Job:Karrieretipps im Praxistest: Power Napping

Sarah Schmidt Kolumne

Kleiner Schlummer, große Wirkung: der Mittagsschlaf im Praxistest

(Foto: Illustration Jessy Asmus für SZ.de)

"So arbeiten Sie produktiver, so schaffen Sie mehr ..." Karriere-Ratgeber gibt es viele, doch was taugen die vielen Tipps wirklich? Der Praxis-Test, diese Woche zum Thema Mittagsschlaf.

Kolumne von Sarah Schmidt

Es ist ein Paradoxon, das Paartherapeuten genauso kennen wie Ernährungsberater und Zahnärzte. Nur weil man weiß, wie etwas funktioniert, heißt das noch lange nicht, dass man selbst immer alles richtig macht - also nur Ich-Botschaften an den Partner sendet, Marzipantorte meidet und jeden Abend Zahnseide benutzt.

Ich habe Wirtschaftspsychologie studiert, betreue das Karriere-Ressort bei SZ.de und beschäftige mich sowohl aus beruflichem als auch privatem Interesse mit allem, was das Arbeitsleben effektiver und schöner macht. Doch auch, wenn ich alle Tricks und Trends von Achtsamkeit bis Pareto-Modell kenne, mein eigener Arbeitsalltag fühlt sich oft alles andere als optimiert an. Bis jetzt.

In dieser neuen Kolumne mache ich regelmäßig den Realitätscheck. Welche der vielen Karriere-Tipps taugen wirklich etwas? Was klingt nur auf dem Papier gut, ist aber in der Praxis für die Tonne? Und wie bockig ist das innere Gewohnheitstier wirklich? In meinem Fall: sehr bockig.

Die erste Folge dieser neuen Serie hätten Sie eigentlich schon vor Wochen lesen sollen - allerdings habe ich mich für den Start übernommen. Ich wollte mit nichts Geringerem als einer neu gestalteten Morgen-Routine beginnen. Doch über das Bestellen des Buches "Was erfolgreiche Menschen noch vor dem Frühstück machen", ist dieser Praxistest (bislang!) nicht hinausgekommen. Ich schlafe einfach zu gern, um aus freien Stücken anderthalb Stunden früher als unbedingt notwendig aufzustehen.

Darum starte ich nun mit Power Napping. Statt mir den Wecker wahnsinnig früh zu stellen und meinem Körper wichtigen Schlaf zu rauben, teste ich - ganz selbstlos - das Mittagsschläfchen.

Power Napping - die Theorie

Die Reihe prominenter Mittagsschläfer ist beeindruckend: Salvador Dalí und Albert Einstein, Thomas Mann und Margaret Thatcher gehören dazu. Außerdem viele weitere Persönlichkeiten, die keinen verpennten Eindruck gemacht haben.

Zudem sind nur wenige Konzepte zur Leistungssteigerung wissenschaftlich so gut fundiert wie die kleine Auszeit zu Mittag. Wer tagsüber für einige Minuten wegnickt, ist leistungsfähiger und besser gelaunt, kann sich besser konzentrieren und ist vor Übergewicht und Herzinfarkt geschützt. Das zeigen zahlreiche Studien.

Je nach Ziel werden unterschiedliche Schlafvarianten empfohlen:

  • Schon sechs Minuten Schlaf sollen das Gedächtnis verbessern (Profis nennen das Ultra-Short Sleep Episode).
  • Ein klassischer "Power Nap" dauert 10 bis 20 Minuten - die positive Wirkung ist belegt. Schläft man länger als 20 Minuten, wird das Aufwachen schwieriger, man fühlt sich meist matschiger als vor dem Schlummern.
  • Wer gerade für eine Prüfung lernt, sollte am besten gleich einen vollen Schlafzyklus von 90 Minuten investieren. Diese Generalüberholung festigt neu Gelerntes.

Außerdem empfehlen die Profis den Power Nap zwischen 13 und 16 Uhr. Danach sollte nicht mehr geschlafen werden - um die Nachtruhe nicht zu gefährden. Die Kombination mit Koffein wird durchaus empfohlen. Bis die Wirkung anschlägt, dauert es nämlich einige Minuten. Wer vor dem Schläfchen einen Kaffee trinkt, spürt den Kick pünktlich zum Wiedererwachen.

Power Napping - die Praxis

Tag 1. Erste Herausforderung: einen geeigneten Schlafplatz identifizieren. Angesichts der 27 Stockwerke im SZ-Hochhaus ist das schwieriger als erwartet. Ich erkundige mich bei den Kollegen vom Betriebsrat. "Beim Betriebsarzt gibt es so einen Ruheraum mit Liege." Kommt nicht in Frage, ich bin schließlich nicht krank, sondern entschlossen, mich zu produktiver Höchstform zu schlummern.

Nach einem schnellen Mittagessen versuche ich es mit der fensterlosen Ex-Teeküche, die jüngst zu einer Art Gemeinschaftsraum mit abgespecktem Start-up-Flair umfunktioniert wurde. Ein mit Filzkissen gepolstertes Holzbrett auf zwei Getränkekisten und zwei runde Sitzklötze lassen sich tatsächlich zu einer Art Liege umgruppieren. Ich liege mit geschlossenen Augen da, das Handy mit gestelltem Timer in der Hand (Zwölf Minuten, schließlich muss ich noch einschlafen). Einatmen, ausatmen. Schritte auf dem Flur, laute Schritte - ich schrecke auf, bereit, mich vor einem verdutzten Kollegen zu rechtfertigen ("Äh, ich recherchier hier grad was..."). Doch Fehlalarm, die Schritte gehen vorbei, dumpf fällt eine Tür ins Schloss, dann eine zweite. Ach, verflixt, liegt unsere Pseudo-Google-Feel-Good-Lounge etwa direkt neben dem Herrenklo?

Die Neon-Lampen an der Decke scheinen mir durch die Augenlider und beleuchten die imaginäre To-Do-Liste, die gedanklich an mir vorbeizieht. Mist, eine Kollegin wartet seit mehreren Stunden auf einen Rückruf. Als ich es nicht mehr aushalte, zeigt der Timer noch 3:45 Minuten.

Tag 2. Auch der nächste Anlauf scheitert. Mag ja sein, dass es in anderen Berufen besser gelingt, sich mal für ein paar Minütchen auszuklinken - zum Beispiel in all den Arztpraxen, Behörden und Postämtern, die über Mittag geschlossen haben. Das Problem in einer Online-Redaktion: Die Nachrichtenlage will sich an manchen Tagen einfach nicht an Pausenzeiten halten. Ausnahmezustand in der Türkei, eine weitere Terror-Attacke, ein aktuelles Urteil am Bundesgerichtshof - an ein Nickerchen ist heute nicht zu denken.

Tag 3. Die Voraussetzungen sind gut. Ich sitze allein im Zweierbüro. Nach dem Essen und einem Espresso Macchiato eile ich zurück an meinen Schreibtisch, bevor das Koffein anschlägt. Ich widerstehe der Versuchung, zu checken, ob vielleicht eine wichtige Mail gekommen ist. Kopf auf der Tischplatte: zu hart. Schreibtischstuhl zurücklehnen und Füße hochlegen: deutlich bequemer. Gerade habe ich das Gefühl, tatsächlich wegzudämmern, da macht es ganz leise "Pling". Und noch einmal, kaum hörbar: "Pling". Es ist eine eingehende Skype-Nachricht.

Tag 4. Beim Mittagessen mit Kollegen spreche ich das Thema "Schlafen bei der Arbeit" an. Zwei Kolleginnen gestehen, ab und an in der Toilettenkabine kurz die Augen zuzumachen. "Wenn es mal ganz schlimm ist mit der Müdigkeit." Gerade die Redaktionsmitglieder mit Frühschicht-Erfahrung sind dem Konzept Power Napping gegenüber aufgeschlossen.

Tag 5. Am Nachmittag geht mein Rechner in die Knie. Zu viele Programme sind geöffnet, zu wenig Arbeitsspeicher ist verfügbar. In diesen Fällen bleibt nur eins, der Neustart. Und während sich der Computer leise röchelnd herunter- und dann wieder hochfährt, stellt sich auch bei mir ein kleiner, feiner Schlummer ein, den Kopf in die Hand gestützt. Und siehe da: Nach dem Reset von Hirn und Festplatte läuft der restliche Arbeitstag tatsächlich geschmeidiger, verstopft weniger Datenmüll meine Gedanken.

Power Napping - das Fazit

Auch wenn alles dafür spricht, das ungenierte Schläfchen am Arbeitsplatz ist enorm schwer umzusetzen. Zu schlecht ist sein Image, es fehlt in Deutschland einfach an der entsprechenden Schlummer-Kultur. In Spanien gibt es die Siesta, in China gar das Grundrecht auf Xeu Xi, doch nickt hierzulande mal jemand weg, ist das kein Zeichen von vorausschauender Konzentrationssteigerung, sondern schlicht von akuter Übermüdung und Faulheit. Zu stark ist bei uns Produktivität als Aktivität definiert, selbst wenn diese nur darin besteht, mit offenen Augen vor einem Computerbildschirm zu sitzen.

Dass es so schlecht klappt mit dem Schlafen im Büro, hat daher auch nur zum Teil mit der fehlenden Akzeptanz und den beschränkten räumlichen Möglichkeiten zu tun. Noch stärker ist es meine eigene Rastlosigkeit, mein Anspruch, jederzeit aufmerksam und ansprechbar zu sein, mein Kontrollbedürfnis, das mich am Schlafen hindert.

Schnellcheck
Powernapping

●●●●◌ Schweinehund-Faktor

●◌◌◌◌ Praktikabilität im Büro-Alltag

●●●●◌ Wirkung auf Produktivität und Wohlbefinden

●●◌◌◌ Akzeptanz der Kollegen

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