Süddeutsche Zeitung

Karriere und Partnerschaft:"Problematisch wird es, wenn der Partner alles besser weiß"

Lisa Müller ist unzufrieden mit dem Chef ihres Mannes Thomas. Das kommt in Beziehungen häufig vor, sagt Coachin Ursula Most. Wie viel ist der Rat des Partners in Jobfragen wert?

Interview von Larissa Holzki

Ist es gut, wenn sich der Partner oder die Partnerin in die Karriere einmischt? Der Fußballspieler Thomas Müller jedenfalls findet das "nicht unbedingt super". Seine Frau Lisa Müller hatte der Welt zuvor mitgeteilt, dass sie seinen Chef für einen Deppen hält. Der Bayerntrainer hatte ihren Thomas im Spiel gegen Freiburg nämlich erst in der 71. Minute eingewechselt.

Ursula Most ist Wirtschaftsmediatorin und Coachin. Sie berät Führungskräfte, aber auch Paare in Beziehungskonflikten. Ob mit oder ohne Tausende Mitleser: Die Einmischung in Berufliches ist nicht ratsam, sagt sie.

SZ: Frau Most, wie verhält sich ein Lebenspartner im Optimalfall bei einem Firmenevent?

Ursula Most: Beobachtend und erst mal nicht bewertend. Anschließend kann man sich austauschen, welche Beobachtungen man gemacht hat und zu welchen Schlüssen man kommt.

Lisa Müller hat ihre Schlüsse direkt Tausenden Instagram-Nutzern mitgeteilt. Es dauere mehr als 70 Minuten, bis Niko Kovač mal einen Geistesblitz hätte ...

Sie hilft ihrem Mann nicht gerade, indem sie seinen Arbeitgeber angreift. Jetzt kann man sagen, es spielt keine Rolle, was die Ehefrau sagt. Thomas Müller hat seine eigene Meinung. Aber natürlich gehen da die Spekulationen los. Was reden die zu Hause?

Wahrscheinlich beschwert sich Thomas Müller dort wie die meisten anderen Arbeitnehmer hin und wieder über seinen Chef. Wird in Partnerschaften zu viel über den Job gesprochen?

Nein, das würde ich nicht sagen. Firmengeheimnisse sind tabu. Dazu zählen wahrscheinlich auch einige Dinge, die in der Kabine besprochen werden. Und bei anderen sensiblen Informationen sollte man immer wieder mal sagen, dass das sehr vertraulich ist. Aber grundsätzlich ist es ganz wichtig, dass man die Partnerin oder den Partner an seiner beruflichen Welt teilhaben lässt. Es ist von Vorteil zu erzählen, was man dort erlebt. Problematisch wird es, wenn der Partner dann alles besser weiß.

Sind Lebenspartner denn als Karriereberater grundsätzlich ungeeignet?

Als Berater sollte man Experte auf dem Beratungsgebiet sein. Das sind Ehepartner meistens nicht. Vor allem besteht für sie meistens ein Interessenkonflikt: Eine Entscheidung, die für meinen Partner beruflich gut ist, ist unter Umständen für unsere Beziehung und mich von Nachteil. Und es geht möglicherweise auch um Seiten an dem Partner, die ich nicht akzeptieren möchte.

Trotzdem gehören sie zu den Menschen, die einen am besten kennen. Kann man auf diesen Rat verzichten?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Partner oder Partnerinnen haben ziemlich häufig den Eindruck, der andere lässt sich ausnutzen und finden, er sollte sich umorientieren. Dann ist erst mal die Frage: Sieht der Betroffene das auch so? Oder fühlt der sich eigentlich ganz wohl in seiner beruflichen Situation? Wenn sich die beiden da uneins sind, geht es nicht nur um den Job. Dann ist das ein Paarthema.

Also steckt in jedem Streit über den Job eigentlich ein Beziehungsproblem?

Wenn ich meinen Partner sehr liebe, dann ist mir auch wichtig, wie er über meine Arbeit denkt und ich hole mir Rat von ihm. Aber in einer guten Beziehung sollte es kein Problem sein, wenn ich die Situation anders beurteile oder meine eigene Entscheidung treffe. Wenn es darüber Streitigkeiten gibt, sollte man einen unabhängigen Dritten dazuholen und fragen, worum es hier eigentlich geht.

Ohne den Müllers eine Beziehungskrise andichten zu wollen: Thomas sagt, der Trainer macht seinen Job gut. Lisa sagt, der Trainer ist ein Depp. Worum geht es hier eigentlich?

Vielleicht ist es so, wie Thomas Müller gesagt hat: Seine Frau liebt ihn und möchte, dass er Erfolg hat. Vielleicht will sie aber auch, dass er sich endlich mal mit dem Trainer anlegt und nicht immer alles hinnimmt.

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