unbedingt leichter, den Traummann zu finden. Und auch für die Haltbarkeit einer Beziehung scheinen das nicht die besten Voraussetzungen zu sein.

Eine Studie von der Radford University in Virginia hat die Scheidungsraten in 449 verschiedenen Berufsgruppen untersucht und eine Rangliste erstellt: Seit den Fünfzigerjahren landen ganz vorne immer wieder Angestellte in Gastronomiebetrieben und Krankenpfleger und -schwestern, also Menschen, die im Schichtdienst oder eben wie Julia Geyer versetzt zum Lebensrhythmus der anderen arbeiten.

Welch schwere Bürde Arbeitszeiten für Beziehungen sein können, erlebt die Therapeutin Alexandra Carstens häufig. In ihrer Münchner Praxis hilft sie Paaren durch Krisen. "Das Zeitthema ist tatsächlich ein Hauptproblem", sagt sie. Besonders Beziehungen, in denen ein Partner in einem Beruf mit großem Arbeitspensum oder im Schichtdienst arbeitet, seien gefährdet. Wenn jemand wie viele Selbständige etwa 60 bis 80 Stunden in der Woche dem Job widmet und das eventuell noch auf Geschäftsreisen, bleibe ihm kaum Zeit für die Partnerschaft.

Funktionieren können solche Beziehungen trotzdem. "Das erfordert von den Paaren aber extrem gute Organisation und Kommunikation", sagt Carstens. Beide müssten bereit sein, einen Terminkalender miteinander zu führen und die gemeinsamen Zeitfenster akribisch zu planen. Ein digitaler Familienkalender kann da eine große Unterstützung sein. Wenn beide beruflich stark eingebunden sind, hilft es auch - sofern finanziell möglich - sich Hilfe im Haushalt zu organisieren, die Wäsche in die Wäscherei zu bringen oder einen Einkaufsservice zu nutzen, um die gemeinsame Zeit sinnvoller zu nutzen, sie mit schönen Momenten zu füllen.

Allerdings sollten nicht nur diese geplant werden, sondern auch die Streitgespräche. Das ist gar nicht so leicht, räumt Carstens ein: "Man muss sich antrainieren zu sagen: Ich habe da ein Problem mit dir, über das ich sprechen muss, lass uns einen Termin dafür finden!" Das hat zumindest den Vorteil, dass man sich bis dahin meist wieder beruhigt hat und unvoreingenommener mit dem anderen reden kann. "Man muss sich dann aber auch disziplinieren und es wirklich tun, auch wenn es einem wieder gut geht und das Problem in den Hintergrund gerückt ist."

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Der große Organisationsaufwand ist eine starke Belastung

Schwieriger wird es, wenn Paare Nachwuchs bekommen. Dann müssen sie zusätzlich zur "Partnerzeit" auch noch "Kinderzeit" einplanen. Carstens kennt Familien, bei denen beide Eltern im Schichtdienst arbeiten. Fehlt dann das familiäre Netzwerk am Ort, müssen sie sich, statt möglichst in gemeinsamen Schichten zu arbeiten, abwechseln, um die Kinder betreuen zu können. Die Eltern sehen sich dann kaum noch. Aber selbst diese Bedingungen könnten Paare aushalten, zumal sie sich ja mit zunehmendem Alter der Kinder wieder bessern.

Trotzdem: Der große Organisationsaufwand ist eine starke Belastung für Beziehungen, mit der Spontanität gehe oft auch ein Stück Lebensfreude und Leichtigkeit verloren, erklärt die Therapeutin. Auf gegenseitige Vorwürfe sollten die Partner aber auf jeden Fall verzichten. "Das Wichtigste ist, dass beide diese Situation mittragen und ihnen bewusst ist, dass es für sie beide eine Belastung ist." Das Paar sollte sich sagen "Wir zwei haben es wirklich schwer" und aus diesem Wir heraus dann eine gemeinsame Lösung suchen.

Julia Geyer und ihr Ehemann, den sie ziemlich schnell auf der Online-Partnerbörse entdeckt hatte, haben das geschafft. Dabei hatten auch sie eine ziemlich harte Phase. Er stammt aus der Nähe Berlins, lebte fast 800 Kilometer entfernt. Wegen ihrer Arbeitszeiten konnten sie sich manchmal wochenlang nicht sehen. Inzwischen wohnen beide in Grißheim. Julia Geyers Mann hat in der Nähe einen Arbeitsplatz gefunden. Bald wollen sie aber gemeinsam den Grißheimer Gasthof betreiben. Julia Geyer hat nämlich einen Koch geheiratet. Den freien Montag können sie schon jetzt zusammen genießen.

© SZ vom 26.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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