Süddeutsche Zeitung

Job:"Kommen Sie bitte, meine Mitarbeiter haben sich angespuckt"

Wenn die Emotionen über den Konferenztisch fliegen und Vorgesetzte sich ohrfeigen, soll Stephanie Huber schlichten. Ein Gespräch über Eskalationen im Büro.

Interview von Larissa Holzki

Mit den Erfahrungen von Stephanie Huber ließe sich eine Seifenoper füllen: Die Mediatorin vermittelt in Unternehmen, wenn ein Streit eskaliert. Ein Chef ruft sie an und sagt, seine Mitarbeiter hätten sich im Meeting angespuckt. Kollegen wissen nach einer Ohrfeige nicht, wie sie miteinander umgehen sollen. Und zwei Unternehmen sollen zusammenarbeiten - die Mitarbeiter halten einander aber für Deppen.

SZ: Frau Huber, wie sah der heftigste Bürostreit aus, an den Sie sich erinnern?

Stephanie Huber: Das war ein Streit zwischen zwei Geschäftsführern. Einer der beiden hatte am Ende ein blaues Auge und eine gebrochene Rippe. Sein Kollege ist in einer Auseinandersetzung plötzlich vom Schreibtisch aufgesprungen, hat seinen Stuhl umgeschmissen und ist auf ihn losgegangen - vor den Augen der Sekretärinnen. Allerdings habe ich in dem Fall nur mit dem Geprügelten gearbeitet, weil ich gesagt habe: Wenn ich mit beiden zusammenarbeiten soll, behalte ich mir vor, den Notruf zu wählen. Das hat dem Schläger nicht gepasst.

Können Sie denn etwas ausrichten, wenn Sie mit nur einer Konfliktpartei sprechen?

Zu einem Konflikt zwischen zwei Parteien trägt jeder zu 50 Prozent bei. Deshalb können Sie die Situation durchaus verändern, wenn Sie bei einer von beiden etwas ändern.

Haben Sie dem Geschlagenen geraten, das Unternehmen zu verlassen?

Als Konfliktmanagerin rate ich nichts. Ich berichte höchstens, wie andere Menschen in dieser Situation ihren Streit beendet haben. Die beiden arbeiten heute immer noch zusammen. Ich bewerte das nicht. Aber ich glaube, dass der Mensch eine Therapie bräuchte, um seine Aggressionen in den Griff zu bekommen. Ich habe das oft, dass Menschen einfach rumschreien.

Wie geht man mit Cholerikern im Büro um?

Zwei Partner haben sich während der Mediation zum Beispiel darauf geeinigt: Wenn der eine schreit, geht der andere wortlos raus und schließt die Tür. Der Schreier meldet sich wieder, wenn er sich beruhigt hat. Die haben erkannt, dass der sich entladen muss, der braucht seine Anfälle, das hat nichts mit Respektlosigkeit zu tun. Im Gegenteil: Er hat gesagt, er schreie nur seine Frau und seinen Partner an, weil sie sich so nahe seien. Zwischen den beiden funktioniert diese Vereinbarung gut. Aber das ist nie mein Vorschlag. Ich frage nur: Wie können Sie damit umgehen?

Warum brauchen Unternehmen dafür eine Mediatorin? Könnte eine Vorgesetzte das nicht auch?

Es braucht eine objektive Person, die keine eigenen Interessen in der Sache hat. Der Chef oder die Chefin weiß ja, welcher der beiden Mitarbeiter schwieriger zu ersetzen ist, welcher vielleicht bessere Arbeit leistet. Das befeuert den Konflikt.

Worum geht es in den Streitereien am häufigsten?

Es geht nie um eine Sache. Menschen streiten sich, weil sie etwas emotional betrifft. Wenn Sie sich also mit der Kollegin um einen Bleistift auf dem Schreibtisch streiten, danach ums Lineal und dann noch ums Radiergummi, dann geht es dabei nicht um die Schreibutensilien, sondern es steckt anderes dahinter. In der Mediation geht es darum, das Kernproblem zu finden. Oft ist die Frage: Wer darf der Leithammel sein?

Der Leithammel? Das klingt nach einem ziemlich überkommenen Hierarchieverständnis.

Ich finde den Vergleich zu einer Schafherde gut, weil es um Rivalitätskonflikte, um Konkurrenzdenken geht. Es reicht nicht zu sagen, ihr seid keine Konkurrenten. Da ist dieses Gefühl, er oder sie nimmt mir etwas weg - und dann fliegt im Meeting Spucke über den Tisch.

Mitarbeiter spucken sich an, weil sie Angst um ihre Macht haben?

Ein Geschäftsführer hat mich angerufen und gesagt: Kommen Sie bitte, meine Mitarbeiter haben sich angespuckt. Die beiden haben dann behauptet, es sei vielleicht eine nasse Aussprache gewesen, aber angespuckt hätten sie sich nicht. Jedenfalls haben die beiden miteinander gekämpft. Einer der beiden war schon länger im Unternehmen. Er hat den neuen Kollegen nicht Fuß fassen lassen. Die haben sich gegeneinander ausgespielt und schlecht gemacht.

Konkurrenz ist in vielen Unternehmen gewünscht, weil sie zu besserer Leistung anspornen kann. Aber lassen sich solche Konflikte noch moderieren oder muss da einer der Beteiligten gehen?

Eine Konferenz, in der sich zwei Beteiligte anspucken, können Sie nur beenden. Entweder Sie schicken die beiden raus oder Sie sagen, wir brechen das hier ab und machen morgen weiter, wenn sich die Gemüter beruhigt haben. Das fatale in diesem Fall war, dass es schon der dritte Versuch war, eine Führungskraft von außen zu etablieren. Zwei Leithammel wurden schon weggebissen, wenn Sie so wollen.

Also ist bei der Einarbeitung und Integration der neuen Führungskräfte etwas grundsätzlich schief gelaufen?

Chefs müssen achtsam sein, um Sorgen der Mitarbeiter zu erkennen. Sie sind oft nicht so ehrlich zu sagen, Chef, ich mache mir Sorgen um meinen Einfluss. In dem besagten Unternehmen haben die Kontrahenten schließlich ein gemeinsames Projekt bekommen. Dafür waren nur die beiden verantwortlich, sie mussten sich vor niemandem profilieren, waren nur dem Chef Rechenschaft schuldig. So haben sie sich kennengelernt und gemerkt, dass der andere gar nicht so blöd ist.

Viele Kollegen sind miteinander befreundet, andere wollen Berufliches und Privates strikt trennen und reden am Arbeitsplatz gar nicht über Persönliches. Was ist aus Ihrer Sicht besser für die Zusammenarbeit?

Man muss nicht mit den Kollegen befreundet sein, damit es flutscht. Aber mal gemeinsam ein Bier trinken zu gehen, kann sehr hilfreich sein. Einmal sollte ich zwischen zwei Firmen mediieren, die zusammenarbeiten mussten. Die hatten bei anderen Aufträgen schlechte Erfahrungen miteinander gemacht und haben nur übereinander geschimpft. Mir ist dann aufgefallen, dass die sich nur über E-Mails und Telefonate kannten. Daraufhin habe ich vorgeschlagen, sie sollen nach Feierabend auf halber Strecke zwischen den Standorten in einem Biergarten treffen und mich danach nochmal anrufen.

Und was passierte bei dem Umtrunk?

Am nächsten Tag haben zwei Abteilungsleiter angerufen und gesagt: So blöd sind die gar nicht, wie wir immer gedacht haben. Wenn Menschen an einem Tisch sitzen, fällt es ihnen schwerer zu sagen, du bist der Depp und ich mache alles richtig.

Sind Ihren Medianten die Vorfälle eigentlich peinlich?

Oh ja. Ich hatte mal zwei Wissenschaftler, die sich vor ihren Studenten geohrfeigt haben. Da ging es bei einem Forschungsprojekt um das richtige Vorgehen und die Frage, wer darüber entscheiden darf. Die waren in der Mediation bereit, über alles zu sprechen - außer über die Ohrfeige. Wahrscheinlich habe ich deshalb häufig eine relativ weite Anreise zu meinen Klienten. Die wollen mich nach der Mediation ungern zufällig beim Einkaufen treffen.

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