Jobcoach:Soll ich krank zur Arbeit gehen?

Melissa M. geht oft trotz Migräne pflichtbewusst ins Büro. Nun möchte sie von der Personal-Expertin wissen, ob sie sich besser krankmelden sollte.

SZ-Leserin Melissa M. fragt:

Ich leide öfter an Migräne. An diesen Tagen nehme ich Schmerzmittel und gehe trotzdem zur Arbeit, weil ich meinen Kollegen und Vorgesetzten gegenüber sonst ein schlechtes Gewissen hätte. Und auch, weil ich nicht den Ruf haben möchte, zu wenig Engagement oder Leistungswillen zu zeigen. Allerdings bin ich dann weniger leistungsfähig als sonst und auch fehleranfälliger. Nun frage ich mich, ob das Arbeiten unter Schmerzen und Tabletteneinfluss nicht kontraproduktiv ist und ich mich vielleicht doch lieber krankmelden sollte. Welche Lösung macht den besseren Eindruck auf meinen Arbeitgeber?

Christine Demmer antwortet:

Liebe Frau M., zur Vorbereitung meiner Antwort habe ich mich oberflächlich in das Thema Migräne eingelesen und dabei gelernt, dass es sehr unterschiedliche Formen dieser Krankheit gibt - unter anderen die mit und ohne Aura, die vestibuläre, die hemiplegische, die basiläre, die menstruelle, die chronische und die abdominelle Migräne. Allen gemeinsam ist, dass kein Mensch, der akut unter Migräne leidet, das leisten kann, was er bei Abschluss seines Arbeitsvertrages zugesichert hat.

Der SZ-Jobcoach

Christine Demmer arbeitet als Wirtschaftsjournalistin in Deutschland und Schweden. Sie ist Managementberaterin, Coach und Autorin zahlreicher Sachbücher zu Kommunikations- und Personalthemen.

Jeder hat mal Kopfschmerzen, aber Migräne ist eine Steigerung mit allerlei üblen Begleitsymptomen, sodass Ärzte zur Krankschreibung neigen und den Patienten in der Regel absolute Ruhe empfehlen. Und die dürften Sie am Arbeitsplatz kaum haben. Zumal Sie dort sogar mit Schmerzmitteln nur halbe Leistung bringen, wie Sie selbst schreiben.

Bitte: Was hat der Arbeitgeber von einer halben Mitarbeiterin? Schreiben Sie dann nur Briefe in Halbsätzen? Planen Sie nur die Verlegung jedes zweiten Glasfaserkabels? Lassen Sie die Kunden nach der Begrüßung einfach stehen? Das machen Sie wahrscheinlich nicht. Vielmehr schleppen Sie sich durch. Schlimmstenfalls werfen Sie noch eine Pille ein. Trotzdem bringen Sie nicht dieselbe Leistung wie an schmerzfreien Tagen.

Das dürfte übrigens auch Ihren Vorgesetzten aufgefallen sein. Gute Chefs registrieren so etwas und erkundigen sich, ob sie oder alle zusammen im Team etwas tun könnten, um Sie anlässlich Ihrer Migräneschübe zu entlasten. Weniger gute Chefs belassen es bei dem Eindruck, den ihre Mitarbeiter machen. Wirken sie gesund, dann sind sie gesund. Wirken sie krank, dann sollen sie sich gefälligst auskurieren. Das ist ein Unterschied, aber kein geringer, zwischen guten und weniger guten Chefs. Deshalb meine Frage: Haben Sie in diesem Sinne eine guten oder einen weniger guten Vorgesetzten?

Nachdem Sie - und nur Sie, ich nicht - die Antwort kennen, wissen Sie jetzt auch, was Sie tun sollen. Bemühen Sie sich mit ärztlicher Hilfe, die Krankheit so weit wie möglich zurückzudrängen. Und erzählen Sie Ihrem Vorgesetzten davon, möglichst vor dem nächsten Schub. Stellen Sie ihm oder ihr am Ende genau die Frage, die Sie uns gestellt haben.

Positiv denkend vermute ich, dass neun von zehn Führungskräften sagen werden: Wenn Sie unter Migräne leiden und Ihnen der Arzt das attestiert, dann bleiben Sie selbstredend zu Hause. Einer von zehn wird seine Stirn in Falten werfen und Sie daran erinnern, dass die Zeiten schlecht und Arbeitssuchende wohlfeil sind. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung steht also auf Ihrer Seite. Und gleich dahinter der Betriebsrat.

Ihre Frage an den SZ-Jobcoach

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